In der amerikanischen Polyamorie-Gemeinschaft »Kerista« packt man das Thema an der Wurzel. Die Kerista-Polys, wie sie sich nennen, haben das Gegenteil der Eifersucht gesucht – und scheinbar auch gefunden. Es heißt »Compersion«. Statt neidisch, angsterfüllt oder wütend auf die Intimität des Partners mit seinen anderen Liebespartnern in zu reagieren, sollen Mitfreude, Lust und Neugier über dessen Glücklichsein in einer offenen Beziehung im Vordergrund stehen.
Dieser positive Ansatz ist in Europa noch weitgehend unbekannt. Hierzulande hat man sich leider entschieden, Eifersucht zu pathologisieren, statt sich auf die Suche nach einer Alternative zu machen. Gerade in den letzten fünf Jahren kam es schwer in Mode, Eifersucht als krankhaftes Gefühlswirrwar zu klassifizieren, über das man sich hinausentwickeln müsse. Motto »wer eifersüchtig ist, hat irrationale Verlustängste und muss diese überwinden«.
Das mag im Einzelfall stimmen, doch der damit implizierte Leistungsdruck torpediert automatisch eine souveräne Beziehungsfähigkeit. Ein »Comperion«, wie am Beispiel der Kerista-Gemeinschaft, ist vor diesem Hintergrund nicht möglich. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung in Ihrem Empfinden! Lassen Sie sich das nicht von vermeintlich klügeren Zeitgenossen wegargumentieren! Um der Eifersucht etwas Positives entgegensetzen zu können, ist es nötig, sich ganz offen, ohne Selbstverleugnung und Druck mit seinen Gefühlen und Ängsten zu beschäftigen.
Makaja ist übrigens der Meinung, dass man aus tantrisch-yogischer Sicht vor allem dann eifersüchtig sei, wenn sich die Lebensenergie im Bereich des ersten und zweiten Chakras befindet. Auch wenn Sie nicht viel mit der Chakrenlehre am Hut haben, so kann es doch hilfreich sein, sich damit zu beschäftigen. Je höher die Lebensenergie positioniert wird, um so leichter fällt es Ihnen, sexuelle Lust zu Liebe zu »veredeln«.
Eine weniger esoterische Empfehlung von erfahrenen Polys lautet: Besiegeln Sie Ihre ursprüngliche Paarbeziehung nicht nur verbal, sondern mit einem richtigen Vertrag. Darin werden alle wunden Punkte und Angstthemen mit einvernehmlichen Lösungen geregelt. Ob Wohnsituation und Schlafgewohnheiten, bestimmte Sexpraktiken, die exklusiv einem Partner vorbehalten bleiben, Familienplanung, Urlaubsreisen, Kindererziehung, Schutz vor Geschlechtskrankheiten oder finanzielle Aspekte. Auch wenn es spießig wirkt, so ein Vertrag erleichtert die offene Beziehung ungemein. Nicht weil man ihn täglich herauszieht und sich darauf beruft, sondern weil allein das Aufsetzen und Unterschreiben einen Akt der Verbindlichkeit darstellt. Ein Bekenntnis zur Gemeinsamkeit, wenn Sie so wollen.
Viele Polys vereinbaren für die offene Beziehungsform eine Probezeit inklusive Kündigungsfrist, was sehr sinnvoll ist. Es könnte ja immerhin sein, dass einer oder mehrere der Beteiligten feststellen, auf Dauer nicht glücklich in einer offenen Beziehung werden kann und doch wieder in eine Zweierbeziehung zurückzuwollen. Dieses Neinsagen sollte unbedingt respektiert und keinesfalls lächerlich gemacht oder kritisiert werden.
Die wichtigste Regel in offenen Beziehungen lautet: Klammern Sie sich nicht an Maßstäbe, die andere aufgestellt haben, sondern finden Sie Ihre individuellen Themen, Gefühle und Bedürfnisse! Erst wenn Sie die ausgelotet und klar erkannt haben, ist eine glückliche Beziehung möglich, ob monogam, offen oder in einem Polyamorie-Netzwerk. Ohne Besitzdenken oder Verlustangst.
Dieser Artikel hat 4 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Mono, Poly & Co: Offene Beziehungen für Einsteiger
Seite 2: Leben in polyamoren Netzwerken und offenen Beziehungen
Seite 3: Sie sind neugierig und wollen Ihre Beziehung öffnen?
Seite 4: Eifersucht, Verlustangst und der Mut, Nein zu sagen