In Deutschland arbeiten ca. 400.000 Frauen offiziell als Prostituierte, wobei die vermutete Dunkelziffer doppelt so hoch liegt. Jährlich werden mit Prostitution alleine in Deutschland 14,5 Milliarden Euro umgesetzt. Die Damen verlangen für ihre Dienstleistungen zwischen 30 und 1.000 Euro, je nach Dauer, Zuhälteranteil und Praktiken. Und damit sind wir auch schon beim Kern des Themas: Sex als käufliche Dienstleistung. Diese reicht vom 10-Minuten-Blowjob – inklusive Aus- und Anziehen – bis hin zu mehrstündigen Sex-Marathons. Was treibt Männer in die Arme einer professionellen Sexpartnerin? Wo liegt der Reiz beim käuflichen Sex auf Knopfdruck, so ganz ohne Liebe und emotionale Bindung?
Unsterblich: Der Mythos »heilige Hure«
Die Mystifizierung von Prostitution vergleichen Kulturwissenschaftler gerne mit dem über 2700 Jahre alten Gilgamesh-Mythos. Die Hure opftert sich, reinigt den mächtigen Enkidu im sexuellen Akt von destruktiven Energien und gilt fortan als heilig. Diese Metapher wird nahezu unverändert auch heute inszeniert: zum Beispiel durch allgemeines Verständnis für den netten, bürgerlichen, aber unglücklichen Mann, der angeblich von seiner Ehefrau abgewiesen und daher in die Arme einer Prostituierten getrieben wird, um sich dort als ganzer Kerl fühlen zu dürfen. Die gesellschaftliche Anerkennung von Prostitution als Normalität, ja gar als Notwendigkeit in Deutschland wurde nicht zuletzt durch eine liberale, verharmlosende Berichterstattung in den Medien begünstigt. Raus aus der Schmuddelecke, rein ins Vorabendprogramm. Sex gegen Geld ist salonfähig, eine saubere Sache, eine normale Dienstleistung. Kritiker werden als spießig und Moralapostel diskreditiert.Hinter Latexstiefeln und Spitzendessous
Kaum eine Prostituierte spricht offen über die Begleitumstände ihres Berufes. Statt dessen geben die Damen in vermeintlich »investigativen Reportagen« die toughe Überlebenskünstlerin, die freiwillig ihren Körper verkauft, dies auch keineswegs als entwürdigend empfindet, sondern vielmehr Spaß daran hat. Alles easy, alles einvernehmlich, alles gelogen. Reine Promotion, um das Geschäft am Laufen zu halten.Denn viele Männer glauben diesen Unsinn. Weil es sich nun einmal bei den meisten Bordellbesuchern nicht um gefühlskalte Sexkonsumenten handelt, sondern um ganz normale Männer mit ganz normalen Bedürfnissen, dem einen oder anderen Fetisch und der Sehnsucht nach sexueller Anerkennung, mit einem leichten Hang zur Romantik. Viele Freier wollen einfach glauben, dass die Dame der Wahl den Job macht, weil sie Spaß daran hat. Der Gedanke hilft gegen Schuldgefühle und moralische Zweifel. Genau hier setzt das Kundenbindungsprogramm erfahrener Prostituierten an!
Von 600 befragten Freiern beschreiben fast alle ihre Stamm-Prostituierte als »klug, charmant, offen und selbstbewusst«, sprechen gar von »emotionalen Bindungen« und einer »echten, vertrauensvollen Beziehung«. Das beweist, wie gut die Show funktioniert. Denn selbstverständlich existiert diese emotionale Bindung nur im Kopf des Freiers. Eine Prostituierte, die ihren Job hauptberuflich länger als ein paar Wochen macht, geht ebensowenig eine emotionale Bindung zu ihren Freiern ein wie Käptn Iglo zu seinen Fischstäbchen.
Warum halten viele Männer dennoch an der Vorstellung von persönlicher Nähe beim käuflichen Sex fest? Vielleicht, weil sie einer idealisierten Vorstellung von Frauen folgen, die sie im realen Leben nicht finden. Die toughe Überfrau mit sensationellem Sex-Know-How und einer starken Schulter zum Anlehnen ist ein Wunschbild, nach dem sich fast jeder Mann ab und zu sehnt. Also wird projiziert. Heftig. Prostituierte bilden eine ideale Projektionsfläche, weil »Mann« keinen Alltag mit ihnen teilt, sondern nur kurze, diskrete Begegnungen gegen Cash. Eine kluge Prostituierte befeuert die Illusion von emotionaler Nähe mit scheinbar exklusiven Zuwendungen (»Du bist so ein toller Mann. Du schaffst es, dass ich komme, wenn du mich fickst, das passiert mir bei keinem anderen Kunden. In dich könnt' ich mich verlieben. Ich glaube, in einem anderen Leben wären wir ein Paar...«), die jedem Freier das Gefühl vermitteln, er sei der Größte. Kundenservice ist alles.
Über Psychotricks, Abhängigkeitsverhältnisse, Zwangsprostitution, Drogen und Misshandlungen hinter den Kulissen tauschen sich die Damen nur heimlich untereinander aus, nach außen hin wird eisern geschwiegen. Prostituierte sind nämlich nicht nur professionelle Sexpartnerinnen, sondern auch gute Schauspielerinnen.
Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Prostitution – Sex als Ware
Seite 2: Vorsicht Falle – Freier mit Beschützerinstinkt