Keinesfalls sollten Sie eine polyamore Lebensform in Erwägung ziehen, wenn Sie unsicher sind, ob Sie überhaupt zusammenbleiben möchten und die Beziehungsöffnung dazu nutzen wollen, sich nach Absprungpartnern umzuschauen. Polyamorie ist kein Fluchtweg aus bestehenden Beziehungen oder ein »Repair-Kit« für marode Partnerschaften, sondern eine Bereicherung der partnerschaftlichen Liebe!
Sie sind sich sicher, dass Sie den Schritt wagen wollen und mehrere Partner in Ihre Liebe einbeziehen? Sie gestehen sich und Ihrem Partner die selben Freiheiten und Beziehungen zu, die Sie sich selbst wünschen? Weil Sie einander so sehr lieben, dass Sie sich nichts vorenthalten, was Sie zum Glücklichsein benötigen? Wunderbar. Dann sollten Sie diese Freiheit mit einem Versprechen besiegeln. Versichern Sie sich gegenseitig, dass Sie sich nicht verlassen werden. Ja, das riecht nach Garantieschein, aber es ist wichtig. Sprechen Sie es laut aus. Schreiben Sie es auf. Und verinnerlichen Sie es. Versprechen Sie Ihrem Partner, dass Sie ihn nicht verlassen und durch einen der künftigen Außenpartner ersetzen. Diese Sicherheit ist wichtig für ein unbeschwertes Leben in offenen Beziehungen .
Auch wichtig: authentische Gespräche mit Gleichgesinnten und erfahrenen Polys. Suchen Sie diesen Austausch nicht im Internet, sondern im echten Leben. Der Internet-Dialog in Foren und Chats kann bestenfalls als erste Orientierung dienen, aber einen realen Erfahrungsaustausch nicht ersetzen. Das, was in Foren passiert, ist ein Zerrbild der Wirklichkeit. So übertrieben dramatisch, romantisch oder problematisch, wie sich Polyamorie dort darstellt, ist sie gar nicht.
Der Grund für die virtuelle Wortflut ist simpel: Glückliche Paare in Zweier- oder Polybeziehungen verspüren nicht den Drang, ihr Beziehungsmodell am Computer sitzend zu problematisieren und zu diskutieren. Sie sind einfach glücklich, leben in innerer Harmonie, pfeifen auf das, was die Umwelt dazu sagt – und halten die Klappe. Diese Souveränität fehlt manchen Neulingen in offenen Beziehungsformen. Also wird nach Referenzwerten gesucht. Daraus ergibt sich ein enormer Mitteilungsdrang, der bisweilen in diskriminierende Wortwahl ausartet, wie man sich auch auf polyamorie.de anschauen kann, der amtlichen Website zum Thema. Die Abgrenzung von Polys zu Monos erfolgt über eine subtil überhebliche und wertende Sprache. Man gewinnt den Eindruck, hier gehe es nicht um Liebe, sondern um fundamentalistische Politik ...
Ganz wichtig: Trappen Sie nicht in diese Falle! Das permanente Abwerten monogamer Beziehungen hilft Ihnen kein bisschen weiter und ist Ihrer Liebe unwürdig. Konzentrieren Sie sich auf sich und Ihren Partner bzw. diejenigen, die Sie als weitere Beziehungspartner in Erwägung ziehen. Besuchen Sie Diskussionsveranstaltungen, Workshops, Seminare, Stammtische und lernen Sie Gleichgesinnte kennen. Je mehr Sie sich am virtuellen Dialog orientieren, umso mehr entfernen Sie sich von sich selbst – und von der realen Liebe, die Sie für Ihre(n) Partner empfinden.
Dieser Artikel hat 4 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Mono, Poly & Co: Offene Beziehungen für Einsteiger
Seite 2: Leben in polyamoren Netzwerken und offenen Beziehungen
Seite 3: Sie sind neugierig und wollen Ihre Beziehung öffnen?
Seite 4: Eifersucht, Verlustangst und der Mut, Nein zu sagen