Ausgerechnet im konservativen Bayern scheint das jedenfalls zu stimmen. Was vermutlich an der räumlichen Nähe zu den österreichischen Nachbarn liegt, die ja mit ihren »Seitensprüngen« geradezu prahlen und sie als Zeichen von »ja, ich hab’s noch drauf« betrachten. Ein Endruck der nicht nur durch potente Landeskinder wie Horst Seehofer oder den CSU-Generalsekretär Markus Söder entsteht. Die regionalen Unterschiede in Deutschland sind enorm. In Berlin lockt eine »wilde Ehe« oder eine Kommune mit polyamoren/polygamen Nertwerken niemanden mehr hinter dem Ofen hervor.
In ländlichen Gegenden Süddeutschlands gilt »nebenraus« als höchst verwerflich. Genau wie die wilde Ehe. Was Kanzerlin Merkel viele Jahre lang unbehelligt von Paparazzi und Spießermeinungen tun konnte, nämlich mit dem Mann ihres Herzens unverheiratet zusammenleben, scheint in Schwaben ein Unding zu sein. Spätestens nach sechs Monaten haben die Hochzeitsglocken zu läuten. Eine unverheiratete Frau mit Kindern hat in der bayierschen Provinz gesellschaftlich einen kniffligen Stand. Sie wird entweder bemitleidet, ständig verkuppelt oder geächtet. In der ehemaligen DDR scheinen Seitensprünge gar nicht stattzufinden, oder es fehlt an Gelegenheiten. Hier gehen angeblich nur 25 Prozent aller liierten Partner fremd. Drückt Honeckers Erbe so schwer auf die Stimmung?
Gesamtdeutsch betrachtet bezeichnen sich rund 36 Prozent der Männer selbst als monogam. Hier gibt’s allerdings ein Paradoxon: Für 51 Prozent aller Männer wäre ein Seitensprung ihrer Partnerin ein nicht verhandelbarer Trennungsgrund. Gleichzeitig erwarten fast 80 Prozent aller Herren, dass ihnen ihre Partnerin einen One-Night-Stand oder eine heimliche Affäre anstandslos verzeiht. Von »gleiches Recht für alle« also keine Spur. Was mathematisch unmöglich ist, scheint aber emotional machbar zu sein: Nur 27 Prozent würden ihren Mann wegen eines Seitensprungs verlassen.
Vielleicht sind deutsche Frauen einfach progressiver, aufgeklärter und gelassener? Vielleicht sind es andere Werte, die eine Beziehung für die lebenswert machen, als unbedingte sexuelle Treue? Vielleicht sind die deutschen Frauen aber auch nur nicht so brav, wie es ihre Männer glauben ...
Dieser Artikel hat 10 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Von wegen italienisches Temperament
Seite 2: Eifersüchtige Schweizer: Der Seitensprung als Staatsgeheimnis
Seite 3: No Sex, I’m british
Seite 4: Savoir vivre: Die hohe Kunst des stressfreien Fremdgehens
Seite 5: Gefährliche Abenteuer in 1001 Nacht
Seite 6: Russische Sitten: Die Geliebte als Statussymbol
Seite 7: Heiße Schwedinnen? Die gibt’s nur im Film!
Seite 8: Amerika, wie hast du dich verändert
Seite 9: Zwischen Kaiserschmarrn und Schlagersängern
Seite 10: Deutschlands neue Gelassenheit sorgt für mehr Lust