Fremdverliebt – genießen, wechseln oder entlieben?
Aus Neugier wird Interesse, aus Spiel Ernst: Jedem kann es passieren, dass er sich verliebt, obwohl er in einer festen Beziehung steckt. Ist das dann ein Strohfeuer oder brennt da echt etwas? Und wie sollte man mit solchen Gefühlen umgehen?
26 Prozent würden ihren Partner verlassen, wenn beim Flirten der Traumpartner dabei sein sollte – unabhängig davon, ob es zuvor eine Beziehungskrise gab oder nicht.
Vom ganz normalen Flirtrisiko
Ich flirte, also lebe ich – wer genießt nicht sehnsüchtige Blicke und aufregende Gespräche mit einem Fremden? Tagtäglich hat jeder von uns jede Menge Flirtbegegnungen, oft unbewusst. Denn Flirten liegt uns quasi in den Genen: So präsentieren wir uns und preisen uns potenziellen Partnern an – letztlich im Dienste der Fortpflanzung. Damit holt sich eigentlich jeder ab und an auch die Bestätigung, attraktiv zu sein. Außerdem macht Flirten gute Laune. So fanden britische Forscher heraus, dass Teile des Gehirns, die für Glücksgefühle zuständig sind, aktiviert werden, wenn wir mit einem Fremden, den wir attraktiv finden, Blickkontakt aufnehmen.
Kurzum: Immer und überall kann es passieren, dass uns jemand gefällt. So flirten auch 76 Prozent fest Gebundene gerne mal nebenbei, wie eine Online-Umfrage ermittelte. Hauptsächlich tun sie das, um ihren Marktwert zu checken. Für 64 Prozent reicht da schon, wenn sie angesprochen oder angelächelt werden. Für 20 Prozent darf es aber gerne mehr sein: Sie fühlen sich erst bestätigt, wenn körperliche Berührungen dazu kommen.
Wenn's ein bisschen mehr ist…
Sich von einem Menschen angezogen zu fühlen, ist normal. Manchmal kommt es dann auch zu engerem Kontakt, man sieht sich intensiver in die Augen, zarte Berührungen folgen. Nicht immer ist das gleich Verliebtheit. Manchmal ist es auch einfach nur das berauschende Gefühl, anziehend zu wirken oder jemanden für sich einzunehmen. Daraus kann aber auch mehr entstehen – vor allem, wenn man den Flirtpartner regelmäßig trifft. So beginnt auch ein Großteil der Affären im Freundes- oder Bekanntenkreis, viele lernen ihren Seitensprung bei der Arbeit oder in der Nachbarschaft kennen.
Die amerikanische Psychologin Shirley Glass warnt darum ausdrücklich vor engeren Freundschaften – denn die würden immer das Risiko bergen, dass man sich verliebt. Mal ganz abgesehen vom Kaffeetassen-Syndrom, das Glass in ihrem Buch Die Psychologie der Untreue beschreibt: Demnach ergibt sich zwischen Kollegen, die sich regelmäßig auf eine Tasse Kaffee im Büro zum Austausch treffen, schnell eine intime Beziehung, die den Rahmen harmonischer Zusammenarbeit sprengt.
Richtig verliebt oder nur verblendet? Woran Sie merken, dass mehr Gefühle im Spiel sind
Schön wäre es, wenn Sie ganz sicher wüssten, was Ihre Verliebtheitsgefühle zu bedeuten haben. Aber Gefühle können sehr trügerisch sein, immer spielt auch Ihre aktuelle Partnerschaft eine Rolle – und natürlich die Lebenslage, in der Sie sich gerade befinden.
Es gibt immer Phasen, in denen Partner empfänglicher sind für Versuchungen, etwa wenn die Beziehung kriselt, die Partnerschaft eingefahren ist, Sie unter dauerhaftem Sexfrust leiden oder sich von Ihrem Partner entfremdet haben. Ob Ihre Fremdverliebtheit mehr zu bedeuten hat, können nur Sie selbst beurteilen – oder erfahren.
Diese 6 Zeichen können auf mehr als nur eine harmlose Schwärmerei hindeuten
- Die Verliebtheitsgefühle halten schon länger an
- Die Verliebtheitsgefühle werden zunehmend intensiver
- Sie fühlen sich körperlich sehr angezogen von der anderen Person
- Sie verbringen lieber Zeit mit der anderen Person als mit Ihrem Partner
- Aus Träumereien werden Zukunftspläne
- Sie haben bereits vergebliche Versuche gemacht, von Ihren Verliebtheitsgefühlen loszukommen.
Länger ist relativ, Tatsache aber ist: Bestehen die starken Gefühle für eine andere Person schon über Monate hinweg, könnte tatsächlich mehr dahinter stecken.
Strohfeuer erkennt man daran, dass sie heftig brennen, aber schnell abkühlen. Manche Fremdverliebte machen einen Rückzieher, wenn mehr aus dem Flirt werden könnte. Wenn Annäherungsversuche des anderen bei Ihnen aber eine Intensivierung der Gefühle bewirken, sieht es ernster aus.
Es bleibt nicht beim Wunsch nach geistiger Nähe, Sie sehnen sich immer mehr nach Körperkontakt. Je größer hier die Versuchung, umso schwerer wird es zu widerstehen.
Das Zusammensein mit der Person, in die Sie verliebt sind, ist fester Bestandteil Ihres Alltags. Und Sie weihen diese Person in all Ihre Freuden und Sorgen ein, wohingegen Ihr Partner davon so gut wie nichts mehr erfährt.
Man darf ja mal was-wäre-wenn durchspielen, wenn diese Fantasien aber Gestalt annehmen und Sie sich schon überlegen, wie es sein könnte, wenn Sie Nägel mit Köpfen machen und sich in die neue Liebe stürzen, ist das ein Hinweis darauf, dass Sie für mehr bereit sind.
Trotz beherzter Gegenwehr kommen Sie gegen Ihre Verliebtheitsgefühle nicht an. Immer wieder haben Sie sich schon entwöhnt und wurden dann wieder von Ihrer Begeisterung für diese Person überwältigt? Geht das über einen längeren Zeitraum so, könnten die Gefühle tiefer sein.
Reden oder schweigen, Affäre beginnen oder Verliebtheitsgefühle unterdrücken?
Bevor Sie beichten, sollten Sie sich diese drei Fragen beantworten:
- Warum wollen Sie Ihre Verliebtheit dem Partner beichten?
- Was erhoffen Sie sich davon?
- Können Sie mit möglichen Folgen leben?
Wollen Sie sich durch ein frühes Geständnis in Sicherheit bringen, um in Ihrem Partner einen Mitwisser zu haben, der Sie kontrolliert? Oder hat das tiefere Gründe? Wollen Sie Ihren Partner vielleicht eifersüchtig machen, Ihrer Beziehung einen Kick versetzen, indem Sie zeigen: Du hast mich nicht ganz sicher, ich interessiere mich auch für andere?
Wollen Sie mit Ihrem Geständnis den Stein ins Rollen bringen und eine Trennung provozieren? Oder möchten Sie nur besonders ehrlich sein und Ihren Partner in Ihre Gefühle einweihen? Womöglich geht es Ihnen auch darum, dem anderen wehzutun, weil er sich Ihrer allzu sicher zu sein scheint. Überlegen Sie, was Sie mit einer Beichte bewirken – und ob Sie das so beabsichtigen.
Sie kennen Ihren Partner, können vielleicht theoretisch einschätzen, wie er auf Ihre Beichte reagieren wird. Aber die tatsächlichen Folgen können Sie schlecht abschätzen. In jedem Fall verletzen Sie Ihren Partner damit, kränken ihn. Das kann Ihr Vertrauensverhältnis zerrütten. Möglich ist auch, dass Ihr Partner Schluss macht oder Ihr Geständnis Auftakt für eine Beziehungskrise ist. Sind Sie bereit, so weit zu gehen?
Wenn Sie schweigen, sollten Sie sich diese drei Fragen beantworten:
- Gibt es überhaupt etwas, das Sie verschweigen müssen?
- Wie fühlen Sie sich damit, dass Sie ein pikantes Geheimnis haben?
- Hat Ihr Verschweigen einen tieferen Grund?
Schlafende Hunde soll man nicht wecken, falls Sie Ihre Verliebtheitsgefühle (noch) als Schwärmerei verbuchen, müssen Sie überlegen, was genau Sie beichten wollen. Ist überhaupt schon etwas passiert oder spielt sich das Ganze bisher nur in Ihrer Gedankenwelt ab? Vor allem, wenn sich Ihre Gefühle im Anfangsstadium befinden, fragt sich: Was wollen Sie denn gestehen?
Manche Paare erzählen sich alles, andere haben auch Geheimnisse voreinander. Ist das für Sie ein Problem, belastet es Sie, dass Sie sich fremdverliebt haben und Ihr Partner ahnungslos ist? Oder sind Ihre heimlichen Gelüste sogar spannender Auftrieb für Ihre Beziehung, weil Sie in Gedanken Liebesalternativen durchspielen?
Sie sind schon länger unzufrieden mit Ihrer Beziehung, hängen aber am anderen und wissen nicht, wie und ob überhaupt Sie diese Partnerschaft beenden sollen? Vielleicht konnten Sie sich fremdverlieben, weil Sie Ihre Beziehung innerlich schon aufgegeben haben. In diesem Fall könnte Ihr Bedürfnis zu schweigen auch den Grund haben, dass Sie sich erst über Ihre Gefühle im Klaren sein wollen. Denkbar ist natürlich auch, dass Sie Ihrem Partner auf gar keinen Fall weh tun wollen, ganz gleich, wie stark Ihre Fremdverliebtheit ist.
Bevor Sie eine Affäre beginnen, sollten Sie sich diese drei Fragen beantworten:
- Wie sehr hat Ihre Verliebtheit mit dieser Person zu tun?
- Inwieweit spielt Ihre Beziehung eine Rolle?
- Sind Sie bereit für alles, was eine Affäre mit sich bringt?
Manchmal fasziniert uns mehr das Gefühl, verliebt zu sein, als die tatsächliche Verliebtheit, beziehungsweise die Person. Passiert es Ihnen öfter, dass Sie sich für jemanden begeistern, Schmetterlinge im Bauch haben und ins Schwärmen geraten? Dann haben diese Gefühle sicher viel mit Ihrem Grundbedürfnis nach Verliebtheit zu tun.
Paarberater sind sicher: Wer absolut glücklich in seiner Beziehung ist, der verliebt sich nicht so schnell anderweitig. Passieren kann es aber trotzdem, auch in einer guten Beziehung. Wo die steht, sollten Sie genauer betrachten, wenn eine andere Person plötzlich Liebesgefühle in Ihnen auslöst. Ist Ihre aktuelle Partnerschaft wirklich so gut, wie Sie meinen? Oder fehlt Ihnen doch etwas, vermissen Sie Gespräche, Sex oder etwas anderes, das Sie in einer Affäre suchen? Ihre Beziehung ist sicherlich nicht verantwortlich dafür, dass Sie sich fremdverlieben. Aber eine Rolle spielt sie dabei schon – finden Sie heraus, welche.
Haben Sie den Schritt in eine Affäre getan, werden Sie mit weiteren Schwierigkeiten konfrontiert, darauf müssen Sie sich gefasst machen. Ihr schlechtes Gewissen, die Forderungen Ihres Seitensprungpartners, das Vertuschen heimlicher Treffen, die Gefahr aufzufliegen – da kommt einiges auf Sie zu. Letztlich müssen Sie sogar damit rechnen, dass daran Ihre Beziehung scheitert. Meinen Sie, das ist es wert? Ist diese Verliebtheit stark genug, um Sie dafür zu »entschädigen«?
Bevor Sie Ihre Verliebtheitsgefühle unterdrücken, sollten Sie sich diese drei Fragen beantworten:
- Ist es das erste Mal, dass Sie sich in eine andere Person verliebt haben?
- Wird es Ihnen gelingen, über diese Gefühle hinwegzukommen?
- Sind Ihre Verliebtheitsgefühle Ausdruck Ihrer Unzufriedenheit in Ihrer Beziehung?
Einmal ist keinmal – oder doch eher ein Zeichen dafür, dass es ernst ist? Schwer zu sagen. Wenn Sie aber ständig den Reizen einer anderen Person vorübergehend erliegen, dann kann es mit Ihrer derzeitigen Verliebtheit nicht so weit her sein. Vielleicht brauchen Sie das Gefühl, auf Dritte attraktiv zu wirken und entflammen im Gegenzug auch gerne mal für diese Personen. Ist es noch nie zuvor in dieser Intensität passiert, deutet das eher darauf hin, dass sich hier etwas Ernstes anbahnt.
Was müssen Sie tun, um die Person, in die Sie verliebt sind, aus Ihrem Kopf zu bekommen? Und wie wahrscheinlich ist, dass es klappt? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Allerdings kann der weit und beschwerlich werden. Je schwerer es Ihnen fällt, die Verliebtheitsgefühle zu unterbinden, umso mehr könnten sie bedeuten.
Wer unglücklich ist, sucht meist Auswege aus dieser Lage – ein Weg kann sein, sich in jemand anderen zu verlieben. Dass es Ihnen passiert ist, kann Signal dafür sein, dass Ihre Beziehung nicht mehr das ist, was Sie glücklich macht. Dann erreichen Sie wenig damit, wenn Sie diese Verliebtheitsgefühle unterdrücken.
Fazit: Eine Entscheidung treffen – 3 Tipps
Jetzt mal ganz sachlich bleiben, das ist in so einer Situation leichter gesagt, als getan. Wenn Sie sich fremdverliebt haben, stecken Sie in einem Zwiespalt, der mit Logik alleine sicherlich nicht zu bewältigen ist. Verliebtheitsgefühle können viele Gründe haben und lassen sich schwer rationalisieren. Diese Tipps könnten Ihnen helfen:
- Prüfen Sie Ihre Verliebtheitsgefühle
- Hinterfragen Sie Ihre Beziehung
- Lassen Sie sich Zeit
Manche Verliebtheitsgefühle kommen schnell und gehen ebenso rasch wieder: Die Begeisterung für eine andere Person kann sich auch wieder legen, dann haben Sie sich umsonst mit der Frage herumgeschlagen, ob Sie einen Seitensprung wagen oder sich sogar gleich trennen sollten. Überlegen Sie, wie tief Ihre Gefühle für die andere Person tatsächlich sind.
Was ist gut, was ist schlecht, warum sind Sie mit Ihrem Partner zusammen und was fehlt Ihnen in der Beziehung? Nutzen Sie das Auftauchen von Verliebtheitsgefühlen als Anlass, Ihre Partnerschaft einer Inventur zu unterziehen. Manchmal helfen solche amourösen Intermezzi, die Liebe auf Herz und Nieren zu prüfen – und sogar neu zu beleben.
Kommt Zeit, kommt Rat? Wohl eher nicht. Schieben Sie eine Entscheidung nicht auf, verschließen Sie nicht die Augen vor der Realität, aber setzen Sie sich auch nicht unter Druck. Nehmen Sie sich Auszeiten, versuchen Sie, Ihre Situation mit ein wenig Abstand zu betrachten.
Buchtipp zum Thema: Ulrich Clement, »Wenn Liebe fremdgeht«
Warum verliebt man sich in jemand anderen, sollte man Untreue beichten oder besser verschweigen, wie können Paare einen Seitensprung positiv bewältigen und wie geht respektvolles Betrügen? Auf solche und viele andere Fragen gibt der Heidelberger Paartherapeut fundierte Antworten. Interessant ist das nicht nur für Menschen, die mit Seitensprüngen konfrontiert werden, sondern auch für solche, die sich fremdverliebt haben und nicht wissen, was diese Gefühle zu besagen haben und wie sie damit umgehen sollen. In diesem Buch findet man viele Anregungen für eine gute Auseinandersetzung. Nach dem Fremdverlieben kann vor der Affäre sein, darum sollte man sich Clements Rat zu Herzen nehmen: »Tu nichts, was du nach der Affäre bereust!«