Aus und vorbei – oder doch nicht?! Warum unglückliche Paare an einer kaputten Ehe festhalten
Kein Sex mehr, nur noch Streit und nie Spaß zusammen – ja, warum trennen Sie sich denn nicht endlich?! Manche Beziehungen werden zu einem Schrecken ohne Ende, einige Ehen sind unglücklich bis in die Unendlichkeit. Warum halten Menschen an dysfunktionalen Partnerschaften fest und woran erkennt man kaputte Ehen überhaupt?
Info kompakt
- Eine kaputte Beziehung ist kein Trennungsgrund: Dauerhaftes Unglück und Resignation finden sich häufig in Beziehungen, die verblüffend haltbar sind.
- Normal: Trennungsgedanken hat jeder mal in einer Langzeitbeziehung – befasst man sich ständig damit, ist das ein schlechtes Zeichen.
- Keine genauen Zahlen: Experten schätzen jedoch, dass eine Vielzahl von Langzeitehen nicht aus Liebe, sondern wegen der Kinder oder aus Angst vor Statusverlust fortgeführt wird.
- Montags ist oft Schluss: innerhalb der Woche sind Montage die häufigsten Trennungstage. Samstags trennen sich die wenigsten Paare.
- Wiederholtes Fremdgehen ist laut ElitePartner der häufigste Trennungsgrund bei deutschen Paaren: 72 Prozent würden Schluss machen, wenn der Partner mehrmals untreu wird.
- Wer eine Langzeitpartnerschaft anstrebt, sollte sich bewusst einen unsicheren oder ambivalenten Partner suchen, rät Wissenschaftsjournalist Werner Bartens. Denn die haben so große Angst vor der Entscheidung, den anderen zu verlassen, dass sie sich nicht trauen zu gehen.
- Ängstliche, zögernde Frauen trennen sich nur ungern, wenn sie einmal fest liiert sind.
- Männer, die Konflikten ausweichen und Entscheidungen meiden, sind eignen sich gut für stabile Beziehungen.
62% der Frauen und Männer sind bereits aufgrund einer Beziehungskrise fremdgegangen 1
1 Umfrage unter 1.268 Besuchern der Seitensprung-Fibel. Erhebungszeitraum KW02, 2015
Warum unglückliche Beziehungen manchmal stabiler sind als glückliche
Um zusammenzukommen, braucht es zwei Menschen – für eine Trennung nur einen. Meist gehen Ehepaare nicht in beiderseitigem Einverständnis auseinander, sondern einer verlässt den anderen. Untreue spielt da eine Rolle – die manchmal überbewertet wird. Denn nicht immer scheitern Beziehungen daran, dass einer fremdgeht. Untreue wird als Trennungsgrund manchmal überschätzt, etliche Paare bleiben nämlich zusammen, auch wenn einer fremdgeht. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, wenn man aber genauer hinsieht, scheint es doch so zu sein, dass viele Paare sich in einer ungelösten Beziehungssituation arrangieren, ihren Frieden schließen mit Sexlosigkeit, und Frust oder Disharmonie erdulden. Und das alles, um sich nicht zu trennen, um dieser emotionalen Schlammschlacht aus dem Weg zu gehen?
Liebe ist das dann eher selten. Meist steckt mehr dahinter, wenn Paare trotz schwerwiegender Beziehungsprobleme zusammenbleiben, sagen Psychologen. Auch Unglück allein genügt oft nicht, um Schluss zu machen. Im Gegenteil: Besonders unglückliche Beziehungen seien sehr stabil, schreibt Werner Bartens in Was Paare zusammenhält. Dauerhaftes Unglück und Resignation fänden sich häufig in verblüffend haltbaren Beziehungen. So bitter das auch klingt: Unzufriedenheit verbindet, Hass kann enger zusammenschweißen als Liebe. Nicht selten sind Langzeitpaare wie ineinander verbissen, ihre Aggressionen haben sich verfestigt, die Wut aufeinander, negative Gefühle und ständiger Frust funktionieren wie ein effektiver Kleber – die Partner sind im Unguten aneinander gebunden, und kommen einfach nicht los.
Trennungsgedanken – Dann mach ich halt Schluss
Wer in einer längeren Beziehung noch nie daran gedacht hat, die Flinte ins Korn zu schmeißen, ist beneidenswert. Oder belügt sich selbst. Denn die meisten von uns stellen sich irgendwann mal vor, was wäre, wenn sie ihr Beziehungskorsett sprengen und noch mal ganz neu mit anderem Partner und anderen Voraussetzungen durchstarten. In uns steckt die Hoffnung, mit einer anderen Person werde alles anders und vor allem besser. Wir vergessen gerne mal, dass wir in einer Zweierbeziehung immer mit 50 Prozent an allem – im Guten wie im Schlechten – beteiligt sind, und waschen unsere Hände in Unschuld, wenn es um Konflikte geht. »Weil Du so bist« ist Totschlagargument für konstruktive Verhandlungen bei Liebesproblemen. Dennoch greifen wir ebenso dazu wie zu negativem Gedankengut im Stil von »Dann geh ich halt«.
Trennungsgedanken hat jeder doch mal. Sie wirken bisweilen wie Blitzableiter, können Liebesfrust abfangen und als Ausbruchsfantasien entlasten. Allerdings wird es kritisch, wenn sie beherrschend werden. Dann können sie Drohcharakter annehmen und eine Auseinandersetzung mit lösbaren Problemen verhindern. Außerdem können Trennungsgedanken wie eine selbsterfüllende Vorhersage wirken: Wer ständig an das Liebesaus denkt, ist irgendwann überzeugt davon.
Wann es ernst wird: 4 Anzeichen dafür, dass Ihre Ehe kaputt ist
Aber wie können Sie erkennen, dass Ihre Partnerschaft wirklich vor dem Aus steht, dass Ihre Ehe tatsächlich kaputt ist? Ein natürliches Verfallsdatum haben Beziehungen nicht, davon ist der amerikanische Paartherapeut John Gottman überzeugt. Warum manche Paare trotz aller Rettungsversuche auseinander gehen, ist schwierig zu erklären. Manchmal sei die Antwort einfach, schreibt Gottman in Die Vermessung der Liebe: Mindestens einer will die Beziehung nicht mehr. Das ist natürlich eine klare Sache. Aber es gibt weniger deutliche Hinweise darauf, dass Ihre Ehe an der Abschussrampe steht:
1. Kein Sex mehr
Sie haben seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr mit Ihrem Partner geschlafen, das Thema Sex ist tabu. Erotik ist zwar nicht alles, aber eine ganze Menge. Fehlt körperliche Nähe völlig, ist eventuell schon eine emotionale Entfremdung eingetreten. Sexfrust ist Statistiken zufolge auch einer der wichtigsten Trennungsgründe. Und damit deutliches Signal.
2. Negative Vergleiche
Andere Männer sind netter, andere Frauen schöner und überhaupt schneidet Ihre Beziehung im Vergleich zu anderen denkbar schlecht ab? Diese negativen Vergleiche beeinträchtigen laut Gottman Ihre Sicht auf den anderen, Sie geraten in eine negative Abwärtsspirale und werten Ihre Partnerschaft kontinuierlich ab. Wer so denkt, denkt sich seine Beziehung schlecht und wertschätzt sie nicht mehr.
3. Nicht mal mehr Streiten geht
Sie vermeiden jegliche Auseinandersetzung? Wenn Ihr Groll dadurch nicht besänftigt wird, und Sie ihn auslagern, indem Sie etwa mit der besten Freundin über ihren Mann ablästern, verheißt das wenig Gutes. Denn dann ist Ihnen Ihr Partner nicht mal mehr einen Zoff wert, meint Fachmann Gottman. Anhand des Streitverhaltens gelang es ihm, Prognosen für die Zukunft eines Paares zu erstellen. Resultat: Kein oder destruktiver Streit sind ziemlich schlecht.
4. Wiederholte Untreue
Sie holen sich woanders, was Sie in Ihrer Beziehung vermissen? Als einmalige Angelegenheit kann ein Seitensprung Alarmsignal und Rettungsanker für eine kaputte Ehe sein. Wer aber gehäuft fremdgeht, der befindet sich in der Ablösephase vom Partner, meinen Paartherapeuten. Wolfgang Krüger beispielsweise schreibt in Das Geheimnis der Treue, ein Seitensprung könne der Versuch sein, aus einer unglücklichen Ehe auszubrechen. Mit 60 Prozent sei die Untreue aus einer Störung der Partnerschaft heraus am häufigsten. Kommen dann noch Racheseitensprünge hinzu, dann reicht's vielleicht.
Lieber leiden – 4 Gründe, warum unglückliche Paare sich nicht trennen
Stirbt die Liebe, weil es Konflikte gibt oder gibt es Konflikte, weil die Liebe stirbt? Michael Mary meint, oft sei Letzteres der Fall. Viele Paare könnten erst Jahre nach vollzogener Trennung erkennen, dass ihre Ehe lange schon kaputt war, schreibt er in Mythos Liebe. Wie auch immer die Trennung geschieht – aus heiterem Himmel komme sie nie. Sie sei ein langwieriger Prozess, den viele endlos in die Länge ziehen. Warum eigentlich?
Trennungshindernis 1: Es kann doch nicht vorbei sein!: Die Hoffnung stirbt zuletzt – gerade in der Liebe trifft das zu. Unglückliche Paare, die einst in großer Liebe zusammenfanden, halten sich häufig daran fest und wagen nicht, sich einzugestehen, dass es tatsächlich aus ist.
Trennungshindernis 2: Die Kinder, das Haus, unser Leben – das geb ich nicht auf! Manche Partner haben im Laufe der Zeit eine wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeit voneinander entwickelt, die sie für unauflösbar halten. Verlustgefühle und Existenzängste können wirkungsvolle Trennungshindernisse sein. Kinder erhöhen laut Roland Kopp-Wichmann die Bindung, selbst wenn Liebe gar nicht mehr vorhanden ist.
Trennungshindernis 3: Dich lass ich nicht gehen! Angst vor den Scheidungsquerelen, Trotz, Wut, Scham – manchmal klammert sich aus diesen Gründen einer der Partner an die Ehe, obwohl diese offensichtlich kaputt ist. Dann ist man noch nicht wirklich miteinander fertig, verheddert sich in einem aussichtslosen Kampf – aber bleibt zusammen.
Trennungshindernis 4: Ich find ja eh keine/n andere/n! Besser unglücklich zu zweit als unglücklich alleine – viele zementieren einen unbefriedigenden Beziehungszustand aus Angst vor dem Alleinsein. Und womöglich aus Mangel an Alternativen: Sie richten sich im Eheunglück ein, da weiß man schließlich, was man hat. Wer weiß, ob überhaupt was (Besseres) nachkommt.
Kämpfen oder aufgeben?! Wie Sie erkennen, dass sich der Einsatz für Ihre Beziehung lohnt
»Hat unsere Beziehung überhaupt noch eine Chance?« Das fragen sich viele Paare, die in einer Krise feststecken. Die Antwort hängt davon ab, was bisher geschah und wo Sie als Paar stehen. Man könne nie sagen, ob eine Beziehung unrettbar sei, erklärt Paartherapeut Krüger im Interview mit der Seitensprung-Fibel. Aber es gebe 5 Indikatoren, die anzeigen, ob überhaupt noch eine Basis vorhanden sei, schreibt Krüger in Das Geheimnis der Treue:
- Sie und Ihr Partner sind noch bereit, dem anderen wirklich zuzuhören
- Sie erinnern sich noch an gemeinsame schönen Momente
- Sie sind noch bereit, in die Beziehung zu investieren, schenken sich gegenseitig Aufmerksamkeit, geben sich Mühe und wollen sich für den anderen noch anstrengen
- Sie lachen noch gemeinsam
- Körperliche Anziehung ist noch vorhanden
Fazit: Beziehungen können längst am Ende sein, auch wenn noch lange nicht Schluss ist
Laut Arnold Retzer, Autor von Lob der Vernunftehe ziehen sich Trennungen mitunter ewig hin. Gefühle können da ebenso im Spiel sein, wie durch Erziehung erworbene Überzeugungen wie etwa, dass man auch in einer kapputen Ehe durchhalten muss. Wann es Zeit ist zu gehen, lässt sich schwer pauschal sagen. Aber es gibt bestimmte Zeichen, die eine Trennung dringlicher bzw. wahrscheinlicher machen. Retzer formuliert in seinem Buch Fragen, die Sie sich stellen können, um zu erforschen, ob Sie die Beziehung fortführen wollen:
- Wie ernst sind Ihre Trennungsabsichten?
- Wie hoch ist der Einsatz, den Sie für Ihre Beziehung noch bringen wollen?
- Wie loyal sind Sie und Ihr Partner?
- Gibt es Alleingänge Ihres Partners in wichtigen Fragen?
- Gibt es gravierende Unterschiede in der Lebensplanung?
- Was bedeuten Ihnen Nähe und Berührungen?
Die Antworten, die Sie auf diese Fragen finden, können Indikatoren für oder gegen eine Entscheidung zur Trennung sein. Das ist Retzer zufolge immer ein Prozess, denn eine Beziehung zu beenden, bevor der Partner es tut, sei ein verantwortungsvoller Akt, der Fakten schaffe und Konsequenzen habe. In Würde die Partnerschaft zu beenden, heiße, sich selbst ernst zu nehmen. Aber auch die Entscheidung, sich nicht zu trennen, hat ihre Berechtigung und Folgen. Womöglich gibt sie Ihnen Anlass dazu, Ihre Beziehung auf den Prüfstand zu stellen und mit Ihrem Partner an einer Verbesserung des Zusammenlebens zu arbeiten.