Schlachtfeld Partnerschaft: Warum Dauerzoff zum Beziehungskollaps führt und wie gutes Streiten geht
Gerade noch ganz harmonisch, jetzt schon fies verstritten – in manchen Beziehungen regiert der Streit. Das macht keinen Spaß und führt zu nichts Gutem. Vor allem dann nicht, wenn Sie falsch streiten.
94 Prozent aller Paare streiten regelmäßig, bei der Hälfte gibt es Missverständnisse in mindestens jedem dritten Gespräch und 29Prozent strafen den Partner bei Konflikten mit Schweigen.
Quelle: Parship-Umfrage 2015 zur Streitkultur deutscher Paare
Ja, warum streiten Sie denn überhaupt?
In Beziehungen muss bei vielen Themen verhandelt und entschieden werden. Zusammenziehen oder nicht, Kinder gleich, später oder nie, Haus bauen oder viel umziehen – bei den ganz großen Fragen sollten zwei Menschen sich grundsätzlich einig sein. Aber dann gibt es ja noch all die kleinen Meinungsverschiedenheiten, die sich aus der Persönlichkeit, den Gewohnheiten und den Schrullen der Partner ergeben oder schlicht und ergreifend der Organisation eines gemeinsamen Alltags geschuldet sind.
Diese Streitereien gibt es in jeder Beziehung. Denn dass zwei Menschen zusammenkommen, die immer dasselbe wollen und stets die gleiche Meinung haben, ist utopisch. Darum streiten ja auch fast alle. Laut einer repräsentativen Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach geht es dabei um diese Dinge:
Die 7 häufigsten Zoffauslöser
- schlechte Angewohnheiten – 42 Prozent
- unterschiedliche Auffassungen von Ordnung und Sauberkeit– 42 Prozent
- Eltern und Schwiegereltern – 42 Prozent
- Geldfragen – 41 Prozent
- Aufgabenverteilung im Haushalt – 36 Prozent
- unterschiedliche Ansichten über Kindererziehung 32 Prozent
- nervige Kommentare beim Autofahren – 32 Prozent
Fällt Ihnen etwas auf? Im Alltag führen anscheinend oft Banalitäten zum Krach – der offene Klodeckel (schlechte Angewohnheit), rumliegendes Zeug (Ordnung) und der Abwasch (Haushalt) können in Nullkommanichts den heftigsten Streit auslösen.
Konfliktlöser und Beziehungsverstärker: Richtig streiten
Probleme, die ausdiskutiert werden, Unstimmigkeiten, die einen in Rage bringen – damit müssen Sie also in jeder Beziehung rechnen. Ob Sie aber aus jeder Mücke gleich einen Elefanten machen oder selbst bei schwierigen Konflikten einen kühlen Kopf bewahren, hängt von Ihnen ab. Letzteres kriegen deutsche Paare ganz gut hin. Bei denen fliegen im Ernstfall nämlich eher selten die Fetzen, das ermittelte eine Parship-Umfrage: Laut einer Parship-Umfrage hüllt sich mehr als jeder vierte Deutsche bei Unstimmigkeiten in eisiges Schweigen, anstatt seinem Ärger Luft zu machen. Das klingt als Strategie gar nicht mal so schlecht, oder? Klappe halten und Ärger runterschlucken verhindert immerhin größere Eskalationen und garantiert die Beziehungsharmonie.
Mitnichten! Sie können, sollen und müssen mit Ihrem Partner streiten – hier sind 3 Gründe dafür:
Grund 1: Wer Konflikte unterdrückt, schadet der Liebe
Wer Auseinandersetzungen aus dem Weg geht, vermeidet zwar Ärger und schlechte Stimmung, sorgt aber dafür, dass die eigentlichen Probleme bleiben. Unstimmigkeiten werden so nur unterdrückt und können bei nächster Gelegenheit umso heftiger wieder hervorbrechen. Oft führt das auch dazu, dass sich Konflikte verfestigen und irgendwann in einer großen Abrechnung aufgetischt werden.
Grund 2: Wer streitet, empfindet noch Leidenschaft für den anderen
Kann Sie Ihr Partner nicht mehr provozieren, lassen seine Anfechtungen Sie kalt? Dann steht es womöglich nicht gut für Ihre Liebe. So absurd es auch klingt: Wer sich noch richtig über den anderen aufregen kann, bezeugt damit, dass ihm am Partner noch etwas liegt.
Grund 3: Wer streitet, hat die Chance auf Weiterentwicklung in der Beziehung
Gemeinsam alt werden – ein Traum vieler Menschen. Da wir uns aber im Laufe unseres Lebens verändern, empfiehlt es sich auch in einer Beziehung, sich immer wieder neu aufzustellen. Und zwar zusammen. Wenn Sie Streit als konstruktive Auseinandersetzung begreifen, können Sie viel lernen im Konfliktgespräch – über den anderen und über sich selbst.
Zunder fürs Gefühlschaos: falscher Streit entzweit
Allerdings kommt es nicht nur darauf an, dass Sie überhaupt zoffen. Sondern vor allem, wie Sie streiten. Wenn eine Beziehung in ein extremes Auf und Ab der Emotionen ausartet, ständig auf der Kippe steht, weil es zwischen den Partnern im Streitfall immer um Alles oder Nichts geht, dann kann die Liebe schnell verpuffen.
Schließlich steht Ihnen mit Ihrem Partner nur ein begrenzter Zeitrahmen zur Verfügung, innerhalb dessen Sie die Liebe pflegen können. Das behauptet John Gottman in seinem Buch Die Vermessung der Liebe. Und er weiß Bescheid, hat er doch viele Jahrzehnte lang Paare beim Reden und Streiten live beobachtet. Die Zeit, die wir den Worten unseres Partners volle Aufmerksamkeit schenken, schreibt er, belaufe sich im besten Fall auf 50 Prozent, im Normalfall auf 30 Prozent. Während der restlichen 70 Prozent kreisen Ihre Gedanken um Job, Termine und andere Alltagsangelegenheiten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass beide Partner gleichzeitig voll bei der Sache sind, liege nur bei mickrigen 9 Prozent – damit würden 91 Prozent der Zeit die allerbesten Voraussetzungen für eine Fehlkommunikation herrschen.
Seine ausführlichen Studien zeigten Gottman, dass sich anhand des Streitverhaltens eines Paares Vorhersagen über den Verlauf der Partnerschaft machen ließen. So stellte der Forscher fest, dass sich bei frisch verheirateten Paaren, die die Fähigkeit besaßen, bei Konfliktgesprächen immer noch etwas Positives zu sagen, nicht nur vorhersagen ließ, ob die Paare nach 6 Jahren noch zusammen waren – sondern auch, wie glücklich sie dann waren.
Gutes Streiten – schlechtes Streiten?
Aber wie unterscheidet sich nun guter von schlechtem Streit? Gottman benennt es klar: Schlecht sieht es aus, wenn die Partner gleich mit Kritik ins Gespräch einsteigen und sich in Rage reden, ohne sich immer wieder ihre Zuneigung zu versichern.
Nicht Streit an sich zerrüttet Beziehungen, die Art und Weise, wie Paare zanken, bringt sie auseinander.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei, wie viele negative im Gegensatz zu positiven Bemerkungen die Partner in einem Konfliktgespräch machen. Dieses Verhältnis hat Gottman auf eine simple Rechnung gebracht, die 1:5-Formel. Sie besagt, dass eine Beziehung die fünffache Menge an guten Worten braucht – dann ist sie dauerhaft stabil und glücklich. Daraus lässt sich auch zahlenmäßig ableiten, was Beziehungen zum Scheitern bringt: So ermittelte Gottman, dass bei Paaren, die kurz vorm Aus standen, das Verhältnis zwischen negativen und positiven Interaktionen bei 1:0,8 lag – also weit unter dem, was beziehungsfördernd ist.
4 typische Streitfallen – und 4 Streittipps, damit Sie nicht reintappen
Streifalle 1: Schlechte Angewohnheiten
Schlechte Angewohnheiten kann man grundsätzlich ändern. Aber nur, wenn sie nicht als Teil der Persönlichkeit zu den Dingen gehören, die auch bei bestem Willen schwer abzuschaffen sind. Will Ihr Mann morgens nicht früh aufstehen, um die Kinder in die Kita zu bringen, oder kann er es einfach nicht, weil sein Schlafrhythmus anders gepolt ist? Weigert sich Ihre Frau, ordentlich einzuparken, oder fehlt Ihr dafür schlicht und ergreifend das räumliche Vorstellungsvermögen? Das eine lässt sich ändern – das andere nicht.
Goldene Streitregel 1: Wählen Sie Ihre Streitthemen gut aus
Es gibt Konflikte, die können Sie gemeinsam klären. Dann gibt es aber auch die Konflikte, die unlösbar sind. Die Kunst liegt darin, zwischen beiden zu unterscheiden und damit zu leben. Arbeiten Sie sich nicht ab an Problemen, die Sie nicht lösen können, reiben Sie sich nicht auf, indem Sie immer wieder Streitgespräche führen, die zu nichts führen. Überlegen Sie sich, wo sich Streit mit Ihrem Partner wirklich lohnt, wo Sie eine reelle Chance auf einen Kompromiss haben. Unlösbare Konflikte sind übrigens solche, die sich aus dem Charakter, der Persönlichkeit oder den Werten der Beteiligten ergeben, erklärt Christian Thiel in »Warum Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben«. Forschungen hätten ergeben, dass Paare zu 68 Prozent über unlösbare Probleme reden, die sich niemals gemeinsam bewältigen ließen. Je vehementer Partner in Streitgesprächen versuchen, diese grundlegenden Unterschiede zu klären, umso unglücklicher werden sie.
Streifalle 2: Unterschiedliche Auffassungen von Ordnung und Sauberkeit
Immer pinkelt er im Stehen, immer schmeißt sie Ihre Abschminktücher ins Klo – das nervt. Alle Bitten verhallen im All, Jammern und Motzen bringen auch nichts. Er findet Sitzpinkler unmännlich, sie interessiert nicht, welche Kosmetikprodukte biologisch abbaubar sind und welche nicht. Und ab wann das Wohnzimmer als aufgeräumt gilt, ist auch Interpretationssache, beziehungsweise: Ihre Schmerzgrenze liegt weit unter der Ihres Angetrauten.
Goldene Streitregel 2: Formulieren Sie Ihr Anliegen als Bitte oder Wunsch
Machen Sie aus einem harschen »Nie räumst Du auf!« Ein sanftes »Es wäre schön, wenn Du das wegräumen könntest.« Damit machen Sie aus einer Kritik eine Handlungsoption – und haben so gute Chancen, dass Ihr Wunsch erfüllt wird. Erstens sagen Sie klipp und klar, was Sie vom anderen erwarten und geben ihm damit die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Außerdem vermeiden Sie, dass Ihr Partner mit einem unsachlichen Gegenangriff kontert und Sie im Patt enden.
Streifalle 3: Geldfragen
Puh, schwieriges Thema. Da ist die Zoff-Bandbreite echt enorm, das kann von geringfügigen Ausgaben bis hin zur Hausfinanzierung gehen. Kompliziert ist es vor allem dann, wenn man zwar in einen Topf wirtschaftet, aber zwei Konten hat. Hier geht es um Gerechtigkeit.
Goldene Streitregel 3: Fallen Sie bei Finanzen nicht mit der Tür ins Haus
Finden Sie, Ihre Frau vertitscht das Haushaltsgeld, oder halten Sie die Fitnessausgaben Ihres Mannes für zu hoch? Dann poltern Sie nicht gleich los mit Vorwürfen. Wählen Sie einen sanften Gesprächsauftakt, nehmen Sie sich Zeit und Ruhe, um mit Ihrem Partner zu sprechen. Reden Sie von sich, zeigen Sie Verständnis und traktieren Sie den anderen nicht mit Anklagen. Gottman beobachtete, dass Männer und Frauen so höflich angesprochen eher auf die Bedürfnisse des anderen eingehen.
Streifalle 4: Aufgabenverteilung im Haushalt
Einkaufen, abwaschen, putzen – im Haushalt fällt einiges an Arbeit an. Trotz aller Emanzipation scheint vieles davon noch fest in Frauenhand und einer der klassischen Streitauslöser überhaupt zu sein. Experten meinen sogar, Hilfe im Haushalt würden Frauen ihren Männern gerne mal mit mehr Sex vergelten. Dennoch schalten viele Männer bei bestimmten Reizwörtern auf Durchzug und hören bei wiederkehrendem Gemecker einfach nicht mehr hin.
Goldene Streitregel 4: Richtig hin- und zuhören
Klingt banal, stellt sich aber in der Praxis als gar nicht so einfach heraus: Das genaue Zuhören. Wir neigen dazu, dass zu hören, was wir hören wollen – auch im Negativen. Versuchen Sie, Ihren Partner wirklich zu verstehen, indem Sie nicht sofort auf Reizwörter anspringen, sondern mal ordentlich lauschen, was der andere denn eigentlich meint. Was genau will er oder sie von Ihnen: mehr Aufmerksamkeit vielleicht oder Anerkennung? Oder geht es um etwas ganz anderes? Verständnis, nichtdefensives Zuhören und Empathie – darauf kommt es laut Gottman hier an.
Fazit: Glückliche Paare streiten anders
Nur wenige Minuten braucht John Gottman angeblich, um den Zustand einer Beziehung einzuschätzen – nach dieser kurzen Zeit weiß der Paarkenner, wohin es mit dieser Liebe gehen kann. Denn wie Partner in einen Streit einsteigen, lässt ihm zufolge Rückschlüsse darauf zu, wie das Gespräch verläuft. Beginnt es positiv, einfühlsam und wohlwollend, wird sich der Streit nicht zu einer Katastrophe auswachsen.
Da fragen wir uns doch: Was war zuerst da – die unglückliche Beziehung oder der falsche Streit? Das lässt sich vermutlich schwer sagen. US-Psychologen fanden heraus, dass sich unglückliche Partner im Streit vor allem auf ihre negativen Gefühle – zum Beispiel Verbitterung, Ärger oder Frustration – konzentrieren, wohingegen sich glückliche Paare ausgleichen: Wenn der eine zu negativ wird, kompensiert der andere das durch Positives. So geraten diese Paare nicht in die Negativspirale gegenseitiger Abwertung.
Allerdings können Sie auch etwas tun, wenn Sie merken, dass die Streitereien zu häufig eskalieren – etwa, indem Sie mal dies versuchen:
- Finden Sie heraus, was unlösbare Probleme in Ihrer Beziehung sind – und versuchen Sie, diese zu akzeptieren, anstatt unsinnig herumzudiskutieren.
- Ihr Partner will Ihnen (in der Regel) nichts Böses – befreien Sie sich und den anderen von destruktiven Unterstellungen.
- Manchmal gibt es ke texinen Kompromiss – lassen Sie es auch mal gut sein.
- Machen Sie nicht von Ihrer Fähigkeit Gebrauch, den anderen an seinen empfindlichsten Stellen zu kränken, um sich einen Streitvorteil zu verschaffen.
- Nehmen Sie bewusst wahr, was Sie so sagen im Konflikteifer – und nehmen Sie sich vor, jedem negativen Comment mindestens zwei positive Bemerkungen hinterher- oder sogar vorauszuschicken.