Weibliche Sexfantasien: Warum manche Frauen dominante Kerle mögen und von hartem Sex träumen
Hätten Sie das gedacht: Von einem Fremden zum Sex gedrängt zu werden, ist eine verbreitete Sexfantasie von Frauen. Einer britischen Untersuchung zufolge spielen bei etwa einem Viertel der Frauen Dominanz und Unterwerfung bei Sexfantasien eine Rolle. Was reizt Frauen daran eigentlich?
Um es gleich klarzustellen: Hier ist die Rede von Fantasien, das heißt, Szenarien, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben müssen. Frauen wollen nicht mit Gewalt zum Sex gezwungen werden. Manche von ihnen stellen sich nur vor, wie es wäre, von einer attraktiven Person erotisch überwältigt zu werden.
Verwirklichen wollen Frauen diese Fantasien normalerweise nicht – umso interessanter ist die Frage, warum anscheinend viele Frauen Sexfanatsien haben, die mit Kuschelsex und Schmusestündchen reichlich wenig zu tun haben.
Taffe Typen oder patente Partner – weibliche Vorlieben ändern sich im Zyklus
Der polternde Macho mit seinem affigen Gehabe zieht auf der Party alle Blicke auf sich. Und der zurückhaltende Feingeist, der Fragen stellt und zuhört, findet kaum Beachtung. Frauen, das zeigen Untersuchungen, bevorzugen mitunter den aggressiven, forschen Männertypus – auch wenn sie den nicht unbedingt immer an ihrer Seite haben wollen. Der Wunschpartner der meisten Frauen soll einfühlsam, humorvoll und zärtlich sein. Dominant, gewaltbereit und übergriffig werden kaum als Eigenschaften genannt, die einen Mann attraktiv machen. Überhaupt scheint es rätselhaft, was Frauen an Männern anziehend finden – zumal sich die Kriterien auch im Zyklusverlauf ändern.
Das erklärt uns etwa Werner Bartens in Was Paare zusammenhält. Generell, schreibt der Wissenschaftsjournalist, würden die meisten Frauen Männer mit typisch markant-maskulinen Gesichtszügen bevorzugen. In der fruchtbaren Phase vor dem Eisprung verstärke sich diese Tendenz, dann stehen Frauen bevorzugt auf äußerlich sehr männlich wirkende Typen, also eher die Macho-Variante. Als besonders maskulines Verhalten wird auch eine gewisse Dominanz empfunden, selbstbewusste, laute, souverän auftretende Exemplare haben es in der fruchtbaren Zyklusphase bei Frauen leichter. An den restlichen unfruchtbaren Zyklustagen kommen laut Bartens auch weichere Typen zum Zuge. Aber oft wirkt der patente Partner mit familientauglichen Eigenschaften weniger anziehend auf Frauen als dessen schenkelklopfender Geschlechtsgenosse. Der eignet sich vermutlich nicht ganz so für harmonisches Zusammenleben und eine verlässliche Partnerschaft, dafür versprechen seine äußeren Attribute besseren Sex. Denn besonders eckige, markante Gesichtszüge zum Beispiel sind Signal für Frauen, dass dieser Mann über einen hohen Testosteron-Spiegel und damit ausreichend Potenz und Fruchtbarkeit verfügt. All dies sind aus evolutionsbiologischer Sicht wichtige Auswahlkriterien bei der Partnersuche.
Harte Kerle, die lautstark ihre Männlichkeit zur Schau tragen, haben bisweilen einen Schlag bei Frauen, eben weil sie durch ihr Gehabe männliche Überlegenheit repräsentieren und damit die Frau in ihrer Weiblichkeit bestätigen. Um es auf eine recht simple Gleichung zu bringen: Umso männlicher der Mann auftritt, umso weiblicher kann sich die Frau fühlen.
Vom bevorzugten Männertypus zur Unterwerfungsfantasie
Spätestens seit »Fifty Shades of Grey« wissen wir es: Viele Frauen stellen sich gerne vor, von einem Mann richtig rangenommen zu werden. Richtig heißt hier: auf eine zärtliche, aber doch bestimmte Art. Und rangenommen meint: sexuell befriedigt zu werden. Das ist eine mögliche Erklärung für den Hype um die Romanserie um eine unerfahrene Studentin und einen mit allen erotischen Wassern gewaschenen Millionär. Die Frau ist hier willige Sexsklavin, der Mann potenter Herr über die weibliche Lust. Und die schürt der kundige Sexgott mit allerhand Sadomaso-Spielereien und ausgeklügelten Unterwerfungsmethoden – alles mit genüsslichem Einverständnis der begierigen Studentin.
Bevor sich Empörung breit machen konnte, sprach der Erfolg bei Leserinnen aus aller Welt Bände, das erotische Spiel mit klar festgelegten Rollen scheint einen Kern weiblicher Sexfantasien zu treffen.
Der Kick im Kopf: wovon Frauen heimlich träumen
Und da wären wir beim Thema: Was reizt Frauen an einem solchen Szenario? Trifft die Geschichte den weiblichen Massengeschmack oder bringt sie geheime Sexfantasien ans Licht? Umfragen zufolge träumen viele Frauen davon, dass sich ihnen ein Fremder nähert, und von seinem eigenen Begehren überwältigt der Frau auf die Pelle rückt, um sich ihrer Lust kunstvoll zu bemächtigen. Eine Umfrage der Partner- und Seitensprungagentur Lovepoint ergab, dass 92% der Frauen von spielerischen Fesselungen und soften SM-Inszenierungen träumen.
Fesselspiele, Liebeshaue und Porno-Sex scheinen ebenfalls en vogue zu sein – so bekennen sich etwa Stars wie Rihanna und Eva Longoria dazu, Sex eher auf die harte Tour zu favorisieren. Keine Einzelfälle, wie auch eine aktuelle Studie belegt. Darin unternahmen kanadische Psychologen den Versuch, sexuelle Fantasien beider Geschlechter zu katalogisieren und fanden heraus, dass sich die Durchschnittsfantasien von Frauen und Männern unterscheiden und oft gängigen Erwartungen entsprechen.
- Fantasien von Sex mit Prostituierten oder Cross-Dressing, Oralsex und Sex mit mehreren Partnern sind vor allem heimliche Sexfantasien von Männern
- Sex an romantischen Orten stellen sich eher Frauen vor
- Frauen fantasierten häufiger über Dominanzspiele und Unterwerfung
- Männer träumen von Sex mit fremden Partnern, oft auch von Sex ihrer Partnerin mit fremden Männern
Vom bevorzugten Männertypus zur Unterwerfungsfantasie
Frauen sind gefühlvoll und romantisch, während Männer eher puren Sex präferieren – das entspricht verbreiteten Geschlechterklischees. Bei den ungewöhnlicheren Sexfantasien stehen bei Frauen Unterwerfung und Dominanz an oberer Stelle, dagegen stellen sich Männer konventionellere Praktiken vor. Und da gibt es noch einen wesentlichen Unterschied: Männer gaben in der kanadischen Untersuchung an, ihre Fantasien gerne auch wirklich ausleben zu wollen, wohingegen Frauen betonten, dass sie Unterwerfungs- und Dominanzfantasien nicht real ausagieren wollten.
Ist es also nur eine intime weibliche Sexfantasie, sich einem Mann erotisch völlig auszuliefern? Anscheinend ist genau das der Fall. Frauen wollen nicht in der Wirklichkeit gewaltsam zum Sex gezwungen werden, sie stellen sich nur vor, wie sie zum Lustobjekt eines Mannes werden.
Was der Wunsch nach Unterwerfung mit der Wirklichkeit zu tun hat
Vergewaltigungsfantasien etwa sind ein verdammt heikles Thema. Daniel Bergner geht darauf in seinem Forschungsbericht Die versteckte Lust der Frauen ein. Amerikanische Forscherinnen wollten der Sache auf den Grund gehen und werteten verschiedene Studien dazu aus. Dabei legten sie die juristische Definition von Vergewaltigung und sexueller Nötigung zugrunde: Diese bezieht sich auf Frauenfantasien, die davon handeln, dass die Frau unter Anwendung von Gewalt oder Wehrlosigkeit zu Sex gezwungen wird. Der Studie zufolge törnen 30 bis 60 Prozent der Frauen derartige Vergewaltigungsfantasien an. Eigenen Angaben zufolge stellten sich die Frauen solche Szenen beim Sex, bei der Selbstbefriedigung oder als erotischen Tagtraum vor.
Wie lässt sich das erklären? Schließlich haben die meisten Frauen in realiter große Angst vor einer Vergewaltigung. Die Forscherinnen suchten nach möglichen Erklärungen für dieses Phänomen.
Vergewaltigungsfantasien beseitigen Schuldgefühle
Offen zur Schau getragene Lust ist für Frauen oftmals noch mit Scham behaftet. Mädchen werden schon früh zu erotischer Enthaltsamkeit angehalten und dazu erzogen, ihr Verlangen zu mäßigen. Schließlich ist für Frauen ab der Pubertät jeder sexuelle Akt eine potenzielle Gefahr, denn sie könnten ja schwanger werden.
Wer vergewaltigt wird, ist unschuldig, hat also nicht seinen Begierden nachgegeben, sondern wird von einer anderen Person dazu genötigt – was wiederum dazu führen kann, dass auferlegte Zwänge abgeschüttelt werden können, so die Theorie.
Vergewaltigungsfantasien sind ein Tabubruch
Das, was man fürchtet, bereitet einem in der Fantasie großen Genuss – darin liegt eine Art Tabubruch. »Das tut man nicht« ist eine der Handlungsdevisen, an denen sich gerade Frauen bezüglich ihrer erotischen Bedürfnisse orientieren sollen. Sich Gewaltszenen in Verbindung mit Sex zu vergegenwärtigen, gehört für viele Menschen zu absoluten No-gos.
So bekannte auch eine Interviewpartnerin von Daniel Bergner, sie habe lange gebraucht, um sich einzugestehen, dass sie eine Gruppenvergewaltigungsszene aus dem oscarprämierten Thriller »Angeklagt« mit Jodie Foster erregte.
Und genau das macht derartige Sexfantasien womöglich besonders reizvoll: Sie sind eigentlich nicht per se dazu geschaffen, Lustgefühle hervorzurufen – dass sie es trotzdem tun, ist ein Verstoß gegen Konventionen.
Panik und sexuelle Erregung haben verbundene Schaltkreise im Gehirn
Der Kick der Furcht könne außerdem auf die Lust überspringen, schreibt Bergner. Und erwähnt zur Erläuterung ein Experiment: Eine amerikanische Psychologieprofessorin zeigte Achterbahnfahrgästen in einem Vergnügungspark Fotos von Menschen und bat sie, deren Attraktivität zu beurteilen – vor und nach der kurvigen Fahrt. Das Ergebnis: Nach der adrenalinpuschenden Achterbahnfahrt wurden die Fotos wesentlich positiver bewertet. Die Forscherin bezeichnete dieses Phänomen als »Erregungstransfer«, es deute nämlich darauf hin, dass die Hirnbereiche, die für Panik und sexuelle Erregung zuständig sind, irgendwie miteinander verbunden seien. Vergewaltigungsfantasien könnten also über die Angstschiene Lust fördern. Was eine Interviewpartnerin Bergners bezeugen konnte, die sagte, ihre Vergewaltigungsfantasien hätten eine unmittelbare körperliche Wirkung auf sie, denn sie würden ihr direkt in den Unterleib fahren und dort Kontraktionen eines Orgasmus auslösen.
Unterwerfungsfantasien sind Symbol weiblicher Lust
Ein dunkler Hinterhof, eine einsame Frau, ein Fremder, der sie gegen die Wand drückt und überwältigt – in dieser Fantasie liegt laut Bergner ein ultimtatives Symbol weiblicher Lust. Die werde angefacht durch die Vorstellung, dass ein Mann von seinem eigenen Verlangen derart überrumpelt werde, dass er nicht mehr an sich halten könne und die Frau zur Not gewaltsam erobern müsse. Die Tatsache, dass die Frau Auslöser einer solch starken Begierde ist, die sich über Grenzen und Gesetze hinwegsetzt, macht sie in ihrer Vorstellung zu einem extrem begehrenswerten Objekt – und danach sehnen sich viele Frauen. Sie wollen zumindest während des Liebesspiels einzigartig für ihren Sexpartner sein, wollen umworben und begehrt werden.
Unterwerfungsfantasien bedienen narzisstische Bedürfnisse
Jede Frau will gewollt werden – Spiegel ihrer Attraktivität ist für sie das Begehren des Mannes. Ist der nämlich besonders scharf auf sie, zeugt das von ihrer großen erotischen Macht. In den Unterwerfungsfantasien kommt dieses narzisstische Element zum Tragen: Frauen machen sich selbst darin zu einem Lustobjekt für die männliche Libido.
Eine Studie veranschaulicht das, wie Bergner schreibt: Heterosexuelle Frauen und Männer sollten Bilder von Paaren beim Vorspiel betrachten, untersucht wurde, wohin der Blick sich richtete. Das Ergebnis: Frauen betrachteten ausgiebiger die Gesichter der Männer, wohingegen die Körper der Frauen ihren Blick fesselten. Offensichtlich wollten die Probandinnen das Verlangen in der Miene der Männer sehen und die so heiß begehrten Frauenkörper betrachten. Die Forscher folgerten daraus, dass es wohl die männliche Begierde war, die die Frauen anheizte, sowie die weibliche Macht, diese zu erzeugen. In einer Unterwerfungsfantasie spielt das womöglich auch eine Rolle: Die sexuell überwältigte Frau hat die unglaubliche Macht, beim Mann ein unkontrollierbares Verlangen zu provozieren, was ihr wiederum einen gewaltigen, narzisstischen Lustkick bringt.
Fazit: Der Reiz des hemmungslosen Verlangens
Was sich Frauen insgeheim vorstellen, ist keine Blaupause für die Wirklichkeit. Sieht man sich Umfragen an, dann wird deutlich, dass einige Frauen auf etwas härtere Sexspielarten stehen – was aber auf gar keinen Fall heißt, dass sie gegen ihren Willen zum Sex genötigt werden wollen. Und es bedeutet auch nicht, dass sich hinter einem »Nein« zum Sex ein geziertes »Ja« verbirgt oder womöglich die Aufforderung zur Anwendung von Gewalt.
Vielleicht, das mutmaßen Forscher, die sich mit diesem heiklen Thema befassen, ist die entfesselte Begierde eines Mannes, die sich in einer Nötigungsszene manifestiert, ein krfatvolles Signal, dass der Hunger nach der Frau außer Kontrolle ist. Und das könnte bei Frauen die Lust immens steigern und zu einem erhöhten Verlangen führen. Allerdings muss und soll jede Frau das Recht haben, nein zu sagen, auch wenn sie zuvor andersartige Signale gegeben hat. Fantasie und Wirklichkeit sind zwei erotische Betätigungsgebiete – und die sollte Mann auf keinen Fall verwechseln.