GEHÖRT FREMDSEX VERBOTEN?

Eine verführende Frau in Handschellen

Gewagt: Wenn Ehebruch unter Strafe gestellt wird

Fremdgehen ist noch immer Trennungsgrund Nummer 1, viele Paare lassen sich scheiden, weil einer den anderen betrogen hat. Oft bricht für den Betrogenen eine Welt zusammen, das seelische Leid ist immens, Trauer, Wut und Rachewünsche inklusive. Auch die Angst vor Untreue ist bei vielen groß. Wäre das anders, wenn Ehebruch wieder unter Strafe gestellt würde, wie es vor 40 Jahren war oder heute noch in manchen Ländern ist? Meinen Sie, wir sollten Ehetreue per Gesetz verordnen, Fremdgeher abmahnen und Liebesbetrug je nach Schwergrad mit Strafen ahnden? Denken Sie, damit könnten wir eine verlorene moralische Orientierung kompensieren? Und so vielleicht Seitensprünge verhindern?

Ehebruch als Straftat – Kann denn Liebe Strafe sein?

Die Ehe hat nicht nur eine moralische Komponente, sondern ist auch Wirtschaftsgemeinschaft. Und deswegen verursacht Fremdgehen neben dem emotionalen auch einen wirtschaftlichen Schaden. Finden Sie das auch?

Ähnlich sah das wohl ein Deutscher, der 2013 auf der Internetseite der Bundeskanzlerin forderte, Seitensprung-Agenturen müssten verboten werden. Denn die würden unverfroren damit werben, dass man dort einen Partner zum Fremdgehen findet und so auf dem Rücken der Betrogenen auch noch Geld verdienen. Diese Geschäftspraxis sei ein offener Schlag ins Gesicht all derjenigen, denen Treue noch etwas bedeutet – so das polemische Statement. Dem unsere weise Bundeskanzlerin entgegensetzte, es sei nicht ihre Aufgabe, zu beurteilen, ob Internetangebote von Partnervermittlungsagenturen »sittenwidrige« Rechtsgeschäfte seien.

Sind auch Sie der Meinung, Vater Staat sollte sich da mehr einmischen und per Gesetz dafür Sorge tragen, dass Ehen halten und Untreue keine Chance hat? Natürlich kann die moralische Bewertung von Seitensprüngen nicht per definitionem in den Aufgabenbereich von Bundeskanzlerin Merkel fallen. Dass sie in ihrer Funktion als Staatsoberhaupt aber Sanktionen für die Gemeinschaft schädigendes Liebesverhalten erlässt, ist gar nicht mal so abwegig. In anderen Ländern ist das etwa so, gerade in muslimisch geprägten Staaten gilt Ehebruch als gesetzeswidrig. Vielleicht wäre es ja auch in unseren Kulturkreisen hilfreich, wenn es verbindliche Regeln für das Liebesleben gebe, an dem wir uns orientieren könnten – haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?

Wenn etwa der Umgang mit Ehebruch ganz klar durch den Gesetzgeber unter Strafe gestellt würde, dann...ja, was denn dann? Würde eine Bestrafung des Fremdgehers die Chancen erhöhen, dass ein Paar die Untreuekrise besser bewältigt? Wäre damit der Weg geebnet für einen liebestechnischen Reset? Und könnte etwa ein betrogener Ehemann seiner fremdgegangenen Frau vergeben, weil sie ja dafür offiziell bestraft wird? Oder würde das Paar in friedlichem Einvernehmen ohne Rosenkrieg auseinandergehen, weil der Gerechtigkeit Genüge getan wurde?

Kann man Treue gesetzlich vorordnen?

Geht das denn überhaupt, Treue zum Gesetzesinhalt zu machen? Die meisten Paare heiraten heutzutage, weil sie sich lieben und glücklich sind im Augenblick der Eheschließung. Meist ist dann auch die Leidenschaft am größten und der Sex am schönsten. Und so soll das weitergehen bis ins hohe Alter, so der Wunschtraum vieler Paare. Reinreden lassen wollen wir uns da möglichst wenig, schon gar nicht vom Gesetzgeber.

Mit den Jahren allerdings schwindet die Verliebtheit, die Lust lässt gewaltig nach. Buchcover: Das Geheimnis der Treue von Wolfgang Krüger Umfragen zufolge ist jeder Dritte in einer festen Beziehung unzufrieden mit seinem Liebesleben, schreibt Wolfgang Krüger in Das Geheimnis der Treue.

Buchcover: Schattenliebe von Gerti Senger Gerti Senger sieht in der nachlassenden sexuellen Aktivität von Paaren einen wesentlichen Grund für Untreue: Wenn die sexuelle Leidenschaft in einer festen Partnerschaft mit der Zeit zum Erliegen komme, werden andere Personen reizvoller. In Schattenliebe schreibt sie, die sexuelle Triebkraft und das Verlangen seien nur im ersten Jahr einer Beziehung konstant hoch. Danach gehe es mit der Libido kontinuierlich bergab. Spätestens ab dem 9. Beziehungsjahr beim Mann, ab dem 10. Beziehungsjahr bei der Frau.

Dass Leidenschaft in langjährigen Partnerschaften mit der Zeit abebbt, scheint also normal zu sein – sehr unterschiedlich ist aber, wie jeder Einzelne damit umgeht. Hinzu kommt, dass jeder von uns andere Bedürfnisse und Begierden hat. Der eine braucht jeden Tag Sex, der andere kann ganz darauf verzichten. Wo sollte unser Gesetzgeber da die Messlatte ansetzen, was als normal klassifizieren und was als unnormal und damit falsch aburteilen? Selbst Liebesfachleute sind sich uneinig, wie sollte man da zu einem allgemein akzeptierten Konsens finden. Gesetzlich verordnete Treue, die vorehelich vertraglich festgelegt wird, würde hier wohl kaum emotionalen Einfluss haben, geschweige denn, unterschiedlichen Sexbedürfnissen Rechnung tragen.

Wer den Schaden hat...

Rein wirtschaftlich betrachtet ist für viele eine Scheidung ein Super-GAU, denn sie verlieren unter Umständen eine Menge. Um hier einigermaßen klare Fronten zu schaffen, gibt es Gesetze zu Unterhalt und Sorgerecht. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann vor dem Ja-Wort auch einen Ehevertrag abschließen, in dem die wichtigsten wirtschaftlichen Dinge verbindlich geklärt sind. Vielleicht sollte ein solcher Ehevertrag per Gesetz verpflichtend sein, dann ist es rein theoretisch egal, ob der Scheidungsgrund später Untreue, Spielsucht oder fortschreitende Sexlangeweile ist.

Aber der emotionale Schaden ist meist größer. Er wird vor allem verursacht durch den oft unsachlichen Umgang der verstrittenen Exliebenden, die sich manchmal regelrecht bekriegen. Die Enttäuschung, der Frust, die Verletztheit – das sind rational kaum greifbare Komponenten, die es auch dem Gesetzgeber schwer machen würden, hier Recht zu sprechen. Denn Ursache dieses Schadens ist oft auch Wut und nicht zuletzt Eitelkeit.

Die Sache mit der Schuld

Nach dem Ehebruch ist auch vor der Schuldfrage: Laut Gerti Senger enden 66,4 % der Dreieckskonstellationen mit einer Scheidung, in zwei Dritteln der Fälle sei der betrogene Partner der Verlierer, schreibt sie in Schattenliebe. Aber menschlich gesehen ist der Betrogene oft so etwas wie ein Gewinner, weil er zumindest das moralische Recht auf seiner Seite hat.

Buchcover: Ohrfeige für die Seele von Bärbel Wardetzki Denn nach gängiger Denkart hat der Schuld auf sich geladen, der etwas getan hat, nämlich fremdgegangen ist. Der andere ist Opfer – und leidet in der Regel mehr oder vielmehr: berechtigter. Wenn eine Beziehung zerbricht, an der wir noch hängen, ist das sowieso eine große Kränkungen, die uns in der Partnerschaft widerfahren können. Das schreibt Bärbel Wardetzki in Ohrfeige für die Seele. Mögliche Reaktionen auf die Untreue seien neben Verletzung und Scham auch Gefühle von Wut und Rache, meint die Psychologin.

Der Wunsch nach Wiedergutmachung ist bei einem durch Fremdgehen gekränkten Menschen häufig vorhanden. Diese Kränkungswut würde das bestehende Problem allerdings nicht lösen, sondern die Beziehung zum anderen zerstören und zwar bisweilen sogar vorsätzlich – wobei wir unter Umständen bei einem anderen Straftatbestand wären.

Das Bedürfnis nach Genugtuung ist sehr verständlich und überaus menschlich. Aber eine emotionale Aufrechnung ist eigentlich unmöglich. Wenn Ehebrecher offiziell bestraft werden würden, wäre das ebenso wenig eine Lösung wie Vorwürfe und Schuldzuweisungen.

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Die Sache mit der Rache

Buchcover: Wenn Liebe fremdgeht von Ulrich Clement Genauso kontraproduktiv wirkt sich Rache aus. Eine Betrugssituation ist für den Betrogenen häufig ein Schreckensszenario, das gewaltige Gefühle freisetzt. Etwa Angst, wie Ulrich Clement in Wenn Liebe fremdgeht ausführt. Angst mache defensiv, schreibt der Paartherapeut. Die Schuld zum Beispiel, die der Betrogene beim anderen sieht, könne in seinem elementaren Rechtsempfinden zu der Überzeugung führen, dass der andere Rache verdiene.

Buchcover: Lob der Vernunftehe; Autor Arnold Retzer. Man möchte Gleiches mit Gleichem vergelten und sich revanchieren für den Schmerz, den der andere einem zugefügt hat. Was käme da gelegener, als eine Gesetzeslage, die Ehebruch unter Strafe stellt? Da wären wir auch bei der Frage nach der Gerechtigkeit. Die gebe es in Partnerschaften nicht, behauptet Arnold Retzer. Wir seien immer weniger bereit, Ungerechtigkeit zu akzeptieren und erlittenes Unrecht zu ertragen, schreibt er in Lob der Vernunftehe. Wir erwarten gerade in Liebesbeziehungen, dass wir entschädigt werden.

Aber auch wenn wir das gerne hätten, in Situationen, die schmerzhaft als Unrecht erlebt werden, gebe es meist eben keinen festgelegten Maßstab. Was kostet etwa eine Affäre? Kann man den Preis für ein außereheliches Verhältnis beziffern, in welcher Währung wird bezahlt? Rache sei zwar von jeher ein Versuch zur Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit, schreibt Retzer. Allerdings stehe auch hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: Wie viel und welche Rache ist angemessen nach einem Seitensprung?

Überhaupt ist Rache nicht gut. Sondern führt eher zu einer Eskalation. Denn damit wird nur Vergeltung geübt, die Ursachen für den Seitensprung und die Zerrüttung in der Partnerschaft bleiben außen vor. Damit ist dann oberflächlich der Schaden vielleicht behoben, aber der Riss geht in der Tiefe weiter. Und damit ist die Möglichkeit einer Versöhnung und der gemeinsamen Aufarbeitung der Untreue eigentlich ausgeschlossen.

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Der Ehebruch früher: Als Gesetze noch geholfen haben

Wie heikel das Thema ist, zeigt auch die historische Entwicklung, die die Institution Ehe durchlaufen hat. Heute schwebt den meisten von uns doch das Ideal einer gleichberechtigten Liebes- und Lebensgemeinschaft auf Augenhöhe vor.

Das war nicht immer so, früher waren Ehen ökonomische Zweckgemeinschaften, von Liebe war selten die Rede. Denn die Ehe sollte nicht tiefe Liebesgefühle besiegeln, sondern hatte vor allem eine gesellschaftliche Ordnungs- und Schutzfunktion und diente ökonomischen Zwecken. Auch der Staat hatte ein übergeordnetes Interesse daran, dass Ehen hielten und im Falle der Trennung sauber, also möglichst gerecht geschieden wurden.

Dafür gab es eine Reihe von Ehegesetzen – nicht in grauen Vorzeiten, sondern noch bis in die Siebziger Jahre hinein. Bis dahin galt die Ehe als besonders bewahrens- und strafrechtlich schützenswert, sie basierte auf einem Vertrag auf Lebenszeit, dem ein Verhaltenskodex zugrunde lag. Heiraten hieß, eine Entscheidung fürs Leben zu treffen. Denn die Auflösung einer Ehe war nur unter bestimmten Umständen möglich. Eine klare Sache also? Mitnichten, wenn man sich das mal genauer ansieht.

Sexpflicht und Eheverfehlungen

Sichwort »eheliche Pflichterfüllung«: Sex musste sein. Und zwar teilnehmender Sex, wie aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 1966 hervorging. Dort etwa wurde engagierter ehelicher Beischlaf als Voraussetzung zum Erhalt der Ehe aufgeführt. Wer Sex nur so über sich ergehen ließ, kam seinen ehelichen Pflichten nicht genügend nach und machte sich zwar nicht gleich strafbar, aber war doch vertragsbrüchig im weitesten Sinne.

Sex in der Ehe hatte ohnehin eine Sonderstellung: Wenn ein Mann seine Ehefrau zum Sex nötigte, war das vor 1997 kein Straftatbestand. Bis dahin wurde Vergewaltigung nämlich als außerehelich definiert, weil sie eheintern in das Pflichterfüllungsraster fiel. Erst 1997 wurde Vergewaltigung in der Ehe ausdrücklich unter Strafe gestellt.
Bis 1976 konnte ein Ehegatte die Scheidung fordern, wenn der andere die Ehe gebrochen hatte – allerdings nur, wenn er dem Ehebruch nicht zugestimmt, ihn ermöglicht oder erleichtert hatte – was auch immer darunter genau zu verstehen war. Eine Scheidung war damals nur drin, wenn eine schwere Eheverfehlung vorlag oder einer der Partner die Ehe durch ehrloses oder unsittliches Verhalten so zerrüttet hatte, dass sie nicht mehr zu kitten war. Einer musste dann schuld sein..

Heute ist Ehebruch juristisch gesehen eine Verletzung der aus der Ehe folgenden Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft – strafrechtliche Folgen hat das nicht. Bis 1969 konnte ein Seitensprung als Vergehen aber noch mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. Und bis 1976 war gesetzlich untersagt, dass der Ehebrecher seinen Seitensprung heiraten konnte – wenn dieser Grund der Scheidung war.

Diese Beispiele zeigen, dass die Ehe gesetzlich früher einen Sonderstatus hatte – was eine Partnerschaft vielleicht von außen betrachtet vor Beziehungsunbill bewahrte, sie aber sicherlich nicht automatisch glücklicher machte. Wünschen wir uns diese Zeiten wirklich zurück?

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Wenn der Ehebruch wieder unter Strafe gestellt würde: Die 8 größten Herausforderungen

Mal abgesehen davon, dass es zum Glück in einem freien Land nicht möglich ist, Gesetze nach Gutdünken und subjektiven Bedürfnissen zu erlassen, sollten diese ja vor allem der Gerechtigkeit dienen. Und ob der Genüge getan sein würde, wenn wir Ehebruch wieder ins Strafegesetzbuch aufnehmen wie anno dazumal, sei mal dahingestellt.

Ohnehin bleibt die Frage, was mit der Bestrafung bewirkt werden kann und soll: Läuterung des Fremdgehers, Wiedergutmachung, Eherettung, Buße? Sollte ein deratiges Gesetz die Ehe als Insitution schützen oder das Liebesglück der Partner sicherstellen? Vermutlich würde es generell zu einer Verschiebung führen, etwa weil die sexuellen Bedürfnisse der Menschen ja kaum per Gesetz beseitigt werden könnten.

Ein Blick in anderer Länder Sitten belegt: Wenn Ehebruch strafbar ist, hat das auch massive Folgen. So nehmen beispielsweise Vergewaltigungsvorwürfe von Frauen zu, die in flagranti ertappt wurden. Die Prostitution expandiert, da vertrauenswürdige ledige Sexualpartner rar sind. Und je nach Kultur kommt es zu tendenziöser Rechtssprechung: Auf den Philippinen etwa sperrt man vorwiegend Frauen wegen Ehebruchs ein, da die Gerichte in Männerhand sind. Und in manchen Ländern ist die Steinigung von Ehebrecherinnen noch gang und gäbe – man sieht, welche Konsequenzen Ehebruchgesetze haben können.

Überhaupt wäre das hierzulande ein sehr gewagtes Unterfangen. Wir haben mal die 8 größten Herausforderungen unter die Lupe genommen:

Herausforderung Nummer 1: Wie definiert man Ehebruch?

Buchcover: Das Geheimnis der Treue von Wolfgang Krüger Wo fängt Ehebruch eigentlich an: Ist ein heißer Flirt schon Betrug oder beginnt Fremdgehen erst mit Körperkontakt? Hier gehen nicht nur emotional die Meinungen auseinander, auch juristisch wäre das knifflig. Denn um Ehebruch unter Gesetzesobhut zu stellen, bedarf es erstmal einer Definition und dazu braucht man einigermaßen objektive Kriterien. Dabei ist Untreue Ansichtssache. Wolfgang Krüger fand beispielsweise in Interviews heraus, dass für 85 Prozent der Befragten die Untreue mit einem Kuss auf den Mund beginne, für 90 Prozent bei heimlichen SMS-Botschaften. Andere hielten schon zarte Berührungen und tiefe Blicke für Fremdgehen, schreibt Krüger in Das Geheimnis der Treue.

Da wären wir schon beim Wesentlichen: Wer will allgemein gültige Maßstäbe für Ehebruch festlegen? Zumal für manche Menschen ein Flirt nicht der Rede wert ist, anderen aber einen gewaltigen Stich ins Herz versetzt – und das auch innerhalb ein und derselben Partnerschaft. Und es gibt ja auch Menschen, denen Treue nichts bedeutet, und die der Monogamie per se einen geringen Wert beimessen. Schon bei der Definiton wird’s also problematisch.

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Herausforderung Nummer 2: Welche Strafe verdient welches Liebesdelikt?

Schwierig weiter geht’s mit dem Strafmaß: Sollte ein erotischer Blickwechsel abgemahnt werden, außereheliches Knutschen eine Ordnungsstrafe nach sich ziehen und Ehebruch als Straftat geahndet werden, beim ersten Mal auf Bewährung, beim zweiten Mal womöglich ohne? Wer einen Bußgeldkatalog für Liebesvergehen entwerfen sollte, käme schnell an Grenzen. Ein Seitensprung – wie auch immer er geartet sein mag – wird von verschiedenen Menschen als unterschiedlich schwerwiegend wahrgenommen. Wer will denn da beurteilen, welche Strafe wann angemessen ist?

Die Schmerzgrenze ist ja auch bei jedem Menschen anders, wonach sollte man hier gehen. Nach Quantität (wie oft wurde betrogen) oder Qualität (wie intensiv war die Affäre)?

Herausforderung Nummer 3: Kann man Ehesex verordnen und außerehelichen Sex bestrafen?

Das eine zieht ja auch anderes nach: Würden wir außerehelichen Sex gesetzlich verbieten, hieße das im Umkehrschluss: Sex in der Ehe ist eine Pflicht, der man sich nicht entziehen kann. So war es ja vor einigen Jahrzehnten, wo eheliche Pflichterfüllung quasi vorgeschrieben war. Konkret würde das bei Neueinführung eines entsprechenden Gesetzes bedeuten, Erotik und Begehren hätten ihren Platz einzig und allein innerhalb der Ehe – außerhalb wären sie gesetzeswidrig. Wenn dann die Partner unterschiedliche Gelüste hätten, ihre Libido anders ausgeprägt wäre oder sie womöglich erotische Vorlieben hätten, die der andere nicht erfüllen kann oder mag, dann müssten sie Verzicht üben. Denn eine legale Sexalternative zum Ehekoitus gäbe es für sie nicht. Kann das gerecht sein?

Mal abgesehen davon, dass wir hier bei einer entscheidenden Frage landen: Ist Sex das Wichtigste in der Ehe? Wer meint, außerehelicher Sex gehöre bestraft, das Brechen aller anderen Eheversprechen jedoch nicht, der erhebt Sex zum einzig wahren ehelichen Gut, das es besonders zu schützen gilt. Was aber ist mit Loyalität, Respekt, Achtung, Liebe, füreinander Einstehen und gegenseitiger Unterstützung? Müsste man Zuwiderhandlungen gegen diese wichtigen Ehegüter dann nicht auch unter Gesetzesfittiche nehmen? Wer will aber schon solche Aspekte zum Gegenstand des Strafrechts machen!

Eheliches Wohlverhalten ist doch weit mehr als nur Sex. Ausgerechnet Fremdsex bestrafen zu wollen, ohne die anderen Fundamente des Ehelebens bzw. deren Fehlen einer Bewertung zu unterziehen, würde der Liebe in keinster Weise gerecht werden.

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Herausforderung Nummer 4: Wer ist denn nun der Täter?

Und da wären wir bei einem anderen Kernproblem: Wer ist denn eigentlich schuld, wenn einer fremdgeht? Hat nicht womöglich auch der Betrogene etwas verbrochen und seinen Teil dazu beigetragen, dass die Untreue zustande kam? Kann man hier astrein zwischen Täter (Ehebrecher) und Opfer (Betrogenem) unterscheiden? Wenn dem so sein sollte, greift womöglich ein strafrechtliches Grundprinzip: Wir haben ein Täterstrafrecht, was bedeutet, dass auch die Tatumstände entscheidend sind.

Frau verweigert ihrem Ehemann des Sex Was ist denn etwa mit einem Mann, der jahrelang von seiner Frau gedemütigt wird, die ihn mit Sexverweigerung tyrannisiert, und der sich dann anderweitig verliebt? Ist er schuldig im Sinne der Anklage, wenn er seinen Gefühlen folgt, auf seine innersten Bedürfnisse hört und sich selbst treu bleibt, indem er fremdgeht? Oder kommt in diesem Fall nicht auch der Frau eine tragende Rolle zu, ist sie womöglich der Beihilfe zur Untreuetat schuldig, indem sie Eheglück unmöglich machte?

Strafrechtlich gesehen müssten hier beide Positionen gewichtet werden – in jedem Fall wäre es zu einfach, einen der Partner als Täter zu brandmarken, ohne die genaueren Untreueumstände zu beachten. Dabei ist auch die Beweislage eine recht prekäre Angelegenheit: Werden Liebes-SMS als Beweismittel erlaubt? Ist eine verdächtige Kreditkartenabrechnung Indiz oder genügt der bloße Verdacht, um jemanden als Täter zu entlarven?

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Herausforderung Nummer 5: Strafmilderung, wenn der Partner zur Belastung wird?

Und wenn wir schon bei den näheren Umständen sind: Was ist eigentlich, wenn ein Partner sich im Laufe der Zeit zum »Monster« entwickelt und dadurch die Ehe zur Hölle macht? Wirkt das dann strafmildernd für den Ehebrecher? Oder sollte dann nicht auch das gleich mal unter Strafe gestellt werden?

Oder auch wenn ein Ehepartner ein Suchtproblem hat – dem Alkohol verfällt oder spielsüchtig wird und damit die Grundsätze der ehelichen Gemeinschaft verletzt beziehungsweise zu einer unzumutbaren Belastung wird? Im Strafrecht gibt es strafmildernde Gründe, etwa, wenn jemand krank ist oder zum Zeitpunkt der Tat besonderen Zwängen ausgesetzt war – das müsste dann ja auch hier greifen. Zumal es unvorhersehbare Entwicklungen gibt, die keiner der Partner beabsichtigt. Wenn etwa einer seine Neigung zur Homosexualität entdeckt oder bisexuelle Gelüste entwickelt, die der andere weder nachvollziehen noch tolerieren kann.

Können wir jemanden wegen seiner Gefühle verurteilen? Wir müssten es tun, wenn wir das gesetzlich regeln wollten – dann könnte die Schwere der Untreuetat nach den Umständen eingestuft werden. Aber das liefe auf eine wahre Herkulesarbeit hinaus.

Herausforderung Nummer 6: Nur in der Ehe – bei wem findet das Gesetz Anwendung?

Überhaupt: Wir sprechen hier über Ehe-bruch – aber was ist mit allen anderen eheähnlichen Verhältnissen? Etwa mit homosexuellen Langzeitbeziehungen oder eingetragenen Lebenspartnerschaften? Früher galt die wilde Ehe als sittenwidrig, heute haben sich viele Formen des Zusammenlebens ohne Trauschein etabliert. Da fragt sich doch, auf wen ein neues Ehebruchgesetz überhaupt anwendbar sein würde.

Können nur offiziell beglaubigte Eheleute vor Gericht zitiert werden, wenn sie fremdgegangen sind? Ist man dann nicht fein heraus, wenn man einfach erst gar nicht heiratet? Denn der heilige Bund der Ehe bekäme dann eine ganz besondere Bedeutung. Wer ihn eingeht, muss sich das vorher wirklich reiflich überlegen – weil er sich strafbar macht, wenn er aus welchen Gründen auch immer die Prinzipien des Ehepaktes verletzt.

Zudem heißt es ja: Wo kein Kläger, da keine Klage. Wer würde eigentlich dafür sorgen, dass die Rechtsprechung überhaupt zum Zuge kommt? Erlässt der Gesetzgeber gewisse Vorschriften, dann hat er ein Interesse daran, diese durchzusetzen – könnte dann etwa der neugierige Nachbar eine Affäre anzeigen? Gäbe es eine Ehepolizei? Könnten sich Eheleute gegenseitig mit Anzeigen drohen? Man mag sich gar nicht ausdenken, was das für Folgen haben könnte...

Herausforderung Nummer 7: Wann ist ein Fremdgeher eigentlich zurechnungsfähig?

Wer liebt, hat recht – grundsätzlich gestehen wir der Liebe als fundamentalem Gefühl eine ziemliche Macht zu. Viele Fremdgeher trifft es aus heiterem Himmel, meist gibt es eine Vielzahl von Motiven fürs Liebesaffären – einige davon sind sogar ansatzweise als pathologisch einzustufen.

Liebesformel Menschen etwa mit einer narzisstischen Störung können mitunter gar nicht anders, als sich sexuelle Bestätigung von Dritten zu holen, auch wenn sie in einer halbwegs glücklichen Ehe leben. Auch Sexsucht treibt Menschen manchmal in die Untreue, ohne dass sie es steuern können. Sind solche Fremdgeher dann als unzurechnungsfähig einzustufen? Kann man ihnen die Ehebetrugstat gar nicht anlasten, weil sie nichts dafür können?

Und überhaupt: Ist nicht jeder, der liebt, ein bisschen unzurechnungsfähig? Neurobiologische Forschungen etwa belegen, dass das Gehirn eines frisch Verliebten ähnliche Strukturen aufweist, wie das eines Drogenabhängigen. Man überlege mal, welche Folgen das in Ehebruchprozessen hätte – die Anwälte würden mit neurobiologischen Erklärungen kommen, und sich Gutachten zur emotionalen Zurechnungsfähigkeit ihrer Mandanten um die Ohren hauen, um deren Schuldunfähigkeit angesichts der Macht der Liebe nachzuweisen.

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Herausforderung Nummer 8: Gute Prävention – können Strafandrohungen Untreue verhindern?

Seitensprung-Agenturen gehören verboten – die eingangs beschriebene Anregung ist wohl dem Bedürfnis danach entsprungen, Fremdgehen nicht so leicht möglich zu machen. Klare Verbote gleich Klarheit? Das ist hier die Frage: Wenn etwa Fremdgehen bei Strafe untersagt wird, wird Untreue dann ausgemerzt und Fremdgehen im Vorfeld vereitelt?

Bei anderen Delikten mag die abschreckende Wirkung der Strafe vielleicht greifen. Aber in Liebesdingen? Untreue gibt es seit Urzeiten, alle Versuche, den Menschen zur lebenslangen Monogamie zu erziehen, sind irgendwie fehlgeschlagen – wie sollte das heute unter Wiedereinführung des gesetzlichen Zwanges gehen?

Mal abgesehen davon, dass Seitensprünge oft passieren, ohne dass wir rational Pro und Contra abwägen und uns die Folgen ausmalen. Gesetze würden hier sicherlich nicht immer eine präventive Wirkung haben – wer denkt schon bei erotischen Höhepunkten daran, was ihm später gesetzlich blüht? Wenn selbst Liebe zum Partner, der Glaube an die Treue, Haus, Hof und Kinder Menschen nicht davon abhalten, fremdzugehen, wie sollte das dann ein Gesetz können?!

Fazit: Warum der Ehebruch nicht unter Strafe gestellt werden darf

Der langen Rede kurzer Sinn: Gut, dass es keine gesetzlichen Strafen mehr für Ehebruch gibt. Es ist schier ein Ding der Unmöglichkeit, in Liebesangelegenheiten Recht zu sprechen.

So berechtigt der Wunsch nach Rache und Vergeltung auch sein mag: Eine Lösung der Probleme kann das nie sein. Schon gar nicht, wenn eine übergeordnete Instanz hier das Ruder übernimmt. Ohnehin ist das, was sich Betrogene im Grunde ihres Herzens oft wünschen, nicht mehr und nicht weniger, als dass der Staat ihre eigenen Rachegelüste stellvertretend vollstreckt. Der Staat als Handlanger ehelicher Vergeltungsschläge – gar nicht auszudenken, wo wir da hinkämen.

Der Gesetzgeber tut gut daran, sich aus diesen Dingen weitestgehend herauszuhalten. Denn auch die Rechtsprechung kann uns Liebesleid kaum ersparen. Es darf nicht Aufgabe des Staates sein, dafür zu sorgen, dass zwei erwachsene Menschen sich in der Ehe vollständig absichern. Gesetzliche Richtlinien: ja, Zwang zur ehelichen Treue: nein. Wie Menschen ihr Liebesleben gestalten, ist Privatsache und sollte es auch bleiben. Denn das gehört zu unserer Freiheit, einem der höchsten Güter überhaupt. Jeder kann und muss sich ohne gesetzlichen Druck entscheiden – für oder gegen Treue.

Staatlich verordnete Monogamie würde uns zu unmündigen Liebenden machen, die sich auf Gesetze berufen, wenn sie nicht mehr weiter wissen – anstelle vielleicht die Ursachen der Partnerschaftskonflikte zu erforschen. Wer sich auf Vater Staat auch bei einer so intimen Sache wie der Ehe voll und ganz verlassen möchte, der ist womöglich gar nicht reif für eine Ehe. Partnerschaftsprobleme sind kein Fall für Richter, sondern vielmehr für Psychologen und Paartherapeuten, und zwar jenseits juristischer Maßgaben.

Amors Pfeil trifft ins Schwarze Liebe folgt nämlich keinen klaren Gesetzen: Wir können in Beziehungen wie überhaupt im Leben nicht alles absichern. Eine Garantie gibt es für Partnerschaften nicht. In der Liebe herrscht glücklicherweise Freiheit und in gewisser Weise ein bisschen Anarchie – das Gesetzbuch hat da keinen Platz. Und das ist auch gut so. Und mit einem kleinen Seitenblick auf die Mythologie: Überlassen wir die Liebe mit ihren Facetten doch denen, die wirklich etwas davon verstehen – Amor und Eros höchstpersönlich, deren Pfeile unser komplettes Leben umkrempeln können, auch Ihres.



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