Fremdgehen trotz Liebe: Warum wir betrügen, wen wir lieben
Sie gehen fremd, aber lieben Ihren Partner? Dann geht es Ihnen wie vielen: mehr als 80 Prozent aller untreuen Männer und Frauen lieben ihren Partner, das ergab eine Theratalk-Studie. Kann das denn sein? Immerhin verursacht Fremdgehen für die betrogenen Partner Kummer und Probleme. Oder ist es etwa doch möglich, trotz aller Liebe fremdzugehen?
45 Prozent der Deutschen halten einer Forsa-Umfrage zufolge einen Seitensprung für unverzeihlich. Aber nur 3 Prozent der Männer und Frauen würden ihren Partner verlassen, wenn er fremdgeht, ergab eine Umfrage des Forschungsinstituts Gewis.
Warum lehnen offensichtlich so viele Menschen Untreue in Beziehungen kategorisch ab, aber nur wenige ziehen dann gleich drastische Konsequenzen in Form einer Trennung? Liegt es daran, dass eine Trennung oft schwer zu realisieren ist, dass in der Theorie alles immer viel einfacher aussieht als in der Praxis – oder liegt es vielleicht daran, dass es Liebe ist? Und das nicht nur auf Seiten der Betrogenen, sondern auch bei den Fremdgehern selbst?
Info kompakt
- Niemals sicher: 44 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen kommen dem Seitensprung ihres Partners von ganz allein auf die Schliche.
- Frauen wollen oft Rache: Mehr als zwei Drittel aller betrogenen Frauen sind laut Theratalk-Umfrage wütend auf ihren Partner, 23 Prozent empfinden sogar Hass, vier von zehn Frauen wollen ihren Partner bestrafen für das, was er ihnen angetan hat.
- Betrogene Männer sind eher sauer auf den Rivalen: 70 Prozent sind wütend auf den Affärenpartner, dagegen empfinden nur 47 Prozent dieses Gefühl gegenüber der eigenen Partnerin.
- Alte Kamelle: 58 Prozent der Frauen finden es schlimmer, wenn Liebe beim Betrug im Spiel ist. Bei den Männern sind es weniger, nämlich 48 Prozent.
- Aus Versehen ist besser als eingefädelt: Umfragen zufolge reagieren Partner auf Untreue umso verletzter, je raffinierter der Seitensprung geplant wurde.
- Selbst gebeichtet ist oft grad noch gerettet: Nahezu 50 Prozent der Deutschen würden dem Partner einen einmaligen Seitensprung verzeihen – wenn er ihn selbst beichtet, bereut und schwört, es nie wieder zu tun.
Eine Emnid-Umfrage ergab, dass 55 Prozent aller Männer ihrer Partnerin einen Seitensprung verzeihen würden, bei den Frauen sagten das 45 Prozent
Wie steht es um die Liebe, wenn der Partner fremdgeht?
Betrogene suchen also oft nach Untreuebeweisen – und damit auch nach Hinweisen für oder gegen echte Liebe. Dabei können die Fremdgeher selbst manchmal gar nicht erklären, warum sie es getan haben. Umso schwieriger ist es, dem Partner darzulegen, wie es zur Untreue überhaupt kam. Das Bedürfnis nach Klarheit ist bei Betrogenen jedoch immens: 81 Prozent der Männer und 86 Prozent der Frauen versuchen herauszufinden, warum ihr Partner das getan hat. Und fast ebenso viele Menschen fragen sich, wie ihr Partner ihnen das antun konnte – und zweifeln an der Aufrichtigkeit der Gefühle des Fremdgehers.
Verständlicherweise, denn die meisten von uns verknüpfen ihre Liebesgefühle mit Besitzansprüchen. »Du gehörst zu mir« ist Oliver Schott zufolge nicht nur leidenschaftliches Liebesbekenntnis, sondern auch explizite Forderung. In Lob der offenen Beziehung schreibt er, Exklusivität sei in modernen Beziehung eine Voraussetzung – man hat Ansprüche an den Partner, die man bei Nichterfüllen einklagen kann. Die viel beschrieene Bedingungslosigkeit der Liebe ist also doch an die ein oder andere Bedingung gebunden.
Thomas Deutschbein sieht darin ein wesentliches Problem – nicht nur in Bezug auf Fremdgehen. In Freiheit von der Eifersucht schreibt der Psychologe, wir würden davon ausgehen, einen Partner zu haben. Und wir wollen ihn behalten. Damit versehen wir unsere Liebe mit einer Bedingung, nach dem Motto »Ich liebe dich, wenn du meine Erwartungen erfüllst«. Fremdgehen wird als Aufkündigung des Paarvertrages gewertet und ist demnach ein grober Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsprinzip – mit der Folge, dass der Betrogene dieses Verhalten als fehlende Liebe interpretiert.
Aber was eigentlich ist Liebe?
Eine allgemein verbindliche Definition dieses unfassbaren Gefühls ist wohl unmöglich. Jeder hat da so seine eigenen Vorstellungen, meistens ein wenig romantisch verklärt, zuweilen etwas unrealistisch. Liebe hat nämlich auch immer viel mit Egoismus zu tun: jeder möchte geliebt werden, das Gefühl vermittelt bekommen, dass er einzigartig ist für eine andere Person. Vielen geht es um das Gefühl, das der andere ihnen gibt, nicht jede Liebe ist eine, die nur etwas mit der anderen Person zu tun hat. Ebenso ambivalent ist die Sache mit dem Fremdgehen. Auch das hat nicht immer etwas mit dem Partner zu tun und hängt nicht zwangsläufig mit der Liebesqualität der Kernbeziehung zusammen.
Immerhin gaben z. B. in Befragungen nur 16 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen ihre unglückliche Beziehung als Auslöser für ihre Untreue an, wie Dr. Ulrich Clement in Wenn Liebe fremdgeht schreibt. Der Paartherapeut meint, natürlich könne Fremdgehen Hinweis dafür sein, dass die Beziehung nicht stimme. Aber es gebe viele andere mögliche Fremdgehmotive wie Übermut, Sehnsucht, Neugier oder Geilheit. Liebe spielt da manchmal eine eher untergeordnete Rolle.
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Wer fremdgeht, liebt seinen Partner nicht (mehr)
- Wahre Liebe geht mit sexueller Exklusivät einher! Wer seinen Partner wirklich liebt, würde niemals fremdgehen! Denn Treue ist das Fundament einer Beziehung, mehr als 90 Prozent aller Menschen sehen das so. Wenn man mit einer Person zusammen ist, dann muss man halt auf all die anderen verführerischen Optionen verzichten, so ist das nunmal. Wer setzt schon die Beziehung für eine heimliche Affäre aufs Spiel? Oder anders gefragt: Wer will den Partner mit anderen teilen?
- Wer liebt, erspart seinem Partner Liebeskummer! Wem der Partner etwas bedeutet, der vermeidet alles, was ihm oder ihr wehtun könnte. Und da ein Seitensprung der größte anzunehmende Liebesschaden ist, unterlässt man ihn tunlichst. Denn die Folgen für die Betrogenen sind schlimm, ganz zu schweigen von den Konsequenzen für die Beziehung. Und überhaupt: Liebe ist eine Entscheidung – für den einen und gegen alle anderen.
- Man kann nur einen Menschen gleichzeitig lieben! Liebe kann man nicht teilen – die Psychologin Gerti Senger etwa kommt zu dem Schluss, dass eine Dreiecksbeziehung, also Liebe zu zwei Menschen gleichzeitig, eine Utopie ist. In Schattenliebe schreibt sie, Liebe ohne jeglichen Besitzanspruch gebe es nicht. Und da liege das Problem: Nicht die Liebe an sich verlange nach Ausschließlichkeit. Es sei unser narzisstischer Anspruch, für den anderen wichtiger zu sein als für alle anderen.
Liebe trotz Seitensprung – warum nicht: Liebe hat viele Gesichter
- Liebe wird mehr, wenn man sie teilt! Jeder Mensch kann mehrere Personen gleichzeitig lieben, meinen Cornelia Jönsson und Simone Maresch. Und damit sind nicht Familienangehörige oder Freunde gemeint. Sondern Liebhaber, Lover, Sexgefährten. Die Autorinnen von »111 Gründe, offen zu lieben« finden, es sei eine Bereicherung, Liebe auf mehrere Menschen zu verteilen, statt sie auf eine einzige Person zu konzentrieren. Liebe sei nicht messbar oder quantitativ steuerbar, sie entwickele sich von Fall zu Fall. Die Verfechterinnen der Polyamorie glauben auch, dass Beziehungen unterschiedliche Schwerpunkte haben – da kann es also durchaus sein, dass man den Partner aufrichtig liebt, Sex aber mit einem Dritten genießt.
- Sex und Liebe gehören nicht unbedingt zusammen! Sex halten die meisten für ein Muss in Partnerschaften, für viele markiert er die Definitionsgrenze zwischen Freundschaft und Beziehung. Was ja auch so eine künstliche Sache ist. Denn wer sagt denn, dass Sex und Liebe untrennbar zusammengehören? Dann wäre ja schon Selbstbefriedigung eine Art Betrug am anderen. Robert Betz meint, zur Liebe gehöre nicht zwangsläufig Erotik – sie könne Bestandteil des Paarlebens sein, müsse dies aber nicht zwangsläufig, schreibt er in Wahre Liebe lässt frei. Wer liebt, gönnt dem anderen womöglich Sexaffären und toleriert Fremdgehen, weil er oder sie in sexueller Hinsicht andere Bedürfnisse hat.
3 Zeichen, dass Ihr fremdgehender Partner Sie liebt
- Ihr Partner beendet die Affäre: Gesetzt den Fall, Sie tolerieren die Untreue Ihres Partners nicht, sollte dieser das akzeptieren und seine Liaison beenden. Nach Einschätzung von Wolfgang Krüger sind 80 Prozent der Männer und Frauen bereit, den Seitensprung zu verzeihen, wenn der Partner verspricht, es nie wieder zu tun. Auch wenn derartige Versprechen mit Vorsicht zu genießen sind, ist es sicherlich ein Hinweis auf Liebesgefühle, wenn Ihr Partner Ihrem Wunsch nachkommt.
- Ihr Partner investiert wieder mehr in die Beziehung: Vor dem Seitensprung war Ihr Paaralltag von Routine geprägt? Positiv ist, wenn sich Ihr Partner danach wieder mehr Mühe gibt, indem er etwa Zeit mit Ihnen verbringt, Unternehmungen plant und Gemeinsamkeiten wiederaufleben lässt. Mangelnde Nähe kann Mitauslöser für Untreue sein und die Liebe bedrohen – steuert Ihr Partner dagegen, spricht das für seine Liebe.
- Ihr Partner redet mit Ihnen über seine Bedürfnisse: Endlich macht er oder sie den Mund auf und spricht über das, was in der Beziehung fehlt? Das kann ein Hinweis darauf sein, dass Ihr Partner die durch das Fremdgehen ans Tageslicht getretenen Probleme beziehungsintern mit Ihnen lösen möchte. Untreue kann der Versuch sein, Schwierigkeiten innerhalb der Partnerschaft aufzuzeigen und zu thematisieren. Tritt Ihr Partner hierüber in einen Dialog mit Ihnen, bedeuten Sie ihm offensichtlich eine ganze Menge.
3 Signale, dass die Liebe Ihres Partner gefährdet ist
- Ihr Partner weicht Ihnen aus: Ihr Partner geht Ihnen aus dem Weg, speist Sie mit Platitüden ab und tut so, als sei sein Fremdgehen nebensächlich? Das ist keine gute Voraussetzung für Ihre weitere Beziehung. Wenn Ihr Partner über Affärendetails beharrlich schweigt, kann das zwar bedeuten, dass er Sie mit näheren Fremdgehinformationen verschonen möchte. Vielleicht hält er aber mit wichtigen Facts hinter dem Berg, weil für ihn mehr dahintersteckt – Unaufrichtigkeit hat womöglich weniger mit Liebe zu tun.
- Ihr Partner gibt Ihnen die Schuld: »Du willst ja keinen Sex mehr, da musste ich es mir doch woanders holen!« Solche Bemerkungen sind bedenklich. Denn wer seinen Partner liebt, sollte bereit sein, im Ernstfall Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen – und nicht Ihnen bequemerweise die Schuld in die Schuhe schieben. Ihr Part spielt zwar eventuell auch eine Rolle bei der Untreue, allerdings ist Ihr Partner derjenige, der sich im entscheidenden Moment für das Fremdgehen entschieden hat.
- Ihr Partner tut es wieder: Leider ist es belegt: Manche Fremdgänger sind Wiederholungstäter. Laut Theratalk haben 15 Prozent der Untreuen ihren Partner mehrfach hintergangen. Was Sie aber bitte nicht zu vorschnellen Vorverurteilungen verführen soll. Einmal ist keinmal – das gilt manchmal schon. Aber sollte Ihr Partner nach einer Aussprache gleich die nächste Fremdgehgelegenheit ergreifen, sollten Sie sich Gedanken machen.
Fazit: Bei aller Liebe...
...ist ein Seitensprung nicht ausgeschlossen. Denn man kann das Bedürfnis haben, fremdzugehen – auch wenn man seinen eigentlichen Partner wirklich innig liebt. Untreue hat oft nur etwas mit demjenigen zu tun, der fremdgeht und weniger mit der eigentlichen Partnerschaft.
Untreue sei aber immer ein massiver Einschnitt in einer Beziehung, meint Wolfgang Krüger. Im Allgemeinen, so der Paartherapeut in Das Geheimnis der Treue, sei ein Seitensprung Ausdruck dafür, dass in der Beziehung eine Entfremdung eingetreten sei. Und die ist naturgemäß eine latente Gefahr für die Liebe. Wo nämlich keine Nähe mehr ist, da kann schlecht Liebe gedeihen.
Aber nehmen wir mal all die vielen individuellen Ursachen fürs Fremdgehen, dann kristallisiert sich doch heraus, dass wahre Liebe nicht unbedingt bedingungslose Treue hervorbringt. Und dass umgekehrt Fremdgehen nicht zwangsläufig aus fehlender Liebe resultiert. Beides ist möglich – was tatsächlich in der Partnerschaft vor sich geht, hängt von beiden Partnern, deren Toleranz, deren Schmerzgrenzen und von deren individueller Treueinterpretation ab.