Die Macht der Gewohnheit durchbrechen
Was ist überhaupt zu wenig Sex? Wie viel Mal ist normal? Und warum lässt die Lust am Partner im Laufe der Beziehungsjahre nach? Auf diese Fragen gibt es keine pauschale Antwort. Jeder Mensch hat unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse: »Ich selbst würde gern mit meiner Frau Tanja regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche schlafen«, erklärt Sven. »Aber Tanja hat allenfalls einmal im Vierteljahr Lust – und selbst dann bin ich mir nicht sicher, ob sie es nicht nur mir zuliebe tut.« Was Sven beschreibt, kommt häufig vor. Wenn nach der ersten Verliebtheitsphase der Körper wieder langsam in seinen gewohnten hormonellen Rhythmus zurückkehrt, zeigen sich auch eher die individuellen Vorlieben. Und dabei bedeutet nicht, dass derjenige, der weniger oft Lust auf Sex hat, deswegen gefühlskälter ist.Schwindendes Interesse ist in den meisten Fällen ein Indikator dafür, dass der Sex einfach nicht mehr so toll ist. Und dass man es nicht wert findet, dafür knappe Freizeit zu opfern. Kling hart? Ist aber so. Wer einen anstrengenden Alltag zu bewältigen hat und viel Stress ausgesetzt ist, hat es zum Beispiel von vorneherein schwerer, in den wenigen freien Stunden auch noch sexuell kreativ zu sein. Und gerade das ist der Punkt. »Wir erwarten immer, dass guter Sex von ganz alleine kommen muss«, erklärt Paartherapeutin Sabine Haupt. »Die wenigsten Menschen führen sich vor Augen, dass es mit dem Sex nicht anders ist als mit anderen Dingen, Hobbys zum Beispiel. Da verabredet man sich auch, etwa mit seinem Tennispartner. Man nimmt sich Zeit, plant diese fest ein – und trifft auch gewisse Vorbereitungen, dass das Treffen für beide so wird, wie sich das vorgestellt haben. Diese Sorgfalt müssen wir auch walten lassen, wenn es um den Sex in der Partnerschaft geht.«
Gegenseitige Vorwürfe sind wahre Lustkiller
Wenn ein Partner deutlich häufiger Lust auf Sex hat als der andere, kann das die Beziehung erheblich belasten. Wer sexuell frustriert ist, sucht sich vielleicht einen Ausgleich, knüpft erotische Kontakte im Internet oder begibt sich in eine Affäre am Arbeitsplatz. Die meisten jedoch sehen dies nur als Notlösung und wünschen sich vielmehr, dass der Sex mit dem eigenen Partner wiederbelebt wird. Und das ist nicht unmöglich – ganz im Gegenteil. Oft braucht es viel weniger dazu, als man denkt. Aber etwas tun muss man schon – denn wie gesagt, von alleine kommt guter Sex eher selten. Keinesfalls sollte man sich jedoch gegenseitig mit Vorwürfen belasten. Es geht nicht um Schuld, sondern um den partnerschaftlichen Umgang mit einer Situation, die nicht ideal ist. Und die sich verbessern lässt. Im Team. Im Gespräch. Mit einer gemeinsam entwickelten Strategie und Plänen, die es dann zulassen, wieder Neues zu entdecken und von den eingetretenen Pfaden abzuweichen.Mehr Nähe – oder mehr Distanz?
»Wir haben uns auseinandergelebt« – die Standardfloskel trifft zumindest in Sachen Erotikfrust oft nicht den Kern des Problems. Ganz im Gegenteil: Nicht zu viel Distanz, sondern zu viel Nähe kann sich als Lustkiller entwickeln. Das beschreibt auch die Paartherapeutin Esther Perel. In ihrem Buch »Wild Life - Die Rückkehr der Erotik in die Liebe« räumt sie mit etlichen Vorurteilen auf und rückt wichtige Fragen in ein neues Licht. So sei es bei Paaren, die viele Jahre Tisch und Bett teilen, in den selteneren Fällen so, dass sie sich auseinandergelebt hätten. Der Normalfall ist eher, zu eng zusammenzukleben, zu viel miteinander zu teilen, sich der letzten Geheimnisse beraubt zu haben und damit Spannung, Neugier und Leidenschaft zu ersticken.Den die Lust aufeinander, die Lust am Sex entsteht doch gerade durch das Ungewisse, Neue, Geheimnisvolle, Unsichere ... Und das muss man immer wieder neu entfachen. Von selbst funktioniert es einfach nicht. Abstand und Anziehung, Distanz und Nähe, Sicherheit und Nervenkitzel, all das will zu seinem Recht kommen – jeweils zu seiner Zeit. Moderne Therapeutenmeinungen gehen deshalb auch in die Richtung, überwundene Unterschiedlichkeiten wieder aufleben zu lassen. Distanz schaffen, wo zu viel Nähe ist. Wieder mehr ohne einander unternehmen. Sich nicht alles erzählen. Wieder mehr zum Individuum werden. Räume schaffen für Phantasie und Lust.
Wirkungsvolle Tipps, damit es wieder prickelt
- Süße Geheimnisse: Sie wissen um jeden Schritt, den Ihr Partner tut? Jederzeit? Das ist sicher beruhigend – aber auch langweilig. Gehen Sie abends doch mal getrennt weg, verraten Sie aber nicht mit wem. Kommen Sie gut gelaunt nach Hause, erzählen Sie, dass Sie Spaß hatten – klammern Sie aber Details aus. Das macht Sie für Ihren Partner interessant – und weckt die Lust, Ihnen noch mehr Spaß zu bereiten.
- Spannende Veränderungen: »Wie war dein Tag, Schatz?« - Rituale sind schön und wirken stabilisierend. Spannend und lustfördernd wird es, wenn Sie eingefahrene Gewohnheiten durchbrechen. Tun Sie das Unerwartete. Fragen Sie den Partner nicht, wie sein Tag war, sondern legen Sie ihm einen Zettel hin: »Ich erwarte dich bei unserem Italiener. Ich trage heute keine Wäsche. Und ich habe Hunger ...«
- Planen, um frei zu werden: Klingt krampfig, ist aber lustfördernd – den Sex zu planen. Verabreden Sie sich zu einem Schäferstündchen und halten Sie das Date dann auch unbedingt ein. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihnen nicht wieder alles Mögliche dazwischenkommt und die Erotik im Alltag einen festen Platz erhält.
- Das Unbekannte suchen: Ihr Partner kennt Sie in- und auswendig und Sie ihn? Was er als Nächstes sagen wird, ist Ihnen schon vorher klar? Nicht gerade prickelnd ... Es hilft, sich von dem festgelegten Bild, dass man vom Partner hat, zu lösen. Legen Sie Ihre Voreingenommenheit ab, hinterfragen Sie Handlungen, versuchen Sie, verborgene Wünsche des Partners aufzuspüren, provozieren Sie ihn spielerisch, locken Sie ihn aus der Reserve ... es wird ihm gefallen, gefordert zu sein – und sich anstrengen zu müssen, um Ihnen Paroli zu bieten. Eine gute Voraussetzung für mehr Spannung im Bett!