Dank eines aufgeklärten, emanzipierten Klimas werden wir auch nicht zwangsverheiratet, sondern dürfen uns im Laufe unseres Lebens immer wieder neu entscheiden, ob und mit wem wir dieses teilen möchten.
Das Beziehungsmodell der »seriellen Monogamie« wird derzeit als zukunftsfähige Partnerschaftsform heiß diskutiert – und erbittert von Befürwortern der lebenslangen Ehe kritisiert. Dass die serielle Monogamie polarisiert, ist klar. Vereint sie doch die beiden größten Bedürfnisse eines modernen Menschen: Erfüllung der Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Partnerschaft bei gleichzeitiger Selbstverwirklichung.
Was serielle Monogamie ist – und was nicht
Fangen wir damit an, was sie nicht ist: Promiskuität. Serielle Monogamie bedeutet keineswegs, in einem freizügigen Lebensstil ständig die Sexualpartner zu wechseln und sich auf keinerlei echte Beziehung einzulassen. Das ist Polygamie.Wer serielle Monogamie lebt, der geht mit dem geliebten Partner eine verbindliche, monogame Liebesbeziehung ein. Heiratet vielleicht sogar, bekommt Kinder, führt eine Lebensgemeinschaft mit diesem Menschen. Jedoch ohne dabei das tonnenschwere Dogma »bis dass der Tod euch scheidet« im Gepäck mitzutragen und die gesamte Lebensplanung vom Bestand dieser Beziehung abhängig zu machen.
Wenn die Liebe schwindet und sich kein gemeinsamer Nenner mehr finden lässt, wird die Partnerschaft nicht zwanghaft aufrechterhalten, sondern beendet. Im Grunde lebt also jeder seriell monogam, der mehr als eine ernsthafte Beziehung in seinem Leben hatte. So brandneu ist das Konzept nicht. Nur hat es im 21. Jahrhundert einen griffigen Namen bekommen. Und der scheint ein Stein des Anstoßes für konservative Soziologen zu sein.
Das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie veröffentlichte 2009 hierzu einige Fakten. Dass die aktuelle Scheidungsrate sich dauerhaft bei gut 40 Prozent eingependelt hat, ist keine wirkliche Überraschung. Auch wissen wir, dass immer weniger geheiratet wird. Zwischen den 70er Jahren und heute hat sich die Zahl der Menschen, die zeitlebens unverheiratet bleiben, mehr als verdreifacht. Außerdem stellte der Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt in seiner Studie über »Spätmoderne Beziehungswelten« fest: Menschen mit Jahrgang 1942 haben bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag durchschnittlich 1,9 Beziehungen erlebt, während die 1972 Geborenen fast doppelt so viele erleben, nämlich 3,7.
Die Überraschung: Trotz dieser Entwicklung bleibt die »Paar-Lebenszeit«, also die Zeit, die ein Mensch innerhalb einer Beziehung lebt, konstant! Grundsätzlich sind wir also keineswegs beziehungsmüde, sondern bindungswillig. Nur eben nicht unbedingt ein Leben lang mit ein und demselben Partner.
Wie konnte das passieren?
Die Soziologin Rosemarie Nave-Herz vermutet: »Die Ehe wird bei uns derart überfrachtet mit Erwartungen, mit immateriellen Leistungsansprüchen, dass das Ganze leicht in Überforderung umkippt.« Da ist etwas dran. Denn Leistungsansprüche und Liebe vertragen sich nicht.Wird aus dem anfänglichen Füreinander-sorgen-wollen stillschweigend ein »nun mach mich gefälligst glücklich«-Anspruch, hat das mit Liebe nicht mehr viel zu tun. Übrigens entgegen des Klischees kein weibliches Problem! In einschlägigen Beziehungsforen lässt sich auf vielen Seiten nachlesen, dass auch Frauen unter dem emotionalen Anspruchsdenken ihrer Partner leiden.
Was zwangsläufig schiefgehen muss, denn schließlich ist eine Ehe keine Glücklichmach-Zaubermaschine, sondern eine Partnerschaft zweier erwachsener Menschen. Diese bleiben für ihr individuelles Glück auch dann verantwortlich, nachdem sie sich das Jawort gegeben haben.
Wird diese Verantwortung an den Partner delegiert, entsteht Leistungsdruck. Der setzt eine Spirale in Gang, die im ungünstigsten Fall eine Ehe ruinieren kann. Erwartungsdruck, trotziger Gegendruck, Distanz, eingeschränkte Kommunikation, Misstrauen, Unzufriedenheit. Gleichzeitig schwindet die Lust, sich konstruktiv mit dem Beziehungsklima auseinanderzusetzen. Bis zur ersten Affaire ist es unter Umständen dann nicht mehr weit.
Doch selbst in Beziehungen, die nicht durch Erwartungs- und Leistungsdruck belastet werden, kann eines Tages die Liebe verschwinden. Sei es durch persönliche Entwicklung in unterschiedliche Richtungen oder das Auftauchen eines neuen Partners.
Genau an diesem Punkt bekommt das Modell einer lebenslanger Beziehung Risse. Liebe lässt sich nun mal nicht erzwingen, einfordern oder künstlich erzeugen. Man fühlte sie, wenn sie da ist. Im Idealfall ein Leben lang. Oder eben nicht. Wenn sich nun in einer Beziehung diese Liebe nicht mehr spüren und leben lässt, und auch Wiederbelebungsversuche fehlschlagen, warum dann weiterhin zusammenbleiben? Aus Pflichtgefühl? Gewohnheit? Wegen einer staatlich beglaubigten Urkunde? Aus finanziellen Gründen? Der Kinder oder Schwiegereltern wegen? Oder ganz direkt gefragt: Ist Glücklichsein wollen egoistisch?
Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Serielle Monogamie: Hat die lebenslange Ehe ausgedient?
Seite 2: Partnerschaft: Ist Glücklichsein wollen egoistisch?