Diese haben vor ihrem Aufstieg in die feine Gesellschaft in fast allen Fällen als Prostituierte gearbeitet und erlangen an der Seite ihres Liebhabers Zugang zu Kreisen, die ihnen sonst verschlossen blieben. Zum Dank spielen sie die Rolle der devoten, anschmiegsamen Sexgespielinnen. Das ist leider nicht halb so lustig, wie es klingt.
Emanzipation und offene, gleichberechtigte Beziehungen wie in Deutschland oder Frankreich sind in Russland noch völlig utopisch. Hier gilt es bis heute als normal, dass eine Frau keinerlei Rechte besitzt. Frauen zu schlagen, gilt als normal. So ist es auch nachvollziehbar, dass gerade mal 20 Prozent aller Frauen zugeben, schon einmal fremdgegangen zu sein. In Moskau sind es 40 Prozent. Und über die Hälfte aller männlichen Russen findet, Ehebruch sei absolut unverzeihlich. Auch der Moskauer Sexualwissenschaftler Jurij Lewtschenko stellt fest: Die russische Gesellschaft misst mit zweierlei Maß. Fremdgehende Männer gelten als erfolgreich, potent und angesehen, während fremdgehende Frauen befürchten müssen, als Schlampe zu gelten – es sei denn, sie verdingen sich als »professionelle Geliebte«.
Eine Ehefrau, die morgens beim Frühstück mit einem Foto in der Zeitung konfrontiert wird, auf dem ihr Gatte an einer 20 Jahre jüngeren Geliebten herumfummelt, hat keine Chance, das Richtige zu tun. Muckt sie auf und stellt den Fremdgänger zur Rede, muss sie befürchten, geschlagen zu werden. Schließlich nimmt sich der Gatte, was ihm gesellschaftlich längst zusteht und hat daher keinerlei Unrechtsempfinden. Schweigt sie, wird dies als Zustimmung gewertet. Verlangt sie die Scheidung, ist sie finanziell ruiniert, denn eine Scheidung nach russischem Recht ist so männerfreundlich wie kaum anderswo auf der Welt. Raue Sitten, die den legendär hohen Vodkakonsum irgendwie nachvollziehbar erscheinen lassen ...
Dieser Artikel hat 10 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Von wegen italienisches Temperament
Seite 2: Eifersüchtige Schweizer: Der Seitensprung als Staatsgeheimnis
Seite 3: No Sex, I’m british
Seite 4: Savoir vivre: Die hohe Kunst des stressfreien Fremdgehens
Seite 5: Gefährliche Abenteuer in 1001 Nacht
Seite 6: Russische Sitten: Die Geliebte als Statussymbol
Seite 7: Heiße Schwedinnen? Die gibt’s nur im Film!
Seite 8: Amerika, wie hast du dich verändert
Seite 9: Zwischen Kaiserschmarrn und Schlagersängern
Seite 10: Deutschlands neue Gelassenheit sorgt für mehr Lust