Sträuben sich Ihnen beim Lesen dieses Satzes die Nackenhaare? Gut so! Mails und SMS unterliegen nicht nur dem Briefgeheimnis, sondern auch der persönlichen Privatsphäre eines Menschen. In diese Privatsphäre einzubrechen gehört in Beziehungen glücklicherweise nicht zur »gängigen Praxis«, wie Herr Thiel behauptet, sondern stellt einen moralisch wie juristisch höchst bedenklichen Übergriff dar. Und es ist ein Indiz dafür, dass statt die Beziehung und das Vertrauen im Kern zerrüttet sind.
Wer SMS oder Mails des Partners »checkt« (was für ein verharmlosender Ausdruck!), um nach Indizien für Treue oder Untreue zu suchen, hat einen Grund: Misstrauen. Er spürt einen schmerzhaften Konflikt zwischen seinem Bauchgefühl und den Aussagen des Partners. Wer monate- oder jahrelang vom Partner betrogen wird, in Gesprächen immer wieder vorsätzlich belogen und getäuscht, der zweifelt irgendwann an seiner Wahrnehmung. Weil dies aber ein selbstzerstörerischer Prozess ist, wehrt sich die Intuition nach Kräften und verlangt Beweise.
Wird der betrogene Partner dann fündig, z.B. im Handy oder Mail-Postfach, hat er zumindest die Bestätigung dafür, dass er sich auf sein Bauchgefühl verlassen kann. Das Schnüffeln scheint der letzte Ausweg zu sein, sich selbst treu zu bleiben und sich Klarheit zu verschaffen. Leider bedeutet es auch den Bankrott der Beziehung. Hier ist das Schnüffeln für den Seelenfrieden des Betrogenen sehr wichtig, gleichzeitig aber auch der erste Schritt zur Trennung. Schade eigentlich. Doch nicht die Untreue, sondern der falsche Umgang damit haben der Beziehung und der Vertrauensbasis den Todesstoß versetzt.
Situationen wie diese können gar nicht erst entstehen, wenn das Thema Treue offen diskutiert wird, statt durch heimliche Untreue die Partnerschaft von innen zu zerstören. Wäre es also vielleicht sinnvoll, mit vollmundigen Treueversprechen à a »bis dass der Tod uns scheidet« vorsichtiger zu sein?
Fazit: Treue ist lebenswichtig ...
...und zwar zu allererst einmal die Treue zu sich selbst. Nur wer sich selbst gut genug kennt, um seinen Bedürfnissen, Wünschen und Eigenschaften treu zu sein, zu sich zu stehen und sich notfalls auch gegen familiäre oder gesellschaftliche Zwänge aufzulehnen, kann auch einem Partner ein ehrliches Treueversprechen geben. Ob dieses Versprechen nun bedeutet, streng monogam zu leben, oder sexuelle Offenheit zu praktizieren, sich dabei aber emotional treu zu bleiben, dafür gibt es keine »offiziellen« Richtlinien. Ja, die traditionelle Zweierbeziehung mit monogamer Struktur ist vergleichsweise einfach, weil sie keine Zwischentöne kennt. Doch unser Gefühlsleben ist nun einmal kein binärer Code. Wir wollen nicht einfach nur stumpf Konventionen nachleben, sondern glücklich sein. Dieses Glücklichsein gibt's aber nicht als Bausatz fix und fertig zu kaufen, da müssen wir schon selbst ran.Die Freiheit, Treue selbst definieren und unter vielen Beziehungsformen wählen zu können, ist nichts für Weicheier. Denn sie bedeutet auch die Verpflichtung, eine Wahl zu treffen und dazu zu stehen. Völlig egal, was Gesellschaft, Psychologen oder die Nachbarn dazu sagen. Das ist das Schöne an der Liebe: Die Spielregeln schreiben Sie und Ihr Partner ganz allein, wie es Ihnen gefällt!
Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Wie wichtig ist Treue im Jahr 2011?
Seite 2: Wie definieren Sie für sich das Treueversprechen?