Untreue: Wo fängt ein Vertrauensbruch an?
Wir Menschen sind im Grunde unseres Herzens bequeme Wesen. Wir mögen klare Definitionen. Unser soziales Miteinander funktioniert innerhalb fester Rahmenbedingungen. Wir haben Promillegrenzen, Höchstgeschwindigkeiten, jede Menge Kleingedrucktes für fast alle Lebenslagen. Je konkreter unser Alltag geregelt wird, umso sicherer fühlen wir uns. Warum? Weil wir keine eigene Vorstellung von »richtig« oder »falsch« zu entwickeln brauchen, sondern von außen diktiert bekommen, was wir tun dürfen. Schöne Sache das. Umso mehr bringen uns Situationen ins Schleudern, in denen es solche verlässlichen Grenzen nicht gibt.
Wer definiert, ab wann ein Gefühl »verboten« ist? In welchem schlauen Büchern kann man nachlesen, worin sich eine Freundschaft von einer Partnerschaft unterscheidet? Wer sagt uns, ob die brennende Eifersucht berechtigt oder nur ein Hirngespinst ist? Warum gibt es keine objektiven Richtlinien, die uns verraten, ab wann das beginnt, was man allgemein als Fremdgehen bezeichnet?
Natürlich wissen Sie die Antwort selbst: Weil es hierfür keinerlei allgemeingültige Vorgaben geben kann. Selbst wenn wir uns auf den westlichen mitteleuropäischen Kulturkreis beschränken, finden wir unzählige Definitionen des Begriffes »Fremdgehen«. Jeder zieht die Grenzen woanders, und in vielen Fällen sind sich nicht einmal Paare untereinander einig. Die gute Nachricht: Alle haben recht. Niemand braucht sich vorschreiben zu lassen, was er unter Fremdgehen zu verstehen hat. Die schlechte Nachricht, speziell für unkommunikative Schweiger: Ohne ehrliche Gespräche und einen detaillierten Austausch über das Thema gibt's kein Beziehungsglück. Wir haben sechs klassische Situationen ausgesucht, an denen sich die Geister scheiden, um herauszufinden, wie unterschiedlich man sie betrachten kann.
Was Frauen und Männer als Fremdgehen definieren: 6 klassische Situationen
Beginnt Fremdgehen mit dem berühmten Kopfkino?
Markus, 29, sagt: »Ich habe meine Freundin schon mehrmals dabei erwischt, dass sie sich im Internet Pornos anschaut. Für mich beginnt hier das Fremdgehen, ich fühle mich dadurch zurückgesetzt. Wozu muss sie sich denn mit anderen Männern in Stimmung bringen? Warum nicht mit mir? Ich finde, sie betrügt mich dabei. Wenn auch nur im Kopf.« Stefanie, 34, verheiratet, sieht das ganz anders: »Quatsch, für mich gibt es kein Fremdgehen im Kopf. Die Gedanken sind frei. Was für eine Liebesbeziehung soll das denn sein, in der ich meinem Partner vorschreiben will, was er zu denken hat? Solange er seine Phantasien nicht mit anderen Partnerinnen im Bett auslebt, kann er sich antörnen, womit er will.« Zwei klare Meinungen, Thema durch. Oder? Nicht ganz. Solange sich das Kopfkino auf Pornos und private Sexphantasien beschränkt, könnte man es unter »Animationsprogramm« verbuchen, das im echten Leben keine ernsthafte Konkurrenz für den Partner darstellt. Grenzwertig wird's, wenn sich das Kopfkino nicht um eine unerreichbare Filmfigur oder einen Rockstar dreht, sondern ein ganzer Spielfilm darin abläuft, in dem eine Person aus dem realen Umfeld die Hauptrolle spielt. Eine Kollegin, ein Ex-Partner oder ein guter Freund. Hier besteht die Gefahr, dass aus dem Kopfkino unmerklich eine leidenschaftliche Phantasiebeziehung wird. Wer sich in so etwas hineinsteigert, muss höllisch aufpassen, dass er seine Gefühle im Griff behält. Eine geträumte Liebesbeziehung kann Körper und Seele ebenso in Beschlag nehmen wie eine längerfristige Affäre.
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Beginnt der Fehltritt bereits beim Fremdflirt?
Flirten Sie auch so gerne? Kein Wunder, es macht ja auch Spaß: Neue Menschen kennenlernen, angeregte Gespräche führen, zusammen lachen, Komplimente verteilen (und einsammeln), Brüderschaft trinken, ein bisschen Spaß haben, ohne dass dabei Hintergedanken in Richtung »mehr« mit hinein spielen. Für viele Männer und Frauen ist Flirten so lebenswichtig wie Essen und Trinken. Was von außen betrachtet erscheinen mag wie die Vorstufe zu einem Seitensprung, ist für die Flirtenden nichts weiter als vergnügliches Kommunizieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Auch hier gibt es zwei grundverschiedene Einstellungen. Michael, 51, verheiratet: »Eine liierte Frau, die auf einen Femdflirt einsteigt, will fremdgehen. Was denn sonst? Ich flirte nur, um zu sehen, wie weit ich bei einer Frau komme. Wenn sie signalisiert, dass bei ihr etwas geht, kann es durchaus passieren, dass ich es auf einen Seitensprung ankommen lasse. Flirten nur zum Spaß ist doch Zeitverschwendung.« Damit bestätigt Michael die Ängste vieler Ehefrauen. Natürlich geht es auch anders. Andrea, 40: »Ich flirte unheimlich gerne. Eine witzige Unterhaltung auf einer Party, gewürzt mit ein wenig erotischem Prickeln im Hintergrund, das finde ich herrlich. Mein Partner weiß das und findet es okay. Denn der Flirt ist bei mir kein Vorspiel, sondern ausschließlich auf das Gespräch begrenzt. Leider verstehen manche Männer das nicht, sondern denken, ich lege es auf einen One-Night-Stand an. Was für Idioten. Zum Glück gibt es auch Männer, die wissen, wo bei einem stilvollen Flirt die Grenzen liegen. Reden ja, anfassen nein.«
Beginnt Fremdgehen beim Austausch von der Kontaktdaten?
Im Prä-Internet-Zeitalter galt das Herausgeben der privaten Telefonnummer als deutliches Signal für »ich will dich«. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Kontaktdaten wie E-Mail-Adresse oder Handynummer werden praktisch überall ausgetauscht, ohne dass darin automatisch eine Anmache versteckt ist. Klassische Situation: Abends beim Ausgehen trifft man auf andere Nachtschwärmer, kommt ins Gespräch, entdeckt Gemeinsamkeiten, über die man sich austauschen will. Fast jeder hat einen Facebook-Account, eine kostenlose Mailadresse oder ein Profil auf einer Branchenplattform. Schon steht man in Verbindung. Kontaktdaten gelten nicht mehr als intim und vertraulich, sondern sind nahezu öffentlich. Dennoch ist der Datentausch für manche Paare ein Problem. Kirsten, 28: »Wenn mein Freund beim Ausgehen mit einer weiblichen Neubekanntschaft die Kontaktdaten austauscht, will sie etwas von ihm. Oder er von ihr. Egal, ob ich an diesem Abend dabei bin oder nicht, ich betrachte das als Vorbereitung zum Fremdgehen. Wozu will er denn neue Frauen kennenlernen? Er hat doch seine männlichen Freunde. Ich habe ihm klar gesagt, dass ich nicht will, dass er mit fremden Frauen privat Mails schreibt oder telefoniert. Männer und Frauen können sowieso nicht befreundet sein, da kommt früher oder später immer der Sex dazwischen.« Manuela, 37, ist verheiratet und kann darüber nur den Kopf schütteln. »Was ist das für eine lieblose Einstellung? Selbstverständlich können Männer mit Frauen befreundet sein! Mir würde ohne meine männlichen Freunde etwas Wichtiges im Leben fehlen, und nein, ich habe mit keinem von ihnen Sex. Genausowenig wie mein Mann mit seiner besten Freundin fremdgeht. Ich finde, wenn sich eine Frau dermaßen paranoid verhält, dass sie bereits den Austausch von Mail-Adressen und Handynummern als Fremdgehen wertet, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn ihr Partner sie anlügt und ihr seine weiblichen Neubekanntschaften verheimlicht. Welcher Mann traut sich denn, offen über weibliche Kontakte zu sprechen, wenn seine Frau sofort Betrug schreit und ihm eines mit dem Nudelholz überbrät?«
Sind gute Freunde potenzielle Fremdgeh-Kandidaten?
Speziell Frauen neigen dazu, ihren männlichen Freundeskreis zu vernachlässigen, sobald sie sich in einer festen Beziehung befinden. Schlimm genug. Noch schlimmer, wenn sie im Gegenzug von ihrem Partner verlangen, seinen Freundeskreis ebenso auszudünnen und weibliche Vertrauenspersonen »auszusortieren«. Ganz besonders rot leuchten die Fremdgeh-Alarmlampen, wenn es sich dabei um attraktive Damen handelt. Hm. Sind intensive Freundschaften wirklich mit Fremdgehen gleichzusetzen? Brigitte, 43, sagt: »Ich habe kein Problem mehr mit den Freundinnen meines Mannes. Aber ich will, dass er diese Kontakte nicht allein pflegt, sondern in meinem Beisein. Also Treffen zu Dritt oder in der Gruppe. Mit Zweiertreffen wäre ich nicht einverstanden. Telefonate finde ich okay, während ich auch anwesend bin. Kein heimliches Liebesgeflüster. Ja, und das Geknuddel speziell mit seiner besten Freundin habe ich auch nicht geduldet. Ich hatte immer das Gefühl, zwischen den beiden knistert es gewaltig. Mein Mann schwört mir zwar, dass da nichts ist, aber ich habe ihn trotzdem gebeten, auf Abstand zu der Frau zu gehen.« Heike, 39: Eine langjährige Freundschaft auf Sparflamme fahren oder aufgeben, nur weil der Partner hier ein potenzielles Fremdgehen vermutet? Heike rollen sich bei solchen Aussagen wie von Brigitte die Fußnägel hoch: »Wenn ich meinem Mann vorschlagen würde, seine weiblichen Freunde abzuservieren, dann würde er mich fragen, welche Drogen ich neuerdings nehme. Wir pflegen beide einen eigenen Freundeskreis, unternehmen viel in der Gruppe, aber auch mit unseren Freunden allein. Körperkontakt, also dass man sich umarmt, an den Händen hält oder mal den Nacken massiert, finde ich schön. Was soll das mit Fremdgehen zu tun haben? Das gleiche mache ich mit meiner besten Freundin auch, ohne dass ich mit ihr ins Bett will. Und wenn eine Freundin meines Mannes ihm in einem vertraulichen Gespräch das Herz ausschüttet, dann geht das nur die beiden etwas an. Warum sollte ich mich dazusetzen und den Anstandswauwau spielen? Und ganz ehrlich, wenn mein Mann tatsächlich mal einen One-Night-Stand hätte, dann wäre es mir lieber, es wäre mit einer guten Freundin statt mit irgendeiner Unbekannten.«
Beginnt Fremdgehen mit Cybersex und virtuellen Sexpartnern?
Es gibt unzählige internationale Sex- und Datingplattformen, auf denen die Möglichkeit zum gegenseitigen Cybersex mit Webcam- und Chat-Kommunikation geboten wird. Gleichzeitig bieten diese Dating-Portale entsprechende Kommunikationsmodule, mit denen gezielt nach Real-Sexpartnern gesucht werden kann, um Treffen vor Ort zu vereinbaren. Die Grenze zwischen »nur virtuell« und realem Sexkontakt kann sehr leicht überwunden werden. Detaillierte Statistiken über Mitgliederzahlen der Sexportale gibt es nicht, aber Schätzungen zufolge nutzen derzeit ca. 250 Millionen Menschen dieses Angebot – mit und ohne Wissen ihrer Partner. Bert ist 38, verheiratet und Stammkunde bei einer solchen Plattform: »Ich treffe mich einmal pro Woche virtuell mit einer Frau, die auf der anderen Erdhalbkugel lebt. Wir schreiben uns im Privatchat versaute Texte und masturbieren vor der Webcam bis zum Orgasmus. Solange es dabei keinen echten Körperkontakt gibt, sehe ich das nicht als Fremdgehen an. Deshalb sage ich meiner Frau auch nichts davon. Sie findet solche Sexseiten grundsätzlich abstoßend und würde nie verstehen, dass ich dort aktiv bin.« Frank, 41, ist Single und hat eine ganz andere Meinung: »Ich finde, das Fremdgehen beginnt genau dort, wo eine andere Person ins Spiel kommt, mit der eine aktive, gegenseitige sexuelle Kommunikation stattfindet. Ob nun virtuell oder real finde ich unwichtig. Sex ist Sex, ob die andere Person nun mit im Bett liegt oder am Telefon, im Chat oder vor der Webcam agiert. Der Kontakt ist nicht anonym, sondern persönlich. Demnach handelt es sich um einen Sexpartner, mit dem ich fremdgehe.«
Ist Sex ohne Liebe schon Fremdgehen oder reine Bedürfniserfüllung?
Die häufigste Ausrede, wenn ein sexueller Betrug unvermutet ans Licht kommt. Auch wenn es sich hierbei eindeutig um »vollzogenes« Fremdgehen handelt, bedeutet es für jeden etwas anderes. So sehen vor allem Frauen einen spontanen One-Night-Stand weitaus weniger dramatisch als einen von langer Hand geplanten Seitensprung, bei dem womöglich vorher ein Hotelzimmer gebucht und ein Alibi konstruiert wurde. Inniges Küssen wiederum bedeutet für viele Paare etwas Intimeres als der tatsächliche Liebesakt und wiegt daher beim Fremdgehen besonders schwer. Darleen, 26, Single: »Mein Freund und ich wollen eine monogame Beziehung führen. Aber wir haben gemerkt, dass wir das nicht schaffen. Wir sind beide schon schwach geworden und haben uns zu One-Night-Stand hinreißen lassen. Ja, das gilt als Fremdgehen, aber wir wollen trotzdem zusammenbleiben. Unser neuer Deal lautet: Erst wenn Gefühle im Spiel sind und es mehr als einmal zum Sex kommt, ist es Fremdgehen. Vorher nicht.« Petra, 35, ist vom Gegenteil überzeugt: »Mein Ideal ist die monogame Beziehung. Fremdgehen beginnt und endet für mich beim Sex. Ich kann verstehen, dass man sich mal fremdverliebt. Diese Gefühle sind menschlich und legitim. Aber sich dann völlig kopflos mit dem Objekt der Begierde ins nächste Bett, auf den Autorücksitz oder ins Gras fallen zu lassen – für One-Night-Stands habe ich kein Verständnis. Man kann jederzeit die Notbremse ziehen und es beim freundschaftlichen Kontakt belassen. Vor dem ersten Kuss, vor dem Ausziehen, vor dem Geschlechtsverkehr. Wer sich entscheidet, Fremdsex zu haben, der bricht ganz bewusst aus der Beziehung aus.«
Fazit: Fremdgehen beginnt mit der Lüge
Bei einer Umfrage der Partnervermittlung Elitepartner gaben rund 50 Prozent aller Teilnehmer an, dass Fremdgehen für sie bereits mit dem Einholen fremder Telefonnummern anfängt. Immerhin 22 Prozent stufen sogar einen lockeren Flirt und Gespräche über Gott und die Welt als Fremdgehen ein. Allerdings handelte es sich bei den vorgegebenen Beispielen um Situationen, in denen die Partnerin des »Fremdgängers« nicht anwesend war. Das Ergebnis wäre sicherlich anders ausgefallen, wenn beide als Paar unterwegs gewesen wären und eine nette weibliche oder männliche Neubekanntschaft gemacht hätten, denn hier gäbe es von Anfang an keine Möglichkeit des Verheimlichens. Womit wir beim zentralen und sensibelsten Punkt des Themas angekommen wären.
Betrachtet man sich die stark unterschiedlichen Aussagen und Standpunkte, so gewinnt man den Eindruck, dass die eigene Privatsphäre und die Offenheit gegenüber dem Partner in ständigem Wettstreit miteinander stehen. Ab wann ist etwas nicht mehr privat, sondern lupenreines Fremdgehen? Ist es wichtig, ob mit einem anderen Menschen nur Kontaktdaten oder gleich Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden? Oder geht es vielmehr darum, dem Partner gegenüber aufrichtig zu sein? Susanne, 37 und verheiratet, bringt es wunderbar auf den Punkt: »Für mich bedeutet Fremdgehen all das, was ich heimlich tue und meinem Partner auch auf konkrete Nachfrage nicht erzähle. Das muss noch nicht einmal etwas mit Sex zu tun haben. Ich gehe fremd, wenn ich meinem Partner nicht mehr genug vertraue, um ihm alles erzählen zu wollen.«