»Entdeckt den Rambo in Euch!«
Ein Gespräch mit Johannes Storch
Mann, mach Dich stark – dann klappt es auch besser mit den Frauen. Verständnisvolle Männer mit Alice-Schwarzer-Gütesiegel sind zwar eine feine Sache, haben es aber in Beziehungen mit starken Frauen oft sehr schwer. Warum das so ist und wie Mann das ändern kann, erklären Maja und Johannes Storch in ihrem Buch »So können starke Männer starke Frauen lieben«. Männer, meinen sie, sollten viel mehr nach sich schauen und sich öfter trauen, auch mal Macho zu sein.
Wir haben mit einem der Autoren, Johannes Storch, über halbstarke Frauen, Beziehungsprobleme und Männerschatten gesprochen.
Interview geführt am 01.04.2016
Seitensprung-Fibel.de: Lieber Herr Storch, wie finden Sie starke Frauen?
Johannes Storch: Toll! Starke Frauen sind attraktiv und aufregend. Aber: Beziehungen mit starken Frauen sind eine echte Herausforderung, die Männer schon irgendwann verzweifeln oder resignieren lassen können.
Seitensprung-Fibel.de: Was ist das denn für Sie: eine »starke« Frau? Eine, die unabhängig ist, selbstbewusst auftritt oder herrschsüchtig – eigentlich kann es ja alles sein…
Johannes Storch: Für mich sind die Frauen, die mich interessieren, in der Tat selbstständige Frauen, die ihr Leben im Griff haben, es gut organisieren, die berufstätig sind und für sich selbst sorgen können und wollen. Das ist etwas, was mich – wie viele Männer – sehr beeindruckt. Diese Art der Stärke bedeutet für mich: Da bin ich als Mann erstmal nicht zuständig, muss sie nicht umsorgen und führen. Außerdem ist das anziehend, weil ich dann weiß, wir sind zwei gleichberechtigte Partner, die sich auf einer höheren Ebene gemeinsam weiterentwickeln können.
Seitensprung-Fibel.de: Also stark im ganz eigentlichen Wortsinn…
Johannes Storch: Eigentlich schon, aber mit Einschränkungen. Da braucht es von uns Autoren noch ein bisschen Erklärung. Der Begriff ist etwas unscharf. In unseren Augen sind Frauen (genauso wie Männer übrigens) erst dann im eigentlichen Sinne stark, wenn sie sich tatsächlich mit ihren Schatten auseinandergesetzt und diese integriert haben. Frauen und Männer, die das nicht getan haben, sind also nach der Defintion in unserem Buch halbstark.
Seitensprung-Fibel.de: Schatten? Was meinen Sie damit?
Johannes Storch: Das bezieht sich auf die Schattentheorie von Carl Gustav Jung (analytischer Psychologe, 1875-1961, Anm. der Redaktion). Er geht davon aus, dass die menschliche Psyche aus bewussten und unbewussten Anteilen besteht.
Es gibt einen repräsentativen, nach außen gerichteten Aspekt des Ich-Bewusstseins, mit dem jeder Mensch versucht, ein mit seinen Idealen übereinstimmendes Bild seiner Persönlichkeit abzugeben. So will er von den anderen gern gesehen werden.
Der Gegenpol ist der Schatten – dazu gehören Persönlichkeitsbereiche, Verhaltensweisen und Meinungen, die nicht dem eigenen Ich-Ideal oder den Werten des sozialen Umfelds entsprechen. Die will er am liebsten verstecken.
Das können in unseren Augen unpassende Handlungen, Bedürfnisse oder Ansichten sein, die wir unterdrücken. So entwickeln wir Schattenanteile, die ein Leben im Verborgenen führen und verwildern. Jeder Mensch trägt diesen unterdrückten Teil als Schattengestalt mit sich herum, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Aber dieser Schatten kann immer wieder ausbrechen und dazwischenfunken.
Seitensprung-Fibel.de: Was bedeutet das für Beziehungen?
Johannes Storch: Die unterschiedlichen Schattenanteile von Frauen und Männern können eine Beziehung richtig schwierig machen. Die Frau unterdrückt ihre »schwache« Seite, bekämpft den inneren Impuls, auch mal nur »Weibchen« zu sein. Wenn der Schatten, das »Weibchen«, dann aber doch mal ausbricht, dann kann das den Mann sehr irritieren. Er erkennt die Frau an seiner Seite nicht wieder und weiß nicht, wie er mit der »neuen« Frau umgehen soll. Dazu kommt, dass der Mann ja auch mit seinem Schattenanteil zu tun hat. Er wäre gerne manchmal ein Macho, stark, selbstsicher und mutig. So ein Macho-Schatten kann für eine Beziehung auch schwierig sein, wenn er zur falschen Zeit und in der falschen Dosis daherkommt.
»Wenn die Frau ihre schwache Seite zeigt, dann lässt das den Mann zwar ganz kurz noch stolz sein, denn die starke Frau wird auf einmal anhänglich und will den Mann bewundern. Aber es dauert nicht lange, dann kommt es ihm doch komisch vor.«
Seitensprung-Fibel.de: Nehmen wir mal an, ein starker Mann trifft eine selbstbewusste autonome Frau, verliebt sich, der Beziehungsalltag tritt ein – und plötzlich ist die Frau gar nicht mehr stark, sondern schwach, oder um es mit Ihnen zu sagen »halbstark«. Was nun?
Johannes Storch: Da passiert dann einiges. Erstmal denkt sich der Mann: »Da hab ich jetzt eine, die weiß, was sie will«. Und dann kommt plötzlich dieser Umschwung. Das lässt den Mann dann ganz kurz noch stolz sein, denn die starke Frau wird auf einmal anhänglich und will den Mann bewundern. Aber es dauert nicht lange, dann kommt es ihm doch komisch vor. Mit dieser Ambivalenz, die die Frau zeigt, kann der Mann nicht umgehen. Eben war sie noch stark und selbstständig, jetzt ist sie anhänglich und schwach. Das ist das, was so irritiert: Wie soll der Mann mit dieser Seite einer Frau umgehen, die er so gar nicht gewollt hat? Und wie wird diese Frau morgen sein?
Seitensprung-Fibel.de: Nun ja, viele Frauen sagen ja in solchen Situationen, was sie sich wünschen…
Johannes Storch: Tja, das ist aber das nächste Problem. Die Frau ist dann ja nicht nur zerrissen zwischen ihrem Bedürfnis, stark zu sein und ihrer akuten Sehnsucht danach, schwach, anhänglich, bedürftig zu sein. Sie ist auch ambivalent in der Art, wie sie das rüberbringt. Welche Frau kann schon sagen: »Du, heute bin ich mal ganz Mädchen und brauch männlichen Schutz.« Oft erwarten Frauen von Männern, dass die erkennen, wann eine Frau gerade ihre schwache Phase hat. Zeigen oder sagen tun die Frauen das seltener. Sie haben das für sich gar nicht begriffen, eben auch, weil das nicht ihrem Selbstbild entspricht. Oft kommen dann eher Sprüche wie »Nie bist Du da…« oder »Du hast Dich heute gar nicht gemeldet.« Das sind keine Wünsche, das sind Vorwürfe im Stil von: »Du hättest wissen müssen, was ich gerade brauche.«
Seitensprung-Fibel.de: Schwach sein, also zuzugeben, dass man den anderen gerade braucht, ist demnach für viele Frauen im Grunde etwas Negatives?
Johannes Storch: Für eine halbstarke Frau bestimmt. Plötzlich stellt sie fest: Ich bin ja gar nicht so stark, wie ich tue, eigentlich will ich jetzt mal schwach sein. Diese Seite an sich kennt sie so nicht, oder unterdrückt sie. Dann ist sich diese Frau selbst suspekt. Sie stellt fest, dass in ihr eine Tendenz ist, die sie so überhaupt nicht kennt, und sie fängt dann schon deshalb an, komisch zu werden, weil sie selbst gar nicht weiß, wie sie mit diesen Bedürfnissen umgehen soll.
Darum kommen die, sagen wir mal Schwächerufe von diesen Frauen oft mit Beigeschmack – sie haben für sich selbst nicht erkannt, dass diese verborgenen Teile in ihnen stecken und auch ihre Berechtigung haben. Und können das deshalb auch einem Mann gegenüber nicht klar äußern.
»Es gibt so viele gute Frauen auf dieser Welt, da muss man sich nicht an einer festbeißen, die man falsch eingeschätzt hat.«
Seitensprung-Fibel.de: Stehen Männer auf starke Frauen oder wollen Sie lieber das schwache Weibchen, das ihnen unterlegen ist?
Johannes Storch: Selbstbewusste Frauen wirken sicherlich erstmal spannender, aber sie sind natürlich in der Beziehung etwas schwerer zu handeln. Mal abgesehen davon, dass sie auch dem Mann die Rolle immer wieder streitig machen können. Wenn die Frau Zuhause bleibt und sich ganz in ihre Rolle als Hausfrau und Mutter begibt, kann er leichter als Held dastehen – er bringt ja das Geld nach Hause.
Warum es viele Frauen gibt, die sich zwar als stark sehen und auch so behandelt werden wollen, in Beziehungen aber gerne die schwächere Rolle einnehmen, weiß ich auch nicht. Und warum auch viele Männer so ein Gefälle in der Partnerschaft wollen, ist mir auch nicht erklärlich. Da gibt es heute sehr viele verschiedene Ansichten.
Tatsache aber scheint zu sein, dass viele unglücklich sind in ihrer Beziehung, aber nicht über ihre Misere sprechen. Da gibt es eine deutliche Hemmschwelle, gerade bei Männern. Aber offensichtlich ist auch bei Frauen die Offenheit begrenzt, vielleicht liegt das ja auch an einer gewissen Scham, man will sich das nicht eingestehen, dass die eigene Beziehung nicht rund läuft.
Seitensprung-Fibel.de: Viele sind also unzufrieden, auch wenn nach außen hin alles gut aussieht?
Johannes Storch: Natürlich, man will vor anderen ja nicht zugeben, dass die Beziehung nicht so gut ist, wie es den Anschein hat. Untreue spielt da dann schon eine Rolle. Das wäre zumindest in einer solchen Situation eine mögliche Lösung: Das, was ich in der Beziehung vermisse, hole ich mir woanders. Auf diese Weise lässt man Dampf aus dem Kessel. Meines Erachtens spricht auch nichts dagegen, wenn man es so macht, dass der Partner nicht als der Gehörnte dasteht. Oder dass sich Paare das in einer offenen Beziehung gegenseitig zugestehen – davon gibt es allerdings eher wenige.
Seitensprung-Fibel.de: Kann eine Affäre demnach gut sein? Oder anders gefragt: Gibt es Beziehungssituationen, in denen Sie sagen würden, dass ein Seitensprung einer Partnerschaft auch gut tun kann?
Johannes Storch: Ich denke schon. Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Beziehung, in der sie permanent sexuell unbefriedigt sind – wollen Sie das für den Rest Ihres Lebens ertragen? Sie müssen nicht, Sie können etwas ändern. Sich trennen wäre ab einem gewissen Punkt sicherlich das ratsamste. Wenn das aber (noch) nicht geht, kann ein Seitensprung schon etwas »Gutes« bewirken.
Auf die Art und Weise haben Sie dann vielleicht etwas gelöst, was sie in ihrer Beziehung nicht klären können. Ob das gut oder schlecht ist, hängt von den Umständen ab. Wichtig finde ich, dass man die Untreue geheimhält und nicht den Partner mit einer Beichte ins Unglück stürzt. Meist ist eine Beichte der Wunsch nach Absolution – der andere soll einem den Fehltritt vergeben. Das ist sehr egoistisch. Entweder, ich bin so stark und habe einen Seitensprung und ertrage entsprechend auch mein schlechtes Gewissen. Dann mache ich das mit mir aus, fordere aber nicht ein, dass mein Partner mir nach meinem Geständnis verzeiht. Oder ich lasse es eben bleiben und bleibe treu.
Seitensprung-Fibel.de: Wenn Sie Männern Tipps zum Umgang mit starken Frauen geben müssten, welche wären das?
Johannes Storch: Entdeckt den Rambo in Euch, oder wie immer Ihre diese starke Seite in Euch nennen wollt. Männer, die zu neuem Selbstbewusstsein finden, werden für Frauen auch attraktiver. Weicheier und Warmduscher sind zwar harmlos und poltisch korrekt, anziehend wirken aber die Männer, die zu ihren Stärken stehen.
Männer, die erkennen, dass das ein wichtiger Punkt in ihrer Beziehung ist würde ich entweder raten unser Buch ihren halbstarken Frauen hinzulegen und damit das Problem zum Gespräch zu machen. Und wenn sie damit nicht weiterkommen, empfehle ich Selbstmanagement. Einfluss nehmen können sie nur auf sich, andere Menschen können Sie nicht ändern. Die einzige Person, die Sie managen können, sind Sie selber.
Und wenn seine Bemühungen nach einem halben Jahr keine Früchte trägt und sich in der Beziehung nichts ändert – dann würde ich sagen: Pack Deine Koffer. Es gibt so viele gute Frauen auf dieser Welt, da muss man sich nicht an einer festbeißen, die man am Anfang falsch eingeschätzt hat. Da hilft dann nur die Devise: Schau nach dir! Das ist auch eine Stärke.
Seitensprung-Fibel.de: Wenn Sie Paaren zu Beginn ihrer Partnerschaft drei wertvolle Ratschläge für ihren Beziehungsweg mitgeben könnten, um einen Seitensprung zu verhindern, welche wären das und warum?
- Erstens sollte sich jeder der Partner unbedingt mit sich selbst auseinandersetzen, herausfinden was man in der Beziehung braucht und gutes Selbstmangement betreiben. Oder man beschäftigt sich mit der Schattenthematik. C. G. Jung empfiehlt, man soll sich gerade in der Lebensmitte mit seinen Schatten auseinandersetzen. Mit Ende Dreißig, Anfang Vierzig hat man alle Schatten beisammen. Ab diesem Zeitpunkt sollte man den verdrängten Seiten nachspüren, um sie zu integrieren.
- Zweitens sollten Paare in ihrer Partnerschaft über diese ambivalenten Seiten auch sprechen, sich eingestehen, welche widerstreitenden Bedürfnisse in ihnen stecken.
- Und drittens: Wenn es um das Thema Seitensprung geht, sollte man es so geschickt machen, dass der andere es nicht mitbekommt.
Liebe Herr Johannes Storch, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch!