#1 ANTWORT
Es gibt in Partnerschaften durchaus gewichtige Gründe für eine kurzzeitige Untreue, davon ist Wolfgang Krüger überzeugt. Vor allem in einer unglücklichen Ehe, schreibt der Psychotherapeut in Das Geheimnis der Treue habe er Verständnis dafür, dass sich einer der Partner woanders sucht, was er in seiner Beziehung nicht findet. Die meisten Seitensprünge ereigneten sich so dann auch, wenn sich die Ehe in einer massiven Krise befindet. Krüger meint: Wer dagegen die innere Verbindung zu seinem Partner spürt, ist fast immun gegen jede Versuchung. Also, folgert Krüger, sei jede Untreue ein Drama und kein Alltagsereignis, das jedem jederzeit zustoßen kann. Sie sei vielmehr ein Ausdruck dafür, dass in der Kernbeziehung lange schon eine Entfremdung eingetreten ist und dass die Liebe lange schon nur noch so herumdümpelt.
#2 ANTWORT
Ulrich Clement stellt diese Frage ganz explizit in einem Kapitel seines Buches Wenn Liebe fremdgeht. Der Zusammenhang zwischen ehelicher Unzufriedenheit und Untreue, schreibt der prominente Sexualtherapeut, sei nicht ganz eindeutig. Demzufolge wäre es auch nicht zwingend belegt, ob Fremdgehen mit Eheproblemen in einem kausalen Zusammenhang stehe. Affären kämen in glücklichen und unglücklichen Beziehungen vor. Dabei gebe es allerdings interessante Geschlechterunterschiede: In einer amerikanischen Untersuchung hätten nur 30 Prozent der Männer angegeben, sie hätten vor der Affäre Eheprobleme gehabt, im Gegensatz zu 60 Prozent der untreuen Frauen. Und erstaunlich sei auch, dass 56 Prozent der Männer und 34 Prozent der Frauen ihre Ehe als glücklich einschätzten. Was hier Ursache und was Wirkung ist, lässt sich schwer auseinanderklamüsern. Fakt ist laut Ulrich Clement: Partnerschaftliche Probleme, also Beziehungsunglück, ist für deutsche Befragte nicht der primäre Grund für Untreue. Allerdings sieht Clement doch einen ziemlich offensichtlichen Zusammenhang: Partner aus unzufriedenen Ehen schauen sich nach Alternativen um. Und ebenso plausibel sei die umgekehrte Erklärung: Untreue führe zu Eheproblemen. Bleibt als Fazit: Auch glücklich Verheiratete gehen fremd. Und – nicht zu vergessen – viele unglücklich Verheiratete sind verdammt treu.
#3 ANTWORT
Man kann jemanden aufrichtig lieben. Und ihn dennoch betrügen. Das meint Franz-Josef Wetz. Seiner Meinung nach ist es also durchaus möglich, dass man in einer glücklichen, harmonischen Beziehung lebt und trotzdem untreu wird. In Lob der Untreue erläutert er, warum das so ist: Keine Beziehung erfüllt uns zu 100 Prozent, kein Partner kann alle erotischen Sehnsüchte auf Dauer befriedigen. Jeder von uns trägt eine Sehnsucht nach versäumter Liebesfülle in sich, der eine umarmt seine Frau und denkt dabei an neue Liebeleien, die andere stellt sich beim Sex vor, sie läge unter Brad Pitt. Und schon betrügen wir unseren Partner, auf ebenso unmerkliche wie elegante Art – aber eine Form der Untreue ist das rein theoretisch schon. Untreue in Gestalt von heimlichen Seitensprüngen und Affären könnten ein hemmungsloses Ausleben spezieller sexueller Fantasien oder die Abfuhr angehäufter Energien, die in der Ehe nicht mehr abgeladen werden können, ermöglichen. Untreue, das können wir daraus folgern, muss nicht zwangsläufig eine Folge von empfundenem Beziehungsunglück sein. Sondern kann vielmehr auch vitaler Ausdruck erotischer Lebenssehnsüchte sein.
#4 ANTWORT
Ja, sagt, Andrea Bräu dagegen, ihrer Meinung nach sei Unzufriedenheit in einer bestehenden Kernbeziehung der häufigste Grund für einen Seitensprung. In Es war doch nur Sex schreibt die Paartherapeutin: Herrscht über längere Zeit ein Defizit in der Beziehung, dann versuchen Menschen, diese Defizite woanders auszugleichen. Natürlich hätten unterschiedliche Menschen unterschiedliche Gründe fürs Fremdgehen. Und manchmal sei auch ein Seitensprung der scheinbar einfachste Weg, eine nicht zufriedenstellende Situation zu kompensieren. Dabei könnte es sich durchaus um eheliches Unglück, also eine sexuelle oder auch allgemeine Unzufriedenheit handeln. Muss aber nicht, nicht jeder, der seine Beziehung gerade so naja findet, geht fremd. Und nicht jeder, der mit dem eigentlichen Partner total happy ist, bleibt treu.
#5 ANTWORT
Wenn Paare lange miteinander zusammen seien, dann kann ein eheliches Gleichgewicht der Langeweile oder sogar des Schreckens entstehen meint Hans Jellouschek in Warum hast du mir das angetan? Vieles an der ursprünglichen Lebendigkeit beider Partner kann darin aufgerieben worden sein – eine Affäre kann dieses ungute Gleichgewicht auseinanderbrechen und zum Aufbruch antreiben. Das aus diesem unguten Gleichgewicht resultierende Unglück kann schon für Untreue empfänglich machen. Eine Außenbeziehung, meint Jellouschek, könne durchaus der Versuch eines Partners sein, der erstarrten Beziehung zu entkommen. Anders ausgedrückt: Wer in seiner Ehe nicht weiterkommt, kann theoretisch eher untreu werden, als jemand, bei dem beziehungstechnisch alles in Butter ist.
#6 ANTWORT
Den typischen Fremdgeher oder die typische Fremdgeherin, die gibt es nicht. Ja, Menschen gehen am ehesten fremd, wenn sie unglücklich sind. Finden Karin Müller und Henri Guttmann. In Hallo, ich liebe ihren Mann schreiben sie, das täten Menschen aber auch, wenn sie viele Gelegenheiten und ausreichend Zeit für Schäferstündchen haben. Unglück in der Partnerschaft muss also nicht eine Voraussetzung fürs Betrügen, kann es aber sehr wohl sein. Ein unglückliches Paar beispielsweise, das eher wenig Gelegenheiten hat, um sich mit einem anderen Partner zu treffen, bleibt sich trotzdem eher treu als ein erfolgreiches Paar, bei dem der eine Partner oft geschäftlich unterwegs ist. Ganz nach dem Motto: Gelegenheit macht Diebe. Aber auch glückliche Paare, die viele Gelegenheiten haben sich mit anderen Partnern einzulassen, gehen fremd. Womit mal wieder nichts bewiesen wäre.
DAS SAGT DIE STATISTIK
Für die meisten Betrogenen kommt die Untreue des Partners wie aus heiterem Himmel. Das gibt zumindest die Mehrheit in Umfragen an. Ganz gleich, wie die Beziehung zuvor empfunden wurde, mit einem Seitensprung des Partners kann man zwar rechnen, darauf gefasst sind aber wohl die Wenigsten. Was in unserem Fall heißt: Eine unglückliche Beziehung muss nicht bedeuten, dass Untreue wie ein Damoklesschwert über allem schwebt. Es heißt aber auch noch lange nicht, dass jeder, dessen Partnerschaft augenscheinlich als glücklich einzustufen ist, vor Untreue sicher ist. Punkt.
Ist eine lebenslange Partnerschaft heutzutage eigentlich noch möglich?
Ist es heute eigentlich noch möglich, ein ganzes Leben lang mit einer Person eine halbwegs zufriedenstellende Beziehung zu führen?
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Kann Untreue auch eine Chance für Liebe sein?
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