Irgendwann nervt selbst der tollste Kerl mit seinem Autofimmel, den ollen Tennissocken und der Art, wie er die Zahnpastatube ausdrückt. Und auch die wildeste Braut sieht nicht mehr superscharf aus, wenn sie stundenlang mit ihrer besten Freundin telefoniert und mit der Gala auf dem Klo sitzt. Schon flaut die erotische Stimmung ab, schon tummeln sich erste Wölkchen am Liebeshimmel.
Wenn die Anfangszeit einer Beziehung die Kür ist, ist die Phase danach die Pflicht. Die Kunst besteht nicht darin, jemanden immer und ewig absolut toll zu finden, sondern auch mit den kleinen und großen Macken des anderen auf Dauer zurechtzukommen – und ihn trotzdem noch zu begehren. Wer jetzt glaubt, Sex sei das A und O einer Beziehung, wird schnell aufgeben. Denn in den meisten Fällen lässt die körperliche Anziehungskraft mit den Jahren nach. Sex gehört zur Liebe dazu, aber als Fundament einer langjährigen Beziehung taugt er nur bedingt. Im Durchschnitt lieben sich Paare 1,5 mal pro Woche, Umfragen zufolge wünschen sich aber 30 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen häufiger intimen Verkehr. Oft klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander, auch in der Liebe sind wir gesteuert von Bildern, Meinungen und den Medien, die einem tagtäglich glückliche, hoch erotische Beziehungen vorgaukeln. Dass Angelina Jolie und Brat Pitt vielleicht nur ab und an ins Liebesnest schlüpfen und Heidi Klum eventuell 3 Wochen im Monat unpässlich ist, mag niemand so recht glauben.
Wieviel Sex eine Beziehung braucht, ist sehr unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. Der Sextrieb des Menschen ist flexibler und dauerhafter als der von Tieren, sagen Sexualforscher. Und die Bandbreite, wie er ausgelebt wird, ist extrem groß. Die Libido ist auch seelischen und äußerlichen Einflüssen unterworfen, zudem ist es utopisch anzunehmen, zwei Menschen könnten stets zur gleichen Zeit im gleichen Erregungszustand sein. Meist haben auch beide Partner verschiedene Bedürfnisse: Der eine mag immer, die andere nur selten. Auf die Häufigkeit sollte es ohnehin nicht ankommen. Wir stehen auch hier viel zu sehr unter Leistungsdruck, bemängeln Sexualforscher. Die meisten von uns glauben, andere hätten mehr Sex als sie selbst, fühlen sich umso schlechter, wenn sie nur zweimal im Monat zum Zug kommen und stellen gleich die Güte ihrer Beziehung in Frage. Dabei machen heiße Nächte noch längst keine gute Beziehung, viel wichtiger ist eine enge Verbundenheit, die jedem Partner genügend Raum für die eigenen Bedürfnisse gibt. Also: Immer locker bleiben, wir müssen nicht ständig Höchstleistungen in Sachen Sex bringen.
Wieviel Liebe braucht Sex?
Und wenn die Bedürfnisse so weit auseinanderklaffen, dass einer leidet? Dann sollte man natürlich zunächst die Beziehung überdenken – vielleicht ist die Sexflaute ja ein Symptom oder gar der Anfang vom Ende. Oft ist die fehlende körperliche Nähe aber einer temporären Unlust geschuldet, gegen die man durchaus nicht machtlos ist. Problem erkannt, Problem gebannt: Wenn man sich wieder mehr Zeit füreinander nimmt, gemeinsam Neues ausprobiert oder einfach anspricht, was einem fehlt, kann man rechtzeitig gegensteuern.Apropos reden: Umfragen zufolge versuchen lediglich 6 Prozent aller deutschen Paare, ihren Sex durch Gespräche zu verbessern. Ein Fehler, behaupten Liebesexperten: Wer über seine Bedürfnisse offen sprechen kann, hat gute Chancen, mehr Freude im Bett zu haben. Und wichtig ist auch, zu begreifen, dass es normal ist, mal mehr, mal weniger Sex zu haben. Und dass es auch hier nicht auf Quantität, sondern auf Qualität ankommt. Es gibt aber auch Beziehungen, in denen die Libido des einen gegen Null tendiert, während der andere immer auf Hochtouren läuft. Manche Paare können damit gut umgehen, ihnen sind andere Dinge in der Beziehung viel wichtiger als schnöden Sex. Oder sie gönnen dem Partner gar einen offenen Seitensprung, weil sie wissen, dass eine dauerhafte Unterdrückung der körperlichen Bedürfnisse der Liebe schaden kann. Und solange es nur um puren Sex geht und keine Gefühle im Spiel sind, kann das durchaus funktionieren. Es soll Zeitgenossen geben, die das strikt trennen können und eine nette Bettgeschichte ganz ohne Verbindlichkeiten zwischendurch mal brauchen. Nicht nur Männer sind damit gemeint, auch die Mähr von der Frau, die Sex ohne Liebe nicht genießen kann, ist längst widerlegt. Allerdings sind hier moralische Vorbehalte durchaus berechtigt, wie weit jemand geht, der in einer festen Beziehung ist, sollte er sorgsam abwägen. Leicht wird nämlich aus dem prickelnden Spiel mit dem Feuer ein verheerender Flächenbrand – zumindest beziehungstechnisch.
Dieser Artikel hat 3 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Abwechslung im Bett: Raus aus der Gewohnheit – rein ins Abenteuer
Seite 2: Wieviel Sex braucht Liebe?
Seite 3: Wo endet der Ausrutscher und wo beginnt der Betrug?