Vertraute Gleichgültigkeit: Wenn sich der Partner gehen lässt

Zuhause trägt er nur noch Gammellook, der Bauch wird immer dicker und Deo kommt selten zum Einsatz: Wenn sich der Partner in der Beziehung gehen lässt, kann das zum regelrechten Liebeskiller werden. Denn wer den anderen äußerlich nicht mehr attraktiv findet, wird empfänglicher für die Reize Dritter.

Geborgenheit, Sicherheit, Beständigkeit – das erwarten viele Menschen von einer Beziehung. Dazu gehört auch der Wunsch danach, vom anderen so geliebt zu werden, wie man eben wirklich ist: Als nicht immer perfektes Wesen, innerlich wie äußerlich. Der Schicksals- und Partnerschaftsforscher Hermann Meyer etwa meint, wirkliche Liebe bedeute, dass man den anderen hinter all seinen Masken erkenne, akzeptiere und annehme. Also auch mit Dauermundgeruch und chronisch ungewaschenem Haar?

Die Themen dieses Beitrags:

Zu Beginn muss man sich anstrengen, dann kann aber der Schludrian einkehren – das glauben viele. Es ist nicht mehr nötig, den Partner durch besonders aufreizendes Outfit zu beeindrucken. Schließlich hat man ihn ja schon erobert. Man aalt sich lieber wohlig in dem Gefühl, die Liebe des anderen zu besitzen. Da kann man sich den Aufwand sparen. Und eben lässig mit den ohnehin überschätzten Äußerlichkeiten umgehen. Mitunter ist das eine recht fatale Einstellung.

Normal ist zwar, dass der Einsatz weniger wird, wenn die Vertrautheit wächst. Hat man in der heißen Eroberungsphase noch äußerlich alles gegeben, um den anderen für sich zu gewinnen, gibt man sich wesentlich entspannter, wenn die Beziehung im Kasten ist und der Alltag einkehrt. Das ist nicht automatisch negativ, meinen Psychologen. In einer guten Beziehung muss es auch möglich sein, sich mal hängen zu lassen und nicht immer im besten Style herumzulaufen. In den eigenen vier (Beziehungs-)Wänden sollte jeder so sein können, wie er mag, sich auch mal gehenlassen dürfen, wenn ihm danach ist. Das kann auch als eine Art psychologische Erholungsphase dienen, in der man ablassen kann von Kontrolle über sein Aussehen und die damit verbundenen Bemühungen. Schließlich befindet man sich ja innerhalb der Partnerschaft im Idealfall in einem gesicherten Rahmen, wo man nicht an Äußerlichkeiten gemessen werden sollte. Dann ist Lässigkeit ein Zeichen von Vertrautheit und beweist, dass man sich dem anderen nahe fühlt: Man lässt die steifen Hüllen der Fassade fallen und zeigt sich in unverstellter Blöße.

Nur lässig oder schon nach-lässig – wieviel soll man tolerieren?

Doch wo wird aus dieser Lässigkeit Nach-Lässigkeit? Jeder setzt hier die Messlatte woanders an. Den einen stört es, wenn der Partner Zuhause schlampig rumläuft, der andere findet das auch nach Jahr und Tag niedlich. Der eine hat was dagegen, wenn das Frühstück nur noch im Schlafgewand stattfindet, der andere sieht das als Krönung der Gemütlichkeit.

Wann etwas störend wird, ist Geschmackssache. Maßgeblich ist hier immer der Partner: Beginnt er darunter zu leiden, dass sich der andere gehen lässt, wird das zum Problem.Potrait von Dr. Wolfgang KrügerTolerant müsse man in jeder Beziehung sein, sagt Wolfgang Krüger. Wir sollten uns auch immer wieder daran erinnern, dass wir zwangsläufig ungerecht sind. »Während wir die eigenen Fehler kleinreden, sehen wir sehr deutlich die Fehler des Partners« schreibt der Paartherapeut in So gelingt die Liebe, auch wenn der Partner nicht perfekt ist . Wir hätten immer ein anderes Bewertungssystem als der Partner, meint Krüger. Dabei fordern wir von dem, der uns liebt, dass er auch unsere schwierigen, unangenehmen und unattraktiven Seiten toleriert – wenn nicht sogar liebt. Das gleiche gestehen wir aber nicht dem Partner zu. Seine unschönen Angewohnheiten sind alle für sich betrachtet No-Gos. Denken wir. Dabei muss Toleranz wechselseitig sein. Darum rät Krüger zu einer demokratischen Bewertung des Partners: »Sehen Sie seine Eigenschaften genauso tolerant wie sich selbst.« Über manches kann man ja hinweggehen, bei schlechten Gewohnheiten wie Unordnung als gutes Beispiel vorangehen oder die Sache ansprechen, um eine Änderung zu bewirken. Schwierig wird es aber, wenn sich der andere äußerlich verlottern lässt, keinen Wert mehr auf sein Aussehen legt.

Hier hapert's: Männer mehr, Frauen weniger

78 Prozent der Deutschen meinen, dass höfliche Umgangsformen in Beziehungen sogar noch wichtiger sind als Erotik. Das ermittelte eine repräsentative Umfrage der Frauenzeitschrift »Elle«. In dieser Studie gaben auch 82 Prozent der Befragten an, sie würden von ihrem Partner erwarten, dass er sich um ein attraktives Äußeres bemüht. Denn diesen Aufwand sehen sie als Zeichen von Liebe und Respekt. Jogginghosen und Badelatschen würden sogar 41 Prozent dem geliebten Partner demnach nicht einmal im Urlaub zumuten. Überhaupt scheint vielen das Äußere des Partners ganz und gar nicht egal zu sein. So ergab eine Emnid-Umfrage für die Zeitschrift »Shape«, dass jede fünfte Frau wegen des Bauchumfanges ihres Partners genervt ist und jeder zehnte Mann etwas gegen die Speckröllchen seiner Frau hat.

Das Gewicht ist ohnehin eine heikle Sache. Studien zufolge lassen sich besonders Männer hier gerne mal gehen. Eine amerikanische Untersuchung zeigt, dass verheiratete Männer im Laufe der Zeit ordentlich an Gewicht zulegen. Frauen sind da etwas weniger nachlässig. In verschiedenen Studien wurde zwar offensichtlich, dass auch sie in langen Beziehungen ihre Anstrengungen, äußerlich attraktiv zu bleiben, reduzieren. Aber im Gegensatz zu Männern bleiben sie doch eher in Form, achten auf Aussehen und Gewicht – sofern sie es auch vorher getan haben. Experten erklären das damit, dass Frauen grundsätzlich eher das Bedürfnis haben, sich optisch herauszuputzen – nicht in erster Linie für den Partner, sondern auch um sich selbst wohl in ihrer Haut zu fühlen.

Wohin es führen kann, wenn sich der Partner gehen lässt

Streit

Ach wie schön war das doch, als der andere sich noch schön gemacht hat für einen. Lässt das nach, kann es Anlass für viele Auseinandersetzungen sein. Man meckert am Partner herum, kritisiert sein Aussehen, seinen Style, sein Auftreten. Das trifft in den meisten Fällen auf Wiederstand. Wer möchte schon gerne vom Partner ständig über sein Äußeres belehrt werden? Uneinigkeiten über den Grad der Lässigkeit bieten Zündstoff für heftige Diskussionen. Und die können eine Beziehung an den Liebesabgrund führen. Zumal hier die Gefahr besteht, dass die Auseinandersetzung unsachlich wird. Denn was noch im Rahmen der Schicklichkeit oder als schön zu betrachten ist, ist Geschmackssache und damit sehr subjektiv.

Sexfrust

Die Sexhäufigkeit bei Paaren nimmt mit zunehmender Beziehungsdauer radikal ab. So betrachtet Theratalk etwa das Sexleben als eines der Gebiete, dass in längeren Partnerschaften am meisten an Quantität und damit auch an Qualität einbüßt. Kommt dann noch Nachlässigkeit hinzu, kann es sein, dass das Erotikleben ganz einschläft. Denn wer den anderen körperlich nicht mehr attraktiv findet, ihn sogar als abstoßend und schmuddelig empfindet, der kann kaum Begehren entwickeln. Viele Paare bemängeln sogar explizit, dass der andere in ihnen keine Lustgefühl mehr auslöst – selbst, wenn er oder sie appetitlich aussieht. Kommt dann noch ein unsexy Lotterlook dazu, kann auch die beste Libidio nicht mehr mithalten. Experten zufolge ist das auch einer von vielen Gründen, der dazu führt, dass Paare nach einigen Jahren gar nicht mehr miteinander schlafen: Der Überdruss der Gewöhnlichkeit in Allianz mit schleichender Attraktivitätsvernachlässigung sorgt für massive Lustlosigkeit.

Untreue

Und das kann letztlich eine Folge davon sein: Einer der Partner geht fremd. Denn je unattraktiver der eigene Partner wird, umso reizvoller erscheinen uns andere. Wir werden wieder empfänglicher für die Anziehungskraft Dritter, bemerken Äußerlichkeiten dort im besonderen Maße positiv – schließlich stehen sie im Kontrast zu dem, was wir Zuhause vorfinden. Was wir jeden Tag serviert bekommen, schmeckt ohnehin nicht mehr so lecker wie völlig neue Genüsse. Kommt dann noch die passende Gelegenheit hinzu, geht doch so mancher womöglich fremd, wenn er oder sie zermürbt ist vom Dauerfrust über die zunehmende Lässigkeit des Partners.

Wer sich optisch gehen lässt, drückt damit Tieferliegendes aus

»Du bist es mir nicht mehr wert, dass ich mich schön mache.«

Wenn es so etwas gibt wie eine Kunst des Liebens, gehört dazu auch, dass man es schafft, über einen längeren Zeitraum und verschiedene Beziehungsphasen hinweg den Zauber zu bewahren. Sprich: Für den Partner attraktiv zu bleiben, körperlich und geistig. Wer hier keinen Einsatz mehr bringt, signalisiert recht deutlich mangelnde Liebe. Denn ist es einmal so weit gekommen, dass es einem egal ist, wie einen der andere findet, dann ist es einem vielleicht auch Wurst, wohin es mit der Beziehung geht.

»Ich habe keinen Respekt vor Deinen Bedürfnissen.«

Des einen Freud ist des anderen Leid: Jeder Mensch hat andere Wünsche und Bedürfnisse. Wenn es Ihnen aber wichtig ist, dass sich Ihr Partner ordentlich anzieht und nicht ungewaschen das Haus verlässt, ist das etwas, was Sie nicht unterdrücken sollten. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung, wenn man die Wünsche des anderen achtet und seine Toleranzgrenzen auch hinsichtlich des Äußeren akzeptiert. Wer respektiert, dass der Partner Körperpflege für sehr wichtig hält, wird ihm hier kaum optische und olfaktorische Entgleisungen zumuten. Wenn Sie etwa trotz der vielen diesbezüglichen Bemerkungen Ihres Partners weiter Ihren Lässigkeitsschuh fahren, zeugt das nicht gerade von viel Respekt.

»Ich selbst bin mir egal geworden.«

Äußerliche Verwahrlosung kann aber auch ganz andere Gründe haben. Etwa, wenn jemand Probleme hat, depressiv ist oder sich in einer ausgewachsenen persönlichen Krise befindet. Dann kann es für ihn zeitweise unwichtig werden, wie er herumläuft. Wer so gar nicht mehr auf sich achtet, muss damit nicht unbedingt dem Partner etwas signalisieren, es kann auch nur mit der Person selbst zu tun haben. Wobei das auch immer Auswirkungen auf die Beziehung hat. Denn wer sich selbst gar nicht mehr liebt, macht sich auch unliebenswürdig für andere, allen voran für den eigenen Partner.

Fazit: So sag ich's meinem Partner – richtig Kritik üben

Der Hamburger Psychologe Michael Thiel sieht zu viel Nachlässigkeit nicht nur als ein Zeichen von zunehmender Gefühlsverrohung in einer Beziehung. Sondern meint auch, man könne das als Hinweis darauf deuten, dass es mit der Liebe nicht mehr so weit her ist. Doch was können Sie tun, wenn Ihr Partner Ihrem Empfinden nach zu locker mit der Lässigkeit umgeht und Sie zusehends genervter sind von seiner Art, sich äußerlich zu vernachlässigen?

Reden Sie darüber, sagen Sie in klaren Du-Botschaften, was Sie stört und versuchen Sie möglichst sachlich und ohne verletzende Vorwürfe das Thema anzuschneiden. Michael Thiel empfiehlt hier das BANK-Prinzip:

  • B wie Beschreiben: Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, sagen Sie ganz klar, was Sie sehen, etwa »Das Hemd mit dem Fleck hast Du jetzt schon zwei Tage an.«
  • A wie Auswirkung: Erklären Sie, wie sich das auf Sie auswirkt, zum Beispiel »So mag ich Dich gar nicht gerne in den Arm nehmen.«
  • N wie Nennen von Veränderungswünschen: Machen Sie aus einem Vorwurf einen Wunsch, etwa »Anders gefällst Du mir viel besser.«
  • K wie Konsequenzen: Drohen Sie nicht, aber sprechen Sie offen über mögliche Folgen, wenn Ihr Partner Ihre Bedürfnisse missachtet: »Wenn Du Dir nicht mehr Mühe gibst, wird meine Zuneigung für Dich sinken.«

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