Unerfülltes Verlangen und heimliche Sehnsüchte sind sehr mächtige Inspirationen für große Gefühle. Und mal ganz ehrlich, die tun richtig gut. Wer sich in seiner Ehe unverstanden fühlt oder sexuell unbefriedigt ist, ist potenziell empfänglich für eine Affaire. Weshalb sich viele Fremdgänger nach eigener Aussage plötzlich wie neu geboren fühlen. Der Affairenpartner wird zur Projektionsfläche für alles, was in der Ehe fehlt. Dabei steht nicht unbedingt der Sex an erster Stelle. Sondern reden, lachen, kuscheln, albern sein, spontan sein, unvernünftig sein. Mal nicht die Rolle spielen müssen, auf die man sich als Ehepartner stillschweigend geeinigt hat.
Leider schießen viele Fremdgänger dabei über’s Ziel hinaus und bauschen die Affaire zu etwas auf, das sie nicht ist. Plötzlich ist von Liebe die Rede, und das Drama ist vorprogrammiert. Dieser zugegeben wunderschöne Gefühlsflash hat weniger mit echter Zuneigung zu tun, als mit dem emotionalen Kick und der Heimlichkeit. Da ist das Gefühl, etwas exklusives, tolles zu leben. Das Gefühl »jetzt bin ich endlich mal wieder dran«. Es tut einfach gut, nach Monaten oder Jahren einer eher unbefriedigenden Ehe mal wieder große Emotionen, großes Drama spüren zu dürfen. Auch das ist menschlich, bringt Sie aber nicht weiter – außer in Richtung Katastrophe. Denn je länger so etwas nebenher läuft, umso größer der Knall. Und der kommt in der Regel immer.
Natürlich heißt das nicht, dass jeder unglückliche Ehemann automatisch eine Geliebte hat. Immerhin gibt es ja noch die Variante der Beziehungsarbeit. Oder, wenn gar nichts mehr geht, einer fairen Trennung.
Affairen-begünstigend wirkt sich übrigens ein erkaltetes, desinteressiertes Kommunikationsklima aus. Hand aufs Herz: Wann haben Sie sich mit Ihrem Partner zuletzt über Ihre ganz privaten Gedanken und Sehnsüchte ausgetauscht? Weiß er, wie es Ihnen gerade geht? Und umgekehrt? Sind Sie noch auf der selben Wellenlänge? Oder hat der Alltag mit seinen eher unromantischen Verpflichtungen die Oberhand gewonnen?
Affairen und Seitensprünge sind Symptome, aber...
...nicht unbedingt für den Zustand einer Ehe! Sondern für das persönliche, private Empfinden des Betreffenden. Ein Seitensprung ist sozusagen eine massiv formulierte Ich-Botschaft mit Ausrufezeichen. Zum Beispiel:- Ich bin der spontanen Lust erlegen, Gefühle waren keine im Spiel
- Ich will mehr Sex
- Ich fühle mich in meiner Beziehung ignoriert
- Ich brauche Selbstbestätigung durch Außenpartner
- Ich war schon lange scharf auf ihn/sie, es musste einfach sein
- Ich habe mich neu verliebt
Wobei der letzte Punkt ein ernstes Gespräch unumgänglich macht und nicht so richtig in diese Reihe passt. Hier ist die Affäre kein Symptom für Ihre Beziehung, sondern der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Wenn Sie sich wirklich verliebt haben, ändert das alles. Ihr Partner muss das wissen. Soviel Fairness schulden Sie ihm. Eine heimliche Affaire, womöglich über längere Zeit, frisst sich in das Paargefüge und untergräbt es. Das sollten Sie sich und Ihrem Partner nicht antun.
Punkt 1 ist, wie bereits festgestellt, am unkompliziertesten. Hier kommt es lediglich drauf an, was zwischen den Partnern vereinbart wurde. Absolute Offenheit, auch beim harmlosen One-Night-Stand, oder eher »was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß«.
Wenn Sie darüber sprechen, seien Sie nicht zu streng mit sich und Ihrem Partner. Nochmal: Es ist menschlich, mal die Kontrolle zu verlieren. Stehen Sie dazu, bemühen Sie keine Rechtfertigungen. Ihre Selbstbeherrschung hat Grenzen, das ist wirklich keine Schande.
Bei allen anderen Punkten handelt es sich um Paarthemen. Hier ist der Seitensprung ein Hinweis auf ein bisher unbewältigtes Beziehungsdefizit. Sprechen Sie darüber. Wie schon öfter an dieser Stelle erwähnt, kann ein gebeichteter Seitensprung unter Umständen ein überfälliger Wake-up-Call und der Beginn einer guten partnerschaftlichen Kommunikation sein. Und im Idealfall auch eine Wiederbelebung des ehelichen Sexlebens. Genau um diese Chance betrügen sich Eheleute, welche das Heimlichkeitsmodell bevorzugen.
Die Antwort auf unsere anfangs gestellte Frage muss also lauten: Jein. Nicht jeder, der in seiner Ehe unglücklich ist, geht automatisch fremd. Und nicht jeder Seitenspringer ist unglücklich liiert. Umgekehrt schützt auch eine glückliche Beziehung nicht vor dem Schwachwerden angesichts einer lustvollen Versuchung.
Zu behaupten, man könne sich allein durch das Vorhandensein eines Seitensprungs ein Urteil über die Qualität einer Partnerschaft bilden, ist also blanker Unsinn.
Dieser Artikel hat 3 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Sind Affairen ein Symptom für schlechte Beziehungen?
Seite 2: Tarnt sich das Ehefrust-Symptom als Ausrutscher?
Seite 3: Sind unglückliche Eheleute zum Fremdgehen prädestiniert?