In seinem Buch »Epochenwende « bezeichnet er den westlichen Lebensstil inklusive Partnerwechsel und serieller Monogamie als von Unverbindlichkeit, Flüchtigkeit und ich-bezogener Vorteilssuche geprägt. Was wiederum die Ursache für die Auflösung des Familienbundes sei, und daher sei dieser egoistische Lebensstil die Ursache für die hohe Scheidungsrate. Miegel schlussfolgert, dass seriell monogam lebende Menschen bereits zu Beginn einer Beziehung eine »Exit-Strategie« im Kopf hätten. Mehr noch, er geht davon aus, dass diese Beziehungen oberflächlich seien, weil man sich ja nicht lebenslang aneinander binden wolle, sich ergo auch nicht wahrhaftig und tief aufeinander einlassen könne.
Wow. Also alles Lüge? Wer eine neue Beziehung eingeht und mit diesem Lebensabschnittsgefährten monogam lebt, empfindet gar keine echte Liebe, sondern betreibt nur Beziehungs-Hopping?
Diese Perspektive ist diskriminierend und enthält gleich mehrere Thesen, die sich nicht belegen lassen. Wie tief eine Liebe empfunden wird und wie sie in der Praxis gelebt wird, das können genau zwei Menschen beurteilen: die Beteiligten. Aber gewiss kein Soziologe und Buchautor, der Mutmaßungen anstellt und die lebenslange Ehe als einzig richtige Lebensform propagiert.
Etwas positiver bringt es die »Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie« in ihrem 60. Jahrgang auf den Punkt. Sie bezeichnet das Ziel und den Sinn serieller Monogamie wörtlich als »Maximierung des individuellen Glücks in einer auf Dauer angelegten, qualitativ hochwertigen Beziehung«. In der täglichen Beziehungspraxis bedeutet das, keine faulen Kompromisse um des lieben Friedens Willen einzugehen oder sich durch äußere Zwänge aneinander zu binden. Die Partnerschaft wird als so wertvoll betrachtet, dass sich beide Partner aktiv um ihr individuelles Glücklichsein kümmern, sich Freiheiten zugestehen und sich gegenseitig bei der Selbstverwirklichung unterstützen, statt auszubremsen.
Klingt fast zu schön, um lebbar zu sein. Doch wer sich für eine serielle Monogamie entscheidet, hat genau diesen Wunsch - und erfüllt ihn sich.
Die Freiheit, eine Beziehung zu beenden
Ich möchte nicht länger mit Dir zusammen sein. Ein heftiger Satz. Niemand sagt ihn gerne, schon gar nicht leichtfertig. Doch wenn sich eine Beziehung überlebt hat, oder wenn sich einer von beiden ernsthaft in einen anderen Menschen verliebt, dann bleibt oft nur eben dieses Fazit.Natürlich: Eine Trennung tut weh, hinterlässt häufig einen emotionalen wie materiellen Scherbenhaufen und verändert alles. Dennoch ist sie nicht das Ende der Welt. Für die Partner nicht und auch nicht für die betroffenen Kinder, falls vorhanden. Der Satz »ich kann ohne dich nicht leben« klingt zwar dramatisch, ist aber keine Liebeserklärung, sondern eher eine Drohung. Wenn du mich verlässt, zerstörst du mein Leben/bringe ich mich um/stürzt du eine ganze Familie ins Unglück. All diese erbitterten Vorwürfe meinen im Grunde dasselbe: Klammern an eine Liebe, die nicht mehr existiert.
Eine Trennung ist in diesen Fällen eine faire, respektvolle Lösung für alle Beteiligten. Weil sie in letzter Konsequenz die einzige Möglichkeit ist, für beide den Zustand des Unglücklichseins zu beenden. Wenn man es poetisch betrachten möchte, kann das »Freigeben« des Partners sogar ein letzter Liebesbeweis sein. Eine Beziehung als lieblose Hülle in Erinnerung einer vergangenen Liebe aufrechtzuerhalten, ist eine Lüge und kann mehr Schmerzen verursachen als eine Trennung. Die ja immerhin die Chance birgt, die gescheiterte Beziehung in eine Freundschaft zu verwandeln.
Und die Kritiker, die so gerne mit der Familienkeule wedeln und seriell monogam lebenden Menschen die Zerstörung des klassischen Elternmodells vorwerfen, müssten sich fragen: Welche Werte vermitteln Eltern, die nur um den Schein zu wahren, eine Ehe aufrecht erhalten?
Eine unaufrichtige, gefühllose Beziehungspolitik, die sich bei sensiblen Kindern sogar als Bindungsangst manifestieren kann, wie Familientherapeuten inzwischen wissen. Kinder haben feinere Antennen als Erwachsene. Ein achtjähriges Mädchen weiß nicht, was es bedeutet, wenn ihre Eltern sich anschweigen, sarkastisch anzicken oder einfach nur Eiseskälte verbreiten, wo Zärtlichkeit zu sein hat. Aber es nimmt diese Stimmungen wahr. Fühlt sich eventuell sogar schuldig, weil Mami oder Papi im Nebensatz mal rausrutscht, dass man ja nur »der Kinder wegen« noch zusammen sei. Welches Männer- und Beziehungsbild diese Achtjährige einmal entwickelt, bleibt fraglich. Aber dass Heuchelei und Angst dabei eine große Rolle spielen, ist wahrscheinlich.
Und die Gegenfrage: Wie nehmen Patchwork-Kinder wohl ihre Eltern wahr, wenn sie mit einem neuen Partner oder einer neuer Partnerin glückliche, liebevolle Beziehungen führen?
Vorsicht, Denkfehler im System
Die Mehrheit der Beziehungspsychologen und Statistiker geht im Moment davon aus, dass sich die serielle Monogamie als Fehlschlag für eine intakte Gesellschaft entpuppen wird. Zweit-Ehen werden häufiger geschieden als Erst-Ehen. Paare, die nicht in häuslicher Gemeinschaft leben, trennen sich häufiger als die klassischen Ehepaare und bekommen nur selten Kinder. Kritiker sehen daher in der seriellen Monogamie den Niedergang gesellschaftlicher Kernwerte wie Familie und sozialer Zusammenhalt.Moment, bitte kurz sacken lassen: Ist es wirklich förderlich für eine Gesellschaft, die Verantwortung für’s ureigene Lebensglück einem Partner aufzubürden und von lebenslanger Ehe abhängig zu machen?
Ob Kinderwunsch, Berufswahl, Religionszugehörigkeit oder bevorzugter Wohnort: Die Entscheidung über die eigene Lebensplanung liegt doch bei jedem Einzelnen. Eine moderne Frau, die den Wunsch nach Mutterschaft verspürt, macht diesen nicht von einem Trauschein abhängig. Umgekehrt lässt sich allein durch eine Eheschließung garantiert kein Kinderwunsch in einer Frau wecken, die für sich entschieden hat, niemals Mutter werden zu wollen.
Bevor in einer Partnerschaft diese Dinge thematisiert werden können, muss jeder selbst erst einmal wissen, was er möchte.
Ist also das vehemente Niedermachen der seriellen Monogamie in Wahrheit Pfeifen im dunklen Wald? Weil die fortschreitende Individualisierung und Selbstreflektion, das Recht auf Glück, Liebe und eine harmonische Partnerschaft, ernsthafte Gefahren für verkrustete, diskriminierende oder gar liebesfeindliche Strukturen sein könnten?
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