Erfüllter Sex nach Ehekrise – Bine und Michael berichten
Dass Bine (41) und Michael (44) Probleme hätten, darauf hätte niemand einen Cent verwettet. Von außen wirkten sie wie ein glückliches Ehepaar mit einem erfüllten Leben. Seit 15 Jahren verheiratet, beide leidenschaftliche Taucher, gleiche Interessen in Kultur und Kunst, ihr gemeinsames Architekturbüro lief gut. Kinder wollten beide nie. Ein Paar, das sich liebte und sich in allem einig schien. Außer beim Thema Sex.
»Vor drei Jahren fiel ich ohne erkennbaren Grund in ein emotionales Loch«, erklärt Bine. »Ich konnte mich immer weniger auf körperliche Nähe einlassen. Bis dahin hatten wir ca. 1 Mal in der Woche Sex. Guten Sex,« wie sie betont. »Aber plötzlich ging nichts mehr. Michaels Berührungen waren mir regelrecht unangenehm, die Stimmung asexuell. Ich verstand die Welt nicht, denn Sex und Liebe gehören für mich zusammen!«
Michael reagierte verständnisvoll. Aufgrund des Arbeitspensums zu dieser Zeit fürchtete er einen Burnout seiner Partnerin. Kurzentschlossen buchte er eine Woche Urlaub in einem Wellness-Resort in Frankreich. Doch da wurde es noch schlimmer. »Ich wurde aggressiv, reagierte auf alles, was er tat, nur noch genervt. Als wir wieder zuhause waren, wollte ich nicht mal mehr im selben Bett mit ihm schlafen, von Sex ganz zu schweigen.«
Dieses Phänomen ist weiter verbreitet, als man annimmt. Offizielle Zahlen gibt es keine, aber Schätzungen zufolge erlebt jedes 2. Paar im Laufe seines Zusammenlebens genau das: den Kippmoment von zuviel räumlicher Nähe. Zuerst schleichend, dann schlagartig verwandelt sich die liebevolle Vertrautheit in Aggression. Jedes Geräusch des Partners, sein Geruch, sein Atmen, das Gefühl seiner Haut - alles törnt nur noch ab. Das Fatale daran: Es gibt scheinbar keine echte Ursache, kein Fehlverhalten.
Zunächst arrangierten sich Bine und Michael damit. Konzentrierten sich auf die Arbeit, verdrängten das Thema Sex, gingen liebevoll miteinander um. Doch die sexuelle Funkstille zehrte an beiden. Bine wollte Michael nicht vor den Kopf stoßen, Michael wollte Bine nicht unter Druck setzen - und setzte dabei sich selbst unter Druck, der alles verstehende Ehemann sein zu müssen. Und all das unausgesprochen.
»Es war eine verkorkste Situation. Nachdem das acht Monate so lief, dachte ich das erste Mal an Trennung«, sagt Michael. »Ich zog mit meinem Freund Markus um die Häuser. Er riet Bine und mir zu einer Eheberatung. Wir betranken uns, trafen ein paar Freunde - und ich landete mit Katja im Bett. Es war ein heißer, aber für beide Beteiligten bedeutungsloser Seitensprung, mit groß geschriebenem One. Als ich am nächsten Morgen heimkam, spürte Bine, was geschehen war. Das liegt an unserem speziellen Draht zueinander, ich konnte ihr noch nie etwas vormachen. Wir hatten einen hässlichen Streit, der aber im Nachhinein das beste war, was wir seit Monaten getan hatten, denn es kam eine Menge auf den Tisch. Den Termin beim Eheberatungs-Therapeuten konnten wir uns sparen«.
Auf den großen Streit folgte die große Frage: Lieben wir uns noch genug, um weiterzumachen und unsere Sexualität noch einmal neu kennenzulernen? Beide bejahten dies aus vollem Herzen. Und begannen zu reden.
Und wie löst man diese Situation auf?
Bine fand den Schlüssel im Internet - auf Pornoseiten. »Ja, es klingt nach Schundroman«, gesteht sie. »Doch als ich diese Texte las, spürte ich mich wieder. Deftige Kurzgeschichten. Hardcore, realistisch, sehr explizit. Irgendwie hat mich das aus meiner Starre als sexuelles Neutrum gerissen - und angetörnt. Es kostete mich zwar Überwindung, aber als ich merkte, was da passiert, freute ich mich wie verrückt und habe es Michael erzählt.« Was den Auftakt für weitere Gespräche bildete, in denen sich herausstellte, dass Bine einige Facetten ihrer Sexualität bisher noch nie wahrgenommen, geschweige denn ausgelebt hat. Offensiven Oralsex zum Beispiel. »Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass es mir Spaß machen könnte, Michael auf diese Weise quasi zu überwältigen.« Die Internetgeschichten bildeten gewissermaßen eine Übersetzungshilfe, einmal für Bine selbst und dann auch für Michael...
»Ich habe Bine und mich von einer neuen Seite kennengelernt. Aufgrund unseres langen Zusammenseins und unserer sexuellen Harmonie kam es uns nie in den Sinn, dass wir über Vorlieben verfügen könnten, die wir uns gegenseitig nicht eingestehen. Außerdem haben wir festgestellt, dass wir zwei Räume als Schlafzimmer wollen«, ergänzt Michael. »Damit wir bewusst zusammensein können und ebenso bewusst für uns alleine sein. Irgendwie hat sich nur keiner getraut, es auszusprechen, um den anderen nicht zu verletzen.«
Gehen wir zu dir oder zu mir?
Mit den getrennten Schlafzimmern begann für Bine und Michael ein ganz neues Erotik-Kapitel. »Eines Nachts kam Michael, während ich tief und fest schlief, in mein Bett und fiel sehr gierig und energisch über mich her. Das hatte er in 15 Ehejahren nie getan - einfach weil wir immer im selben Bett schliefen. Dabei war genau das eine heimliche Phantasie von mir« »Der Druck ist irgendwie weg«, sagt Michael. »Wenn wir an drei Abenden hintereinander Lust aufeinander haben, leben wir es aus. Und wenn dann für vier Wochen Funkstille ist, weil es im Büro brennt, bedeutet das noch keine schwarzen Wolken am Horizont. Weil wir jetzt wissen, wie wir uns gegenseitig wieder einfangen können.«
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