Fremdgegangen – Wie sage ich es meinem Partner?
Nur ein Drittel der Männer und 25 Prozent der Frauen erfährt vom Seitensprung direkt vom Partner. 44 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen finden selbst heraus, dass der andere fremdgegangen ist. Ist es so schwer, über die Untreue zu sprechen, dass sich die meisten lieber davor drücken?
Nach dem Seitensprung ist guter Rat oft teuer. Fremdgehen ist für die meisten Menschen eine so heikle Angelegenheit, dass sie nur wenige Personen ins Vertrauen ziehen. Und wenn es dann um die Frage geht, ob und wie man beichten sollte, dass man eine Affäre hat(te), fehlen vielen Untreuen die Worte. Zumal wenige Erfahrung mit so etwas haben, denn kaum jemand ist wohl routiniert im Umgang mit Seitensprüngen.
Warum es so schwer ist, über den Betrug zu sprechen
Die Gründe für das Verschweigen sind vielfältig. Klar gibt es darunter auch Fälle, in denen die Motive für die Geheimhaltung niederer Natur sind. Etwa, wenn jemand aus Rache einen Seitensprung einfädelt oder um das eigene Selbstbewusstsein hinter dem Rücken des Partners aufzupolieren. Meist stecken jedoch andere Ursachen dahinter, wenn in einer Beziehung nicht offen über die Untreue gesprochen wird.
- Unsicherheit. Vielleicht sind Sie sich noch nicht sicher, was überhaupt aus der Affäre werden soll. Ehe Sie da schlafende Hunde wecken, halten Sie halt vorerst den Mund.
- Angst. Eventuell haben Sie auch Angst vor der Reaktion Ihres Partners, der sich nach der Beichte womöglich trennen will oder Ihnen den Fauxpas nicht verzeihen kann. Kein Wunder, dass Sie das Bedürfnis verspüren, eine Aussprache möglichst ewig hinauszuzögern.
- Liebe. Ja, auch das ist ein Grund, der ein Geständnis verhindern kann: Sie lieben Ihren Freund und wollen ihm das nicht antun, beziehungsweise ihn mit der Wahrheit verschonen.
- Scham. Es ist passiert und lässt sich nicht rückgängig machen, Ihnen ist es unendlich peinlich, dass Sie in einem Moment der erotischen Bedürftigkeit schwach geworden sind.
- Feigheit. Schön und lustig wird so eine Affärenbeichte gewiss nicht, verständlich, dass Sie am liebsten kneifen würden.
Aber selbst wenn Sie den festen Vorsatz gefasst haben, die Karten auf den Tisch zu legen, stellt sich die Frage: Wie fangen Sie das Gespräch an? Wickeln Sie das im Schlafzimmer kurz vorm Zubettgehen ab oder besser an einem neutralen Ort, wo unschöne Szenen eher unwahrscheinlich sind? Machen Sie's am Telefon, reicht eine SMS als Gesprächsauftakt? Müssen Sie die Katze ganz aus dem Sack lassen, oder sollten Sie mit Informationen über das Wie und Warum geizen?
Und ist es vielleicht nicht sowieso besser, die Untreue klammheimlich unter den Tisch zu kehren, nach dem Motto »Was mein Partner nicht weiß, macht ihn nicht heiß«?
Beichten oder schweigen – das sagen Beziehungsexperten
Da kann es hilfreich sein, bei Psychologen und Paartherapeuten nachzufragen, die von Berufs wegen öfter mit der Materie zu tun haben.
Arnold Retzer, sachkundiger Verfechter der Vernunftehe, plädiert für einen pragmatischen Umgang mit der Untreue. Damit ist auch gemeint, dass ein Seitensprung durchaus als Schadensfall in der Beziehung angesehen werden kann, den man theoretisch zumindest, wiedergutmachen kann. In Lob der Vernunftehe, schreibt Retzer, sei der Schadensfall eingetreten, stelle sich die Frage nach Gerechtigkeit und damit nach einer Art Schadensersatz – wie auch immer der aussehen mag. Es kann auch um Vergeltung gehen: Wenn Sie Ihre Affäre gestehen, ist nicht auszuschließen, dass Ihr Partner zum Gegenschlag ansetzt. Sie sollten also vorab versuchen zu kalkulieren, welchen Preis Sie letztlich für Ihre Offenheit zahlen.
In ihrem Gemeinschaftswerk Treue ist auch keine Lösung fordern die Autoren Lisa Fischbach und Holger Lendt dazu auf, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Dazu gehört, dass Sie sich überlegen, was Sie mit einem Geständnis überhaupt wollen. Damit stehen Sie zwar zu Ihrer Untreue, bürden dem anderen aber auch eine ziemliche Gefühlslast auf. Ratsam ist den Autoren zufolge, erstmal zu überlegen, was die Beichte soll: Gewissenserleichterung oder reinen Tisch machen? Ersteres führt vermutlich zu Beziehungsturbulenzen, wirkliches Verzeihen ist ziemlich schwer. Letzteres dagegen zieht auch viele Komplikationen nach sich, vor allem, wenn Sie Ihre Beziehung nicht beenden wollen.
Warum wollen Sie beichten? Robert Betz rät zu Bedachtsamkeit: Treiben Sie Schuldgefühle dazu, den Fehltritt Ihrem Partner zu gestehen, schreibt der Motivationscoach in Wahre Liebe lässt frei, sei das oft der unbewusste Wunsch, sich zu entlasten. Dafür belasten Sie dann Ihren Partner. Und verletzten ihn. Betz meint, es lohne sich, zu überlegen, wie viel Wahrheit Sie Ihrem Partner zumuten wollen und können.
War der Seitensprung unbedeutend und ist er beendet? Dann plädiert Wolfgang Krüger für Schweigen. In seinem Buch Das Geheimnis der Treue schreibt er, eine Beichte könne zwar für beide Partner eine Entlastung sein, z. B. wenn der Betrogene schon lange etwas geahnt hat und den Fremdgeher sein schlechtes Gewissen quält. Die Frage sei aber, ob eine Beichte grundsätzlich sinnvoll sei und was genau dadurch gewonnen werde. Krüger rät, sich erstmal drei Fragen zu stellen: Warum wollen Sie beichten? Möchten Sie Ihren Partner vor möglichen Gefahren wie etwa AIDS warnen? Oder wollen Sie damit eigentlich eine Trennung provozieren? Laut Krüger sollten Sie sich darüber klar werden, welche Bedeutung der Seitensprung hat – und dann überlegen, ob eine Beichte sinnvoll ist.
Ulrich Clement, renommierter Paar- und Sexualtherapeut, weiß, wie zerrissen untreue Menschen sind zwischen Schuldgefühlen und Leidenschaft. Darum rät er in sienem Buch Wenn Liebe fremdgeht zu einem bedachtsamen Umgang mit Affären – was ihm zufolge auch Verschweigen bedeuten kann. Sie sollten sich erstmal fragen, ob Sie mit Ihrem Partner zusammenbleiben oder ob Sie sich wegen Ihrer Affäre trennen wollen. Sobald Sie Ihrem Partner den Seitensprung gestehen, gibt es kein Zurück mehr. Eine ehrliche Beichte kann mehr zerstören als man denkt, schreibt Clement. Er empfiehlt: Wägen Sie vor einem Geständnis ab, was dieses Ihnen (und Ihrem Partner) bringt. War Ihre Affäre ein unbedeutender Ausrutscher, dann behalten Sie das besser für sich. Würdevoll zu lügen, so Clement, kann besser sein als brutal zu gestehen. Wenn Sie allerdings den Seitensprung als Absprungoption aus der Beziehung betrachten oder selbst mit dem Vertrauensbruch nicht leben können, kann eine respektvolle Beichte nötig sein, um für klare Fronten zu sorgen.
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Wie sag ich's meinem Partner: Tipps für konstruktive Gespräche
Aber wie geht das, eine respektvolle Seitensprung-Beichte? Wie bringt man dem Partner, den man noch liebt, bei, dass man ihn betrogen hat, ohne dass der andere verzweifelt? Gibt es eine elegante Art, einen Seitensprung zu gestehen? Um es kurz zu machen: Nein. Es gibt beim Beichten kein Richtig und Falsch, denn auch das ist von beiden Beteiligten abhängig.
Wenn eine Affäre rauskommt und Sie darüber mit Ihrem Partner sprechen, ist Ihre Beziehungswelt zunächst einmal aus den Fugen. Vorbei ist es dann nämlich mit der Unschuld, schreibt Ulrich Clement, Sie können Ihre Untreue nicht mehr ungeschehen machen. Sie müssen den Tatsachen ins Auge sehen und Verantwortung übernehmen für das, was geschehen ist. Alles weitere können Sie erstmal nicht absehen. Ein paar Verhaltensregeln könnten Ihnen die Sache aber etwas einfacher machen:
Seitensprung beichten – 6 Dinge, die Sie dabei vermeiden sollten
- Per Handy gestehen: »Sorry, hab dich betrogen« – auch wenn eine solche SMS erstmal verdammt bequem erscheint, ist sie absolut undenkbar. Natürlich verschafft Ihnen das erstmal eine Art Bedenkzeit, weil der Betrogene Ihnen nicht live gegenüber sitzt, es ist aber weder charaktervoll noch nett. Wählen Sie einen Gesprächsort, an dem sich Ihr Partner wohlfühlt, nehmen Sie sich Zeit und gehen Sie behutsam vor.
- Als reuiger Sünder auftreten: Reue ist gut. Wenn Ihnen der Seitensprung aufrichtig leid tut, ist es auch gut, das auszusprechen. Machen Sie sich aber nicht kleiner, als Sie sind. Passiert ist passiert, entwürdigen Sie sich nicht zum hirnlosen Fremdgeher, dem da was ganz Dummes passiert ist, rät Ulrich Clement. Damit verhindern Sie eine ernsthafte Auseinandersetzung, weil Sie sich nämlich in die unterlegene Position bringen.
- Rechtfertigungen suchen: »Du willst ja keinen Sex mehr, was hätte ich denn tun sollen? Da musste ich ja fremdgehen!« – auch wenn Sie das so empfinden, sollten Sie derartige Sprüche schön für sich behalten. Denn das läuft auf Vorwürfe hinaus, eine Gesprächsstrategie, die Sie nur ins Nirgendwo führen kann. Zudem ehrt es Sie nicht unbedingt, wenn Sie Ihren Partner mitverantwortlich machen für Ihren Seitensprung. Sie ganz allein haben ja im entscheidenden Moment nicht »nein« gesagt.
- Die Sache herunterspielen: Auch wenn es verführerisch ist, versuchen Sie nicht von Vorneherein im Gespräch Ihren Seitensprung zu einer kaum nennenswerten Bagatelle zu stilisieren. Dann sollten Sie lieber gleich den Mund halten. Wenn Sie beichten, dann tun Sie das ehrlich und würdevoll. Sagen Sie, welche Bedeutung der Seitensprung für Sie hat – aber überlassen Sie es Ihrem Partner, wie er das einschätzt.
- Alle Betrugsdetails ausplaudern: Ihr Geständniswille in allen Ehren, aber irgendwo sollten Sie mal einen Punkt machen. Wo hast Du ihn kennengelernt? Seit wann läuft das schon? Wo habt Ihr's getrieben? Ihr Partner wird Sie wahrscheinlich mit vielen Fragen bombardieren. Haben Sie hier Mut zur Lücke, geben Sie nicht alle Details zum Besten, weihen Sie Ihren Partner bloß nicht in sämtliche Fremdgehintimitäten ein. Denn das bleibt beim anderen garantiert hängen, die Worte können Sie nie mehr zurücknehmen. Und Sie haben auch keinerlei Einfluss darauf, welche Bilder Ihre Berichte im Kopf Ihres Partners hervorrufen.
- Verzeihung erwarten: Seien Sie auf die Reaktion des anderen gefasst, eine Untreue-Beichte kann ungeahnte Folgen haben. Sie müssen mit Wut und Ärger rechnen, es kann auch sein, dass Ihr Partner tagelang kein Wort mit Ihnen wechselt und sich in seinem Schmerz verkriecht. Auch wenn Sie mit einem offenen Geständnis ein Bekenntnis zu Ihrer Beziehung verbinden, muss das nicht bedeuten, dass Ihr Partner Ihnen sofort Absolution erteilt.
Fazit: Erst denken – dann reden
Dieser neunmalkluge Spruch kommt hier voll zur Geltung: Bevor Sie Ihre Affäre gestehen, müssen Sie erst einmal für sich selbst sortieren, was Ihr Liebesausrutscher zu bedeuten hat, wohin er führen kann und was aus Ihrer Kernbeziehung Ihrer Meinung nach werden soll. Wollen Sie weiterhin mit Ihrem Partner zusammenbleiben, dann ist es vielleicht ratsam, die Seitensprungsache klammheimlich ad acta zu legen – und den Mund zu halten. Ebenso empfiehlt sich respektvolles Schweigen, wenn es sich um einen etwas pikanten One-Night-Stand handelt, der nun wirklich nicht der Beziehungsrede wert ist.
Falls aber mehr dahinter steckt und sich die Liaison zu einer Langzeitaffäre ausweitet, sollten Sie über kurz oder lang Farbe bekennen. Stehen Sie zu Ihrem Seitensprung, bringen Sie es Ihrem Partner nach bestem Wissen und Gewissen schonend bei und akzeptieren Sie dessen Reaktion darauf – sei sie auch noch so emotional und unsachlich.