Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Ehe eine ziemlich praktische und handfeste Angelegenheit. Eltern verkuppelten ihre Kinder, Paare fanden zusammen, weil es augenscheinlich passte. Wie sich der oder die von wem auch immer Auserwählte als Liebhaber/in machte, spielte da eine eher untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stand der Versorgungsaspekt, die Liebe war Nebensache: Kam sie hinzu – schön. Blieb sie aus – nicht so schlimm.
Wer wie auch immer aus dem heiligen Hafen der Ehe auscheckte, musste unter Umständen nicht nur mit gesellschaftlicher Schelte rechnen, sondern auch mit materiellen Einbußen. Lebenslängliche Unterhaltszahlungen, Sorgerechtskämpfe und Rosenkriege – wer Mitte des letzten Jahrhunderts aus dem legalen Liebeskäfig ausbrach, konnte schuldig geschieden werden und verlor damit allerhand. Kein Wunder, dass Affären damals vielleicht nicht unbedingt seltener, aber doch verschwiegener vonstatten gingen. Schließlich stand viel auf dem Spiel.
Mit der Zeit änderten sich die Vorzeichen – und mit ihnen unsere Ansprüche. Liebe war plötzlich nicht nur schicker Nebeneffekt, sondern Grundvoraussetzung für eine Partnerschaft. Die Emanzipation trug ihren Teil dazu bei, dass ein Seitensprung nicht mehr tabuisiert wird. Jeder sollte nach seiner Fasson lieben können, in der Ehe, außerhalb oder daneben. Der materielle Aspekt einer Partnerschaft galt als verpönt, ihr Recht auf Liebesglück und sexuelle Befriedigung dagegen forderten viele Menschen ein. Fragt man heutzutage Erwachsene nach ihrem Liebesideal, steht häufig die feste Beziehung an erster Stelle. Aber nicht irgendeine, bitteschön. Sondern die bestmögliche soll es sein. Aber gibt es die überhaupt?
Jede längere Partnerschaft verliert ihren Zauber, das ist der Liebeslauf der Dinge. Die Spannung vom Anfang lässt sich nicht mühelos in den Beziehungsalltag hinüberretten. Prickelnde Erotik wird irgendwann fad, der Gewöhnungseffekt setzt ein. Und da – wie schon erwähnt – unsere Ansprüche gestiegen sind, beginnt hier unter Umständen das große Hadern.
Es mag ja Paare geben, denen es gelingt, auch im Alltag mit all seinen kleinen und großen, bisweilen unendlich gierigen Energiefresserchen die Erotik lebendig zu halten. Die meisten von uns müssen hier jedoch in irgendeiner Form passen. Diejenigen suchen des öfteren schärfere Reize woanders.
Dieser Artikel hat 4 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Gestern und heute: Der Seitensprung im Wandel der Zeit
Seite 2: Von Pflichtehe über Liebesheirat bis zur offenen Beziehung – und zurück
Seite 3: Historische Seitensprünge: Was uns Römer und Griechen voraus hatten
Seite 4: Warum wir heute Sex außerhalb der Beziehung brauchen