Wie Sie auch nach jahrelanger Partnerschaft neue Leidenschaft entfachen, indem Sie richtig intim werden, lesen Sie hier.

Frau und Mann blicken sich tief und intim in die Augen

Schluss mit Bescheidenheit: Her mit mehr Intimität für besseren Sex

5 Jahre Beziehung, 1 Mal Sex im Monat – müssen sich Paare damit abfinden, dass die Leidenschaft mit der Zeit verschwindet? Nein, sagt Tobias Ruland. Der Paartherapeut meint, wer sich mit einem unbefriedigenden Sexleben in seiner Partnerschaft bescheidet, verpasst vielleicht das Beste: nämlich wahre Intimität. Wie funktioniert die und welche Fähigkeiten müssen Partner dafür entwickeln?

Das erwartet Sie in diesem Artikel

Info kompakt

    Spontaneren, heißeren Sex – das wollen 2015 knapp die Hälfte aller Deutschen in einer Beziehung von ihrem Partner 1

  • Ohne Sex keine Liebesbeziehung: Die Mehrheit der Deutschen hält körperliche Nähe für essentiell – für 71 Prozent kommt laut einer GfK-Umfrage eine Beziehung ohne Sex nicht infrage.
  • Zu wenig Intimität? Theratalk ermittelte, dass bei etwa 65 Prozent der Paare zwischen 20 und 69 Jahren mindestens einer mit dem Sex unzufrieden ist.
  • Viele wollen mehr Lust: 41 Prozent der Männer würden gern häufiger mit ihrer Partnerin schlafen, jede dritte Frau sehnt sich nach mehr Sex mit ihrem Liebsten, ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts mafo.de im Auftrag der Seitensprung-Fibel.de.
  • Wenig Sex – große Liebesgefahr: Sexuelle Unzufriedenheit in der Partnerschaft ist der häufigste Grund für Seitensprünge, das ergab eine Theratalk-Studie: 79 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen waren demnach fremdgegangen, weil sie mit dem Beziehungssex unglücklich waren.
  • Langes Leiden, großer Sexfrust: Theratalk ermittelte, dass 76 Prozent der Männer und 66 Prozent der Frauen vor ihrem Seitensprung schon über ein Jahr lang mit dem Sex in der eigenen Partnerschaft unzufrieden waren – die meisten davon sogar länger als zwei Jahre.
  • 1Studie des Marktforschungsinstituts mafo.de und des Portals Seitensprung-Fibel.de unter 1.013 Menschen in Partnerschaften im Alter von 18 bis 65 Jahren (42% männlich, 58% weiblich). Erhebungszeitraum: 22.12.2014 bis 05.01.2015. Infografik anzeigen

Tausendmal berüht, tausendmal war's gut – und dann? Zu Beginn einer Beziehung gehört Sex oft zu den leichtesten Übungen: Man begehrt einander im Rausch der Liebesgefühle, will so häufig wie möglich Körperkontakt und geht unbewusst Kompromisse ein. Beziehungen kommen nämlich meist zustande, weil zwei Menschen zueinander passen (oder meinen, sie tun es) – sie bilden eine sogenannte kollusive Allianz, bei der sich ihre Bedürfnisse auch in sexueller Hinsicht wunderbar ergänzen. Das schreibt Tobias Ruland in Die Psychologie der Intimität. Nach einigen Jahren wandelt sich jedoch die Ausgangsbasis. Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen ändern sich, es passt nicht mehr so perfekt. Dann kommt die große Enttäuschung, und das Lamentieren beginnt: »Du hast dich verändert, es ist nicht mehr so wie früher, warum ist alles so schwer?«. Dann ist das, was zu Beginn so verlässlich verbunden hat, plötzlich ziemlich trennend.

Hier gibt es einen Ausweg, meint Paartherapeut Ruland: Das Paar muss in einer kollaborativen Allianz zusammenfinden. Und das bedeutet, dass beide Partner sich bewusst für die Beziehung entscheiden und alles ihnen Mögliche zum Gelingen der Partnerschaft beitragen. Sex ist da ein ziemlich wichtiges Bausteinchen.

Warum echte Intimität viel mehr als nur Sex ist

Potrait: Paartherapeut Tobias RulandViele Paare, behauptet Ruland, würden über Jahre hinweg Sex haben, ohne sich wirklich nahe zu sein. Wirklich intimer Sex sei eher die Ausnahme, denn die Regel, erklärt Ruland im Exlusiv-Interview mit seitensprung-fibel.de. Denn man könne den gigantischsten Sex haben – ohne einen Hauch von Intimität zu verspüren. Intimität ist Ruland zufolge viel mehr als nur Sex. Sie entstehe dann, wenn sich zwei Menschen gleichzeitig innerste Gefühle und Gedanken ganz ehrlich offenbaren und sich dabei erleben. Dafür braucht es keine Orgasmen, bisweilen nicht mal körperliche Berührungen. Allerdings ist Sex ganz entscheidend, wenn es darum geht, wirklich intime Momente zu erleben. Ein Paar, dass zusammenfand, weil beide dieselben erotischen Bedürfnisse hatten, die sich dann aber im Laufe der Partnerschaft weiter- und damit oft auch auseinanderentwickeln, kann sich mit einem mageren Sexleben bescheiden, das auf einem Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners basiert. Damit vergeben die Partner aber Wachstumsmöglichkeiten – innerhalb der Beziehung sowie für ihre eigene Person.

Ruland veranschaulicht das in seinem Buch mit einem Beispiel: Ein Paar Ende Dreißig ist seit vielen Jahren zusammen, am Beginn Ihrer Beziehung schienen ihre Sexbedürfnisse auf gleicher Ebene zu sein: Sie hatten unaufgeregten Kuschelsex. Nach 10 Jahren kam ihr Sexleben zum Erliegen, die Frau erkannte, dass ihre eigentliche Vorliebe bei sado-masochistischen Praktiken liegt.

Kuschelsex und SM – ziemlich unvereinbare Sexbedürfnisse. Wie kann das Paar den Konflikt lösen? Tobias Ruland hält es für keine Lösung, wenn die Partner einen tragfähigen Kompromiss suchen, denn den gibt es hier offensichtlich nicht. Andere Möglichkeiten sind, dass die Frau ihre Sexwünsche mit Dritten realisiert, der Mann ihr zuliebe mitmacht oder die Frau ihre Bedürfnisse unterdrückt, beziehungsweise einfach lustlos die Kuschelsexpraktiken weiterlebt. Alternativ käme natürlich auch die völlige Kapitulation infrage, nämlich dass das Paar gar keinen Sex mehr hat oder sich sogar trennt, obwohl Liebe vorhanden ist.

Auch keine Lösung ist laut Ruland, wenn beide sich darauf einigen, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu akzeptieren und sich anzupassen. »Ich bin gut und du bist gut« führt nur zum erotischen Stillstand. Denn das mag zwar einer ziemlich toleranten Einstellung entspringen, am Ende kommt aber nur eines dabei raus: Beide Partner schieben dauerhaft Sexfrust. Laut Ruland hat besagtes Paar nur eine Wahl: Es muss eine kollaborative Allianz aufbauen mit dem Ziel, gemeinsame Formen von Sexualität aufzubauen. Wie geht das, fragen Sie sich? Hier sind Antworten von Tobias Ruland:

  • Beide müssen die Sexbedürfnisse des anderen so ernst nehmen wie die eigenen
  • Beide dürfen ihre eigene Sexualität nicht verleugnen, sie müssen zu sich selbst und ihren unterschiedlichen Erotikbedürfnissen stehen
  • Sie müssen erkennen, dass Abwarten und Blockieren keine Lösungen sind, wenn sie dauerhaft eine intime Beziehung führen wollen
  • Beide Partner müssen sich fragen, wie sie gemeinsam mit dem Sexproblem umgehen
  • Beide müssen ihre eigene Sexualität weiterentwickeln, und zwar zugunsten einer funktionierenden Partnerschaft

Letzteres heißt auf den Fall bezogen: Der Mann sollte lernen, wie für seine Frau durch SM-Praktiken Momente der Begegnung entstehen und wie er sich darin sexuell wiederfindet. Die Frau sollte herausfinden, dass Erniedrigung und Schmerz nicht die einzigen Hebel sind, mit denen sie erotische Momente schaffen kann.

Quellen echter Nähe: so können Sie den Grad der Intimität beeinflussen

Damit Paare gemeinsam Beziehungsprobleme lösen, müssen sie sich entwickeln. Leicht ist das nicht, denn es setzt bestimmte persönliche Fähigkeiten voraus, die uns nicht in die Wiege gelegt werden, sondern die wir im Laufe des Lebens erwerben können und sollten, sagt Ruland. Das geht im Zuge einer Auseinandersetzung mit den eigenen Unzulänglichkeiten und den persönlichen Fehlern. Das koste Zeit, Kraft und bedeute auch Schmerzen – schön ist es wohl nie, sich selbst eigene Grenzen einzugestehen. Der Lohn dafür sei aber eine innigere, liebevollere Beziehung, mehr Nähe und auch mehr Intimität. Und dadurch können Sie eine deutliche Verbesserung Ihrer Liebes- und Sexqualität erreichen, behauptet Ruland.

Und wie kommen Sie dahin? Erstmal müssen Sie und Ihr Partner die Bereitschaft mitbringen, gemeinsam als Team die Beziehung zu leben und wahre Intimität zu erlernen – auch wenn das mitunter schwierig ist, weil Sie geheimste Ängste und auch Wünsche offenbaren müssen. Dabei sollten Sie z. B. folgende Bausteine der Liebe beachten:

9 Bausteine der Liebe für ein stabiles Beziehungsfundament

  • Selbstbestätigte Intimität: Sie kneifen nicht, wenn es unangenehm wird – in heiklen Beziehungssituationen haben Sie den Mut, Dinge zu äußern, bei denen Sie ganz genau wissen, dass Ihr Partner nicht erfreut sein wird. Sie sind in sich so stabil, dass Sie Konflikten nicht ausweichen und Unangenehmes zur Sprache bringen.
  • Kollaborative Allianzen aufbauen und pflegen: Sie und Ihr Partner – nicht zwei unterscheidliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Sondern ein Team mit einem Ziel: Ihre Beziehung. Sie spüren, wann der Laden läuft und wann es Verbesserungsbedarf gibt. Und Sie sind fest entschlossen, durch alle Höhen und Tiefen zu gehen – gemeinsam.
  • Commitment: Schließlich haben Sie sich ganz bewusst zu dieser Beziehung entschieden und tragen diese Entscheidung mit all ihren Konsequenzen. Dazu gehören auch mal Stress, Konflikte und Unstimmigkeiten. Wie Sie Ihre Entscheidung nach außen vertreten, ob durch Zusammenziehen, Heirat oder Kinder, ist egal – Hauptsache, Sie bekennen sich offen und dauerhaft.
  • Selbstberuhigung und Hingabe: Sie geraten nicht gleich aus dem Konzept, wenn Ihr Partner mal heftiger reagiert – denn Sie können sich innerlich selbst beruhigen. Negative Emotionen können Sie steuern, impulsive Handlungen im Zaum halten. Und Sie können sich hingeben, meint:: sich in die Position des anderen versetzen.
  • Die Anliegen des Partners ernst nehmen: Darum nehmen Sie auch die Anliegen Ihres Partners so ernst wie Ihre eigenen – und kapitulieren nicht vor auftretenden Interessenkonflikten. Dabei sind Sie bereit, Rücksicht auf die Gefühle des anderen zu nehmen.
  • Gegenseitiges Wohlwollen: Ihr Partner tut Dinge aus innerem Antrieb – nicht, um Sie zu verletzen oder Ihnen zu schaden. Das wissen Sie und sind dem anderen wohlgesonnen, auch wenn er nicht immer macht oder sagt, was Ihnen gefällt.
  • Die körperliche Beziehung pflegen: Sie nutzen Gelegenheiten für gemeinsames sexuelles Erleben und sind aufgeschlossen für Neues oder die Anliegen Ihres Partners. Die Sexhäufigkeit spielt dabei keine Rolle, entscheidend ist, ob es Ihnen gelingt, die sexuelle Begegnung für einen intimen Moment nutzbar zu machen.
  • Momente der Begegnung schaffen: Sich bewusst anschauen, sich aufmerksam begrüßen, einen gleichzeitigen Orgasmus mit offenen Augen – intime Momente haben viele Facetten. Wichtigste Komponente: Investieren Sie Zeit und Aufmerksamkeit in bewusste Begegnungen mit Ihrem Partner – gerade im Alltag.
  • Die eigenen Emotionen beobachten und steuern: Sie ärgern sich und sind beleidigt nach einer Auseinandersetzung mit Ihrem Partner? Dann beruhigen Sie sich erstmal selbst – und konzentrieren Sie sich dann auf die guten Gefühle. Etwa die Liebe zum anderen oder das gemeinsam Aufgebaute. Und geben Sie schlechten Emotionen keinen Raum, eliminieren Sie diese, sobald sie auftauchen. Vor allem die in Bezug auf Ihren Partner.

Fazit: Kling gut – aber funktioniert's in der Praxis?

Sie bekennen sich zum anderen, sind im Konfliktfall verhandlungsbereit und schaffen Momente der intimen Begegnung – schon wird die Beziehung schöner und der Sex besser? So einfach geht's dann doch nicht. Ruland schreibt, er habe unzählige Menschen getroffen, die zwar von einer locker-leichten, intimen und glücklichen Partnerschaft träumen, aber nur wenige, die sich bewusst sind, wie mühsam der Weg dorthin ist.

Wir müssen uns bemühen, es gehe nicht darum, den auf Lebenszeit passenden Partner zu finden (den gibt's nämlich nicht) oder die vergängliche romantische Liebe zu beklagen, zu resignieren und sich mit Weniger abzufinden, nur weil man meint, es nicht besser hinbekommen zu haben. In erster Linie geht es laut Ruland darum, teamfähig zu sein und zwar auf ganzer Linie. Nicht nur im Alltag sollte man als Paarteam funktionieren, auf sämtlichen Ebenen muss man kooperieren – dann klappt's auch besser mit der Liebe auf Dauer. Finden Sie das zu kompliziert, zu mühsam, zu aufwendig?

Kann man verstehen, Sie müssen sich ja auch dieser Herausforderung nicht stellen. Wer dies nicht tut, wird das bekommen, was auf dem locker-leichten Weg erreichbar ist. Und das ist manchmal schon ziemlich gut. Wenn Sie aber mehr wollen, sollten Sie bereit sein, das Unbehangen zu ertragen, das mit der Aufgabe einhergeht, echte intime Begegnungen zu forcieren. Aber es lohnt sich – findet Ruland. Denn am Ende des mitunter steinigen Weges wartet vielleicht auch besserer Sex auf Sie.



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