#1 ANTWORT
Nein, sagt Ulrich Clement. Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ehelicher Unzufriedenheit und Untreue gebe es nicht. In seinem Buch »Wenn Liebe fremdgeht« schreibt er, Affären kämen in glücklichen und in unglücklichen Beziehungen vor. Nur 16 % der Männer und 33 % der Frauen begründen überhaupt ihre Untreue mit einer unglücklichen Partnerschaft. 28 % der Männer und 21 % der Frauen sehen in fehlender sexueller Befriedigung einen Hauptgrund für ihre Affäre. Der Zusammenhang zwischen einer unglücklichen Ehe und Untreue sei zwar durchaus vorhanden, so Ulrich Clement. Wer in einer unbefriedigenden Beziehung stecke, sei mitunter empfänglicher für erotische Alternativen. Dagegen spreche aber, das viele unglücklich Liierte absolut treu sind.
#2 ANTWORT
Nein, sagen auch die Psychologen Lisa Fischbach und Holger Lendt. Dem widerspreche zum Beispiel, schreiben sie in ihrem Buch »Treue ist auch keine Lösung«, dass in einer großen Studie zum Thema Fremdgehen nur etwa ein Viertel der Befragten Probleme in der Hauptbeziehung als Grund für ihre Affäre angaben. Die meisten bezeichneten demnach ihre Hauptbeziehung als intakt und befriedigend. Verliebtheit und sexuelle Attraktion spielten eine größere Rolle als Unzufriedenheit mit der Kernbeziehung. Untreue interpretiert das Autoren-Duo eher als Signal: Wir suchen woanders etwas, was uns in der eigentlichen Beziehung fehlt. Jede neue Außenbeziehung stelle die Kernpartnerschaft in Frage – und gerade darin, so sehen das Lisa Fischbach und Holger Lendt, liege bisweilen der Sinn einer Affäre. Sie ist nicht ein Symptom für eine schlechte Ehe. Sondern ein Zeichen dafür, dass in der Kernbeziehung ein Mangel vorherrscht, der endlich ans Tageslicht kommt – und so beseitigt werden kann.
#3 ANTWORT
Jein, meint dagegen Arnold Retzer. Dauerhafte Beziehungen hätten dauerhafte Probleme und Konflikte, schreibt der Paartherapeut in seinem Buch »Lob der Vernunftehe«. Wer sich dauerhaft für einen Partner entscheide, so die ernüchterne Konsequenz, handle sich dauerhafte Probleme ein. Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer Beziehung sei letzlich die Art, wie die Partner mit Konflikten - auch denen, die aus einer Unzufriedenheit entstehen - umgehen. Und nicht deren Existenz an sich. Auf Affären übertragen heißt das: Sie sind nicht unbedingt ein Symptom für eine schlechte Beziehung. Sondern das Resultat eines »schlechten« Umgangs mit partnerschaftlichen Liebesproblemen. Und damit sozusagen ein Meta-Symptom.
Autor: Dr. Arnold Retzer
Buch: Lob der Vernunftehe
#4 ANTWORT
Zu einem etwas deutlicheren »Ja«kommt die Psychologin Andrea Bräu. Ein Seitensprung spiegele häufig die Defizite der Kernbeziehung. Ihrer Erfahrung nach ist die Unzufriedenheit mit dem eigentlichen Partner der Hauptgrund dafür, dass einer ausschert und sich eine Affäre sucht. In ihrem Buch »Es war doch nur Sex!« begründet sie das damit, dass eine Beziehung als komplexes Gebilde aus der Form geraten kann, wenn seelisch oder körperlich über eine längere Zeit Defizite vorherrschen – und diese von dem Paar weder erkannt, noch gelöst werden. Dann kann eine Affäre durchaus ein Symptom dafür sein, dass das Defizit innerhalb der Partnerschaft nicht ausgeglichen und eine Lösung außerhalb der Beziehung gesucht wird. So ist ihrer Einschätzung nach etwa auch Sexualität Ausdruck oder Spiegel der Partnerschaft.
#5 ANTWORT
Die Schweizer Therapeutin Julia Onken geht sogar einige Schritte weiter: Sie sagt, wir alle liebäugelten in gewisser Weise mit den »Kirschen in Nachbars Garten«. In ihrem gleichnamigen Buch erörtert sie ihre These, Fremdgehen sei ein Versuch, im seelisch-psychischen Haushalt Defizite auszugleichen, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Anders ausgedrückt: Wir tun alles, um uns in unserer eigenen Haut möglichst wohl zu fühlen. Ein Seitensprung, so resümiert die Autorin, die ihre Ansichten durch eine großangelegte Umfrage belegt, sei oft der Versuch einer Selbstregulation, die meist mehr mit der Person, die fremdgeht, zu tun hat, als mit dem Partner. Nur die Seitenspringer selbst seien überhaupt in der Lage, die eigenen Motive fürs Fremdgehen zu erforschen. Und diese Motive können durchaus auch in einem ganz persönlichen, nach außen nicht wahrnehmbaren Bereich liegen. Und haben demzufolge auch weniger mit der Partnerschaft an sich zu tun, sei sie nun schlecht oder nicht.
#6 ANTWORT
Im Allgemeinen sei eine Affäre Ausdruck dafür, dass längst eine Entfremdung in der Ehe eingetreten ist und schon längere Zeit besteht. Zu dieser Erkenntnis kommt Wolfgang Krüger in seinem Buch »Das Geheimnis der Treue«. Die meisten Seitensprünge kämen dann zustande, wenn sich die Ehe in einer massiven Krise befindet, der Akt des Fremdgehens an sich sei dabei als so etwas wie ein Befreiungsschlag zu verstehen. Ist die Kernbeziehung gut, dann ist dieser Befreiungsschlag nicht nötig – er ist laut Wolfgang Krüger also durchaus als Symptom für eine »schlechte« Beziehung zu werten.
#7 ANTWORT
Auch der Tübinger Paartherapeut Hans Jellouschek sieht Untreue als kritisches Lebensereignis, die Außenbeziehung mitunter als Versuch eines Ausgleichs eines partnerschaftlichen Ungleichgewichts. In seinem Buch »Warum hast du mir das angetan?« beschreibt er, wie die »Paar-Utopie« durch eine Außenbeziehung verraten wird, aber auch eine Chance für die jeweils Betrogenen sein kann.
DAS SAGT DIE STATISTIK
Die Göttinger Theratalk-Studie spricht diesbezüglich eine ziemlich deutliche Sprache: 76 % der Männer und 84 % der Frauen gaben an, dass sexuelle Defizite in der eigenen Partnerschaft bei ihrem Seitensprung die Hauptrolle spielten. Sexuelle Unzufriedenheit war damit der häufigste Grund für den Seitensprung. Allerdings sollte man dabei bedenken, dass die Studienteilnehmer nach ihrer Affäre befragt wurden, also zu einem Zeitpunkt, an dem das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Psychologen kalkulieren hier bei der Beurteilung mit ein, dass manch einer im Nachhinein seine Untreue rechtfertigen möchte und sich auf die sichere Seite bringt, indem er oder sie einen »Grund« für den Seitensprung angibt, nach dem Motto »Ich musste ja untreu werden!«
Geht es beim Seitensprung wirklich nur um Sex? Können sich beim Seitensprung tatsächlich tiefere Gefühle dem oberflächlichen Liebesspiel unterordnen? Expertenantworten: 6 | Thema: Untreue
Sind unglücklich verheiratete Partner eher untreu? Sind unglücklich liierte Paare, wo Langeweile am Tisch und im Bett herrscht, in Sachen Treue eher gefährdet sind? Expertenantworten: 6 | Thema: Untreue
Unter welchen Umständen sollte ich meinen Seitensprung für mich behalten? Wann ist es ratsam reinen Tisch zu machen und dem Partner von der Affäre beichten und unter welchen Umständen ist es klüger, den Seitensprung mit sich selbst auszumachen? Expertenantworten: 6 | Thema: Ich habe eine Affäre