Wie auch bei der Sexsucht wird viel über zugrundeliegende Ursachen spekuliert. Ganz oben auf der Liste steht in beiden Fällen ein traumatisches (nicht unbedingt sexuelles) Erlebnis in der Kindheit, das zwar erfolgreich verdrängt wurde und daher im Erwachsenenleben keine Rolle mehr spielt, jedoch im Unterbewusstsein weiterschwelt und für eine Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens sorgt.
Eine Theorie besagt, dass Frauen mit verschütteten Missbrauchserlebnissen unbewusst als Erwachsene eine Asexualität produzieren, um dem Thema Sex aus dem Weg gehen zu können – und dadurch auch nicht Gefahr laufen, an ein verschüttetes Trauma erinnert zu werden.
Auch Koryphäen wie die Psychologin und Autorin Alice Miller stellten bereits in den 70er Jahren in zahlreichen Publikationen einen Zusammenhang her zwischen beschädigtem Selbstwertgefühl durch Kindheitstraumata und der Unfähigkeit, als Erwachsener die eigenen Bedürfnisse, auch die sexuellen, genussvoll zu befriedigen. Das klingt logisch: Um sexuell empfinden zu können, ist ein Mindestmaß an Eigenliebe, an Freude und Lust am eigenen Körper notwendig. Nur so ist es schließlich möglich, sich auf einen Partner sexuell einzulassen.
Ein verbreitetes, rätselhaftes Phänomen: Asexualität und chronische Blasenentzündung
Die schmerzhafte Blasenentzündung ist für viele Frauen ein bekanntes Übel, das oft sogar mit Antibiotika behandelt werden muss. Nun gibt es Fälle, in denen die Blasenentzündung ausschließlich nach dem Sex aufflackert, und zwar so unmittelbar, dass die betroffenen Frauen die Uhr danach stellen können. Was die Lust auf Geschlechtsverkehr gegen Null tendieren lässt, aus verständlichen Gründen.Patientinnen, Psychologen und Ärzte sind sich noch nicht über den Zusammenhang im Klaren, denn hier gibt es zwei Erklärungsmodelle: Erzeugt der Körper aus prophylaktischen Gründen eine so unüberwindbare Unlust, um die Gefahr der erneuten Entzündung zu umgehen? Oder löst umgekehrt eine latente, unbewusste Abneigung gegen den Geschlechtsverkehr überhaupt erst eine so heftige Reaktion des Immunsystems aus, dass spontane Blasenentzündung produziert wird?
Über Nacht asexuell? Was Paare tun können
Fühlt in einer bestehenden Beziehung einer der Partner eine plötzliche sexuelle Unlust, muss das noch nicht das Ende der Beziehung bedeuten. Wohl aber den Anfang vieler Gespräche.
Schritt 1 – Ursachenforschung
Liegt als Grund für die sexuelle Flaute tatsächlich Asexualität vor? Oder hat man eventuell den Partner nur vorübergehend »satt«, was ja in Langzeitbeziehungen durchaus vorkommen kann und kein Beinbruch wäre? Der Unterschied ist entscheidend. Letzteres ließe sich gemeinsam lösen. Doch bei echter Asexualität helfen keine erotischen Wiederbelebungsprogramme.
Schritt 2 – einvernehmliche Entscheidungen treffen
Leidet der Betroffene unter seiner Asexualität? Besteht gar Anlass zu der Vermutung, dass die Asexualität auf ein verdrängtes Trauma hindeutet, das sich nun zurückmeldet und verarbeitet werden will? Dann empfiehlt sich der Gang zum Therapeuten, um die Sache zu beleuchten, aufzulösen und im Idealfall zu einem genussvollen Sexleben zurückzukehren. Oder hat der Betroffene die Asexualität als neue, erfüllende Lebensweise für sich entdeckt und sieht keinen Handlungsbedarf? Dann ist es Zeit für Schritt 3.
Schritt 3 – Konsequenzen ziehen
Möchte der Betroffene künftig asexuell leben, müssen beide Partner entscheiden, ob sie die Beziehung weiterführen können und wollen – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.
Bitte keine faulen Kompromisse!
Weder kann sich ein Asexueller um des lieben Friedens Willen zum Sex zwingen, noch erträgt ein sexuell aktiver Mensch auf Dauer ein sexloses Leben. Beides wäre das sichere Ticket zum Unglücklichsein.Ein Paar, das sich wegen der neuen Asexualität eines Partners nicht trennen möchte, weil die Beziehung emotional erfüllend ist und alle anderen Aspekte außer Sex harmonisch miteinander erlebt werden, hat verschiedene Möglichkeiten. Ein zeitlich befristeter Versuch, wie sich die Partnerschaft so komplett ohne Sex anfühlt, ist eine davon.
Zeigt sich dabei jedoch, dass der sexuell aktive Part keinesfalls auf Sex verzichten will, müssen gemeinsam neue Wege gesucht und beschritten werden. Der asexuelle Partner wird vielleicht seinen Freundeskreis ändern und sich mit anderen Asexuellen austauschen, auch emotional. Der sexuell aktive Partner wiederum lebt seine Bedürfnisse vielleicht mit Affären aus. Natürlich nicht heimlich, sondern mit dem Einverständnis des asexuellen Partners. In jedem Fall ist eine neu entdeckte Asexualität ein Belastungstest für eine Langzeitbeziehung – und eine Chance, die Liebe neu zu definieren.
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