Der Anfang allen Beziehungsübels: Warum negative Vergleiche für Ihre Partnerschaft schlecht sind
Sie sind in einer festen Beziehung und denken, Sie hätten eigentlich Besseres verdient? Glauben Sie, andere hätten mehr Glück bei der Partnerwahl gehabt oder das große Liebeslos getroffen? Wer ständig die eigene Beziehung mit anderen vergleicht und meint, schlechter abzuschneiden, tut sich selbst nichts Gutes – und schadet auch der Partnerschaft.
Jeden befallen von Zeit zu Zeit Zweifel, ob der aktuelle Liebespartner der Richtige ist. Dauerstreit, Sexflaute oder Alltagsprobleme können einen dazu bringen, dass man einen nüchternen Blick auf die eigene Partnerschaft wirft und sich unzufrieden damit fühlt.
Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kam zwar 2012 zu dem Ergebnis, dass 83 Prozent aller fest Liierten ihre gegenwärtige Beziehung als glücklich oder sehr glücklich empfinden, nur neun Prozent dagegen eindeutig unzufrieden damit sind. Allerdings brachte die Umfrage ebenso ans Licht, dass auch diejenigen, die ihre Partnerschaft eigentlich als glücklich bezeichnen, skeptisch sind, ob sie den oder die Richtige/n überhaupt schon gefunden haben: Immerhin jeder Vierte fragt sich, ob es nicht doch etwas Besseres gibt.
Drum prüfe … vielleicht findet sich ja doch noch was Besseres
Wer die Wahl hat, hat die Qual – das scheint in Bezug auf Partnerschaft tatsächlich zuzutreffen. Heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten, neue Menschen zu treffen und damit potenzielle Sex- und Liebespartner kennenzulernen, dass man doch niemals sicher sein kann, ob man tatsächlich schon the-one-and-only gefunden hat. Davon ist auch ein Drittel der gesamten Bevölkerung laut Allensbach-Umfrage überzeugt. 66 Prozent sind zudem der Meinung, dass es den Partner fürs Leben gibt.
Aber wer ist das? Woher weiß man, dass der derzeitige Angetraute die ultimative große Liebe ist? Irgendwo gibt es vielleicht doch einen noch idealeren Partner, das perfekte Deckelchen fürs eigene Töpfchen, mit dem der Alltag noch reibungsloser, das Zusammenleben noch harmonischer und der Sex noch gigantischer ist. Kann ja sein, sicherlich gibt es Menschen, die besser zusammenpassen als andere. Manch einer richtet sich ja auch nur in einer Langzeitbeziehung ein, weil er oder sie eben einfach nicht allein sein will, und nimmt dafür auch eine mittelprächtige Beziehung in Kauf. Da bleibt dann doch insgeheim die Sehnsucht nach der Erfüllung bestehen.
Wer verliebt ist, sieht sich den Partner schön
Es ist doch so: Wenn wir verliebt sind, haben wir nicht alle Tassen im Schrank. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir im Stadium der ersten Liebesgefühle, also lange bevor eine Bindung überhaupt in Aussicht steht, nicht mehr objektiv entscheidungsfähig sind. Liebe macht ein bisschen dumm, schreibt Kayt Sukel in Schmutzige Gedanken – die sexuelle Anziehung zwischen zwei Menschen führe zu einer Überschwemmung mit Androgenen und Östrogenen, die wesentliche Denkbereiche im Gehirn zunächst einmal lahmlegen.
Leidenschaftliche Gefühle vernebeln uns die klare Sicht, wir nehmen das Objekt unserer akuten Begierde weniger als das wahr, was es ist, sondern vielmehr als das, was es unserer Ansicht nach sein soll. Wenn allerdings der erste Rausch vorüber ist, lässt auch die körpereigene Hormonproduktion nach – und dann hat sich das mit der Vernebelung bisweilen ziemlich schnell.
Gute Illusionen, schlechte Illusionen
Vielleicht kennen Sie das ja unter dem Namen Desillusionierung – was so schön anfing, wird nach Jahr und Tag gewöhnlich, wenn nicht gar nervig. Sie wissen gar nicht mehr, was Sie am anderen gefunden haben, der urplötzlich in all seiner unzulänglichen Blöße dasteht. Dann sind Sie auf dem Boden der Realität angekommen.
Gut so, meint Arnold Retzer. Allerdings sollten Sie jetzt schleunigst für neue Illusionen sorgen, wenn Sie Ihre Partnerschaft fortführen wollen. Retzer, Autor von Lob der Vernunftehe, rät, man solle sich den Partner schön denken. Systematische wechselseitige Fehleinschätzungen wären ungemein wichtig für eine Ehe. Man solle sich von der Last des Realismus entlasten, also von der Anstrengung, den anderen so zu sehen, wie man denkt, dass er ist. Stattdessen solle man sich den Partner schön färben, ihn positiv verkennen und sich eine dicke rosarote Brille aufsetzen.
Positive Illusionen zu haben, bedeute keineswegs, die Schwächen und Fehler des Partners zu übersehen. Sondern ihnen einen positiven Rahmen zu geben. Etwa, indem Sie nicht alles auf die Goldwaage legen, was Ihr Partner tut und seine kleinen Marotten als liebenswerte Makel umdeuten, die ihn einzigartig machen. Dazu gehört auch, dass Sie Ihren Partner nicht immer mit anderen vergleichen – genau das machen aber viele: Sie schauen neidisch auf andere Beziehungen und ärgern sich, weil der Kumpel eine attraktivere Frau oder die Freundin einen reichen Mann geheiratet hat.
Dieses Verhalten nennt John Gottman, einer der bekanntesten amerikanischen Paartherapeuten, negative Vergleiche anstellen – ihm zufolge eine ernsthafte Bedrohung für eine Beziehung.
Die drei Zonen der Liebe
Paare, schreibt Gottman in Die Vermessung der Liebe, halten sich in verschiedenen Zonen in ihrer Beziehung auf. Damit ist quasi die Atmosphäre gemeint, in der die Paarkommunikation stattfindet.
- Die freundliche Zone ist von Respekt und gegenseitigem Wohlwollen getragen. Streit und Unzufriedenheit gibt es, aber die positiven Gefühle der Partner füreinander überwiegen.
- Die neutrale Zone ist die stabilste. Denn hier geht es weder hitzig noch feindselig zu, aber deswegen nicht gleichgültig. Konflikte werden eher ruhig und sachlich ausgetragen – ohne dass die Fetzen fliegen.
- Die feindliche Zone: Die Partner befinden sich in einem Zustand absorbierender Negativität. Sie lassen schlichtweg kein gutes Haar am anderen und interpretieren alles in die denkbar schlechteste Richtung.
Alle Paare, schreibt Gottman, würden manchmal in der feindlichen Zone landen. Aber nur manche bleiben so fest darin stecken, dass sie in die Mausefalle tappen – in jenen allumfassenden Zustand der Negativität. Alles kommt ihnen dann schlecht vor, abwertende Gefühle übernehmen die Oberhand. Dann kommt es zu einem Effekt, der selbst die stabilste Liebe zerstören kann: Im Eifer der negativen Emotionen wird alles, selbst neutrale Bemerkungen und freundliche Kommentare, in etwas Schlechtes umgemünzt. Und dann kommt auch das mit den negativen Vergleichen – man sucht das Haar in der Suppe und findet es garantiert.
Was Vertrauenswürdigkeit mit negativen Vergleichen zu tun hat
Wer eine unglückliche Beziehung hat, wird nicht unbedingt untreu. Gottman stellte fest, dass 30 Prozent der Paare, die eine schlechte Partnerschaft führen, sich nicht betrügen. Sie bekriegen sich zwar und halten sich gegenseitig für nicht besonders vertrauenswürdig, setzen aber nicht gleich zum Seitensprung an. Bei 70 Prozent der unglücklichen Paare allerdings nimmt die Vertrauenswürdigkeit bei zumindest einem Partner stark ab. Will heißen: Für diesen Partner steht die Beziehung dann nicht mehr über allem. Laut Gottman steigt dann das Seitensprung-Barometer stark an – was letztlich zur Untreue führen kann. Denn der nicht vertrauenswürdige Partner wendet sich nicht nur vom anderen ab, sondern vergleicht ihn auch dauernd mit realen oder erfundenen Personen. Wobei der Partner stets schlecht abschneidet. Es sei ganz normal, schreibt Gottman, dass man manchmal seine Beziehung mit der anderer vergleicht. Die Frage ist nur, wie man das Ergebnis dieser Gegenüberstellung interpretiert. Paare, die eher vor Untreue geschützt sind, stellen vorwiegend positive Vergleiche an: Entweder suchen sie Vergleichsobjekte, die ohnehin in einer anderen Preisklasse spielen oder sie gleichen negatives Abschneiden durch die Betonung anderer Qualitäten ihrer Beziehung positiv aus.
Wenn Sie etwa feststellen, dass der Mann Ihrer besten Freundin im Gegensatz zu Ihrem Ehegatten den nächsten Sprung auf der Karriereleiter geschafft hat, erfreuen Sie sich einfach daran, dass Ihr Mann dafür seltener auf Geschäftsreise ist, anstelle sich zu ärgern, dass ein anderer erfolgreicher ist als Ihr Partner.
Negative Vergleiche: 4 Beispiele
Wer ständig negative Vergleiche anstellt, entwickelt auf Dauer laut Gottman so etwas wie »Kaufreue«: Er bereue insgeheim, diese Beziehung gewählt zu haben, und sei empfänglich für vermeintlich attraktivere Alternativen.
- Mit Partner XY würde alles viel besser klappen: Die ewigen Reibereien, der Kampf um Alltägliches und die Machtdifferenzen bei Kleinigkeiten – sind Sie der Meinung, diese Probleme hätten Sie mit einem anderen Partner nicht? Dann gehören Sie zu den Menschen, die überzeugt sind, der Partner sei verantwortlich für die Probleme. Es ist immer einfacher, dem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber es ist ein Trugschluss. Denn Sie selbst tragen Ihren Teil zur Partnerschaft bei und sind Mitverursacher der Konflikte. Vermutlich hätten Sie mit einem anderen Partner einfach nur andere Probleme.
- Wenn mein Partner anders wäre, wäre ich glücklicher: Für die meisten Menschen ist eine glückliche Partnerschaft immens wichtig. Was bedeutet, dass sie eine Liebesbeziehung als ausschlaggebend für das eigene Glück sehen. Damit wird eine Partnerschaft überlastet – sie muss immer glücklich machen. Kaum eine Beziehung kann das leisten. Wenn Sie Ihr eigenes Glück voll und ganz von Ihrem Partner abhängig machen, werden Sie zum Spielball des Beziehungsablaufes. Sie selbst tragen die Verantwortung für Ihr Glück, Ihr Partner kann dazu beitragen, er ist aber nicht der Alleinverantwortliche dafür.
- Alle anderen haben eine bessere Beziehung als ich: Die Frau Ihres Freundes ist sichtbar stolz auf ihn und die beiden turteln auch nach 10 Beziehungsjahren noch wie frisch Verliebte? Von außen betrachtet sieht manch eine Partnerschaft perfekt aus. Doch dieser Eindruck täuscht mitunter gewaltig: Denn von den beziehungsinternen Problemen bekommen Sie meist wenig mit, Sie sehen nur die Fassade, die vielen so wichtig ist, dass sie zugunsten einer augenscheinlichen Harmonie Konflikte einfach unterdrücken. Machen Sie sich besser nichts vor: Ihre Beziehung mag verbesserungsbedürftig sein, das heißt aber keineswegs, dass alle anderen Partnerschaften um Sie herum beneidenswert schön sind.
- Die Freundinnen meiner Kumpel sind alle attraktiver als meine: Keiner ist vor fremden Reizen gefeit, es kann Ihnen immer mal passieren, dass Sie betört sind von der Schönheit anderer Damen. Kritisch wird es erst, wenn Sie damit in einen negativen Vergleich einsteigen und Ihre Freundin abwerten. Indem Sie nämlich denken, Sie hätten das Pech, eine weniger attraktive Partnerin Ihr Eigen zu nennen. Mit solchen Gedanken machen Sie sich Ihre Beziehung auf Dauer mies und glauben vielleicht irgendwann tatsächlich, Sie hätten es schlechter getroffen als andere.
Fazit: Negative Vergleiche machen auf Dauer beziehungsunglücklich
Beziehungen durchleben gute und schlechte Zeiten, wichtig ist, dass beide Partner der Verdindung einen besonderen Wert beimessen. Psychologen fassen das unter dem Begriff »Commitment« zusammen – damit ist der Wille gemeint, sich für die Beziehung einzusetzen. Laut Gottman ist das ein allmählicher Prozess, bei dem die Partner einander immer öfter positiv mit anderen Personen vergleichen.
Es ist normal, dass Sie manchmal Ihre Liebesbeziehung mit anderen realen oder auch imaginären Partnerschaften vergleichen und dabei in Gedanken schlechter wegkommen. Neid auf offensichtlich glücklich Liebende ist ein ganz normales Empfinden. Wenn sich daraus aber ein Muster entwickelt, Sie sich also immer öfter umblicken und glauben, nur glücklichere, erfolgreichere und zufriedenere Paare zu entdecken, kann sich das ungut auf Ihre Beziehung auswirken. Dann kann es laut Gottman sein, dass Sie sich immer weiter von Ihrem Partner entfernen und die Gefühle des anderen nicht wirklich registrieren. Dieser Abstand verkürzt unter Umständen Ihre Distanz zu möglichen Seitensprüngen. Denn negative Vergleiche verstärken die Unzufriedenheit und machen Sie empfänglicher für Untreueimpulse. Wenn Sie das vermeiden wollen, sollten Sie öfter mal die positiven Seiten Ihrer Beziehung in Augenschein nehmen, diese in den Vordergrund stellen und bei Vergleichen mit anderen genau hier ansetzen: nämlich dort, wo Sie eindeutig besser abschneiden.