Wer einmal fremdgeht, tut es immer wieder – Vorurteil oder Wahrheit?
Ihr Partner hatte einen Seitensprung. Können Sie den als Ausrutscher verbuchen oder müssen Sie mit einer Fortsetzung rechnen? Schwer zu sagen. Es kann eine einmalige Sache sein. Dahinter kann aber auch ein Verhaltensmuster stecken.
»Einmaliges Fremdgehen ist in vielen Fällen verzeihlich, doch monatelanges Lügen nicht, egal in welche Richtung.«
Thomas Schmidt | Seitensprung-Fibel.de
Maja (36) lernte Thomas (42) kennen, als er noch in einer festen Beziehung steckte. Sie verliebte sich sofort in den charmanten Geschäftsmann, der zwar wenig Zeit, dafür aber umso mehr erotische Energie hatte. Maja erfuhr erst nach Wochen, dass Thomas eigentlich vergeben war – und fiel aus allen Wolken. Eine Zeit der Unsicherheit folgte, bis Thomas sich endlich von seiner Partnerin trennte und zu Maja zog. Ab da wurde es seltsam. Thomas entzog sich, war oft weg, verlor spürbar das Interesse. Und Majas Misstrauen war geweckt. Leider berechtigt, wie sich bald herausstellen sollte. Denn Thomas hatte schon im ersten gemeinsamen Beziehungsjahr seine Fühler wieder ausgestreckt und eine Affäre mit einer Kollegin begonnen. Maja war am Boden zerstört. Und ihre Freundinnen unkten: »Das war doch klar, dass er auch Dir fremdgehen wird. Wer einmal fremdgeht, wird es immer wieder machen.« Haben sie damit recht oder ist das wieder so eine Binsenweisheit, die uns das Liebesleben schwerer macht, als es eigentlich ist?
Vorurteil oder Fakt: Einmal untreu – immer untreu?
Die Zahlen sprechen für sich. So haben sich in einer Umfrage der Zeitschrift Freundin beispielsweise 59 Prozent aller Fremdgeher als Wiederholungstäter geoutet. Auch Wolfgang Krüger kommt in seinem Buch Das Geheimnis der Treue zu einem recht ernüchternden Befund, was das Verhalten von untreuen Partnern anbetrifft: Fast die Hälfte aller Fremdgeher seien Wiederholungstäter. Der erfahrene Paartherapeut meint, es gebe viele unterschiedliche und sehr persönliche Motive für einen Seitensprung – aber grundsätzlich sei es für Menschen schwer, fremdzugehen. Ob jemand in einer bestimmten Situationen der Versuchung erliegt, habe sehr viel mit der gesamten Lebenseinstellung zu tun. Hat in der die Tugend Treue kaum Platz, ist wiederholte Untreue nicht auszuschließen.
Weitere harte Fakten:
- Hohes Wiederholungsrisiko: Bei Menschen, die schon einmal einen Seitensprung hatten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es in einer neuen Partnerschaft wieder tun, 3,7 Mal höher als bei denen, die immer treu waren.
- Viele Seitensprünge sind tatsächlich Fortsetzungen: 17 Prozent der untreuen Männer hatten ihre Lebenspartnerin zuvor schon einmal betrogen, 12 Prozent schon zweimal, 22 Prozent sogar mehrmals, das ermittelte die Göttinger Theratalk-Studie. Für 20 Prozent der Frauen war es bereits der zweite, für 10 Prozent der dritte Seitensprung.
- Keine Reue: Erstaunliche 75 Prozent aller untreuen Frauen haben nach dem Seitensprung kein schlechtes Gewissen. Rund 42 Prozent der Männer bereuen ihren Sexausrutscher nicht, ergab eine Emnid-Umfrage.
- Sag niemals wieder nie: 53 Prozent der Fremdgeher sind mit ihrem Tun und Handeln total einverstanden, schreibt die Schweizer Psychologin Julia Onken in Die Kirschen in Nachbars Garten. Nur 7 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer gaben in ihrer Umfrage an, Fremdsexkontakte zukünftig zu vermeiden. 36 Prozent der Frauen fühlten sich danach energiegeladen und gut. 34,5 Prozent der Männer waren zufrieden – wie nach einem guten Essen.
- Kann wieder passieren: Wenn einer der Partner für die neue Liebe sogar seine alte Beziehung aufgegeben hat, ist es wahrscheinlich, dass sich sein Verhalten wiederholt. Eine Studie der University of Southern Alabama kommt zu diesem Ergebnis.
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4 Anzeichen, an denen Sie Wiederholungstäter unter den Fremdgängern erkennen
Die Affäre ist beendet, die Aufarbeitung in der Beziehung in vollem Gange, langsam wächst das Vertrauen wieder. Womöglich zu unrecht. Denn Studien belegen: Viele Menschen, die fremdgegangen sind, tun es erneut. Betrogen werden möchte keiner – wem es schon einmal passiert ist, der will um jeden Preis verhindern, dass es noch einmal geschieht. Umfragen zufolge sind 80 Prozent der Männer und Frauen bereit, dem Partner den Seitensprung zu verzeihen – sofern dieser verspricht, es nie wieder zu tun.
Da Worte jedoch Schall und Rauch sind, fragt sich: Wie können Sie sicher sein, dass Ihr Partner sein Versprechen auch hält? Natürlich können Sie ihn reden lassen – und dann heimlich seine Taschen durchwühlen, seine Mails lesen oder sogar eine Spionage-App auf seinem Smartphone installieren, um ihn auf Schritt und Tritt zu kontrollieren. Laut Wolfgang Krüger tun dies über 50 Prozent aller betrogenen Männer un Frauen. Was bei der heimlichen Überwachung des Partners herauskommt, taugt aber bestenfalls als Indiz. Achten Sie auch auf diese Anzeichen:
Er oder sie ist sehr narzisstisch
Narzissten sind die Hauptgewinne unter den Liebesgefährten – zumindest auf den ersten Blick. Sie sind charmant, extrem attraktiv, anziehend und können alles um den Finger wickeln, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Dabei entpuppen sich allzu narzisstisch veranlagte Menschen bisweilen als schreckliche Partner – denn sie verknüpfen ihr Ego oft mit einem übersteigerten Eroberungsdrang. So selbstbewusst, wie sie tun, sind sie nämlich nicht. Im Gegenteil: Hinter der großspurigen Art stecken ein tiefer Minderwertigkeitskomplex und eine unstillbare Sehnsucht nach Liebe. Diese Defizite äußern sich auch in Untreue: Wolfgang Krüger etwa hält wie viele seiner Kollegen eine ausgeprägte narzisstische Neigung für einen großen Risikofaktor für wiederholtes Fremdgehen. Denn Narzissten können enge Beziehungen nur temporär eingehen und brauchen immer wieder Selbstbestätigung durch neue sexuelle Kontakte. Die holen sie sich dann oft durch Seitensprünge.
Er oder sie hatte schon mehr als einmal Fremdsex
Einmal kann ein Ausrutscher sein, zweimal zählt schon nicht mehr zu den Zufällen. Und ab dreimal nimmt dem Seitenspringer keiner mehr ab, dass es halt so aus Versehen passiert ist. Tatsache ist: Mehrmaliger Fremdsex, womöglich noch dazu mit verschiedenen Personen, ist Hinweis darauf, dass mehr hinter der Untreue steckt und nicht ein sehr menschlicher, schwacher Moment Auslöser für die Untreue ist. Auch wenn Ihr derzeitiger Partner auf eine Reihe von Affären in seinen Ex-Beziehungen zurückblickt, sollte Sie das hellhörig machen. Selbst wenn er etliche überzeugende Argumente für seine Seitensprünge ins Feld führt. Die Wahrscheinlichkeit, dass seine Untreue mehr mit ihm, als mit seinen Verflossenen zu tun hat, ist extrem groß. Und damit ist klar: Ihnen kann es genauso ergehen.
Er oder sie hat ein geringes Selbstbewusstsein
Eigentlich müsste man ja meinen, einer der wenig von sich selbst hält, geht nicht fremd. Weil er sich nicht traut, zu große Angst davor hat, den Partner dadurch zu verlieren. Oft scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein: In Beziehungen, in denen einer der Partner eher der selbstbewusste extrovertierte Teil ist, während der andere schüchtern und mit Komplexen behaftet ist, bricht häufig eher Letzterer via Seitensprung aus. Weil er die Minderwertigkeitsgefühle, die sich durch seine gefühlte Unterlegenheit aufgestaut haben, mit einer erotischen Eskapade auszubügeln versucht.
Er oder sie interessiert sich nicht für Ihre Gefühle
Nach dem Seitensprung ist vor der Beziehungsarbeit: Wer seine Partnerschaft wieder in ruhiges Fahrwasser leiten will, muss sich zwangsläufig mit der Untreue auseinandersetzen. Und über Gefühle reden. Dazu gehört auch, sich in Ihre Lage des Betroffenen zu versetzen und die Emotionen ernstzunehmen. Wenn Sie wütend sind, heißt das nicht, dass Sie zuschlagen dürfen. Aber Ihr untreuer Partner sollte ausreichend Verständnis für Ihre verletzten Gefühle aufbringen und Bedauern darüber zeigen, dass er Ihnen mit dem Seitensprung sehr weh getan hat. Tut er dies nicht, ist das für die gemeinsame Zukunft ein denkbar schlechtes Zeichen. Dann müssen Sie damit rechnen, dass es Ihrem Partner auch beim nächsten Mal nicht schwerfallen wird, Sie zu verletzen.
4 Gründe, warum Fremdgeher es wieder tun
Ja, es gibt sie: Die notorischen Fremdgeher, die es immer wieder tun. Die sich trotz des Gefühlschaos, das sie verursachen, herausnehmen, erotischen Bedürfnissen nachzugeben, wann immer sie wollen. Studien belegen, dass es eher Männer sind, die dazu neigen, mehrmals fremdzugehen. Catherine Herriger nennt den Männerschlag, der unbedacht und oft seitenspringt, Wandervögler. In ihrem gleichnamigen Buch schreibt sie, hinter dem plumpen Ausbüxen mancher Männer stecke häufig mehr als ein Testosteronüberschuss, der die Triebsteuerung lahm legt. Oft sind es auch die Umstände, die Untreue fördern.
Beim zweiten Mal geht es besser
Das erste Mal ist immer das schwerste: Wer sein Debüt als Fremdgeher gibt, muss zunächst mal mehrere Hürden überwinden. Erstens muss er oder sie moralische Bedenken über Bord werfen, muss das Setting für den Seitensprung organisieren, muss sich Ausreden und Lügen parat legen, um den Partner zu täuschen, und der Seitenspringer muss mit seinem schlechten Gewissen danach klarkommen. Das ist eine Menge. Da der Mensch jedoch ein Gewohnheitstier ist, fällt es ihm beim ersten Seitensprung schwerer als bei weiteren. Es gibt sozusagen einen Masterplan, bestimmte Vertuschungsmethoden haben sich bewährt, die Untreue hat sich nicht nachteilig ausgewirkt. Vor allem, wenn der untreue Partner gemerkt hat, wie leicht es ist, mit heiler Beziehungshaut davonzukommen, hat er zukünftig weniger Hemmungen, fremdzugehen. Bei der nächsten Versuchung könnte das der ausschlaggebende Faktor sein, den Gelüsten nachzugeben.
Fluchtimpuls mit Erfolgsgarantie
Manchmal ist eine Affäre der Ausbruchsversuch aus einer unglücklichen Beziehung. Es gibt Menschen, die können nicht ohne Partner sein und harren ewig aus in einer eigentlich schlechten Partnerschaft. Raus kommen sie da nur, wenn sich neue Chancen am Horizont eröffnen. Was liegt da näher, als durch einen Seitensprung zu prüfen, was mit einer anderen Person möglich ist?26 Prozent der Befragten in Langzeitbeziehungen würden ihren Partner verlassen, wenn ein echter Traumpartner um sie werben würde. ¹ Und wem es schon einmal gelungen ist, einer schlechten Beziehung durch Fremdgehen zu entkommen, der speichert das ab als Fluchtstrategie – und greift auf dieses Verhaltensrepertoire vielleicht zurück, wenn es in das nächste Mal beziehungstechnisch unbefriedigend wird. Manchen Menschen fällt es zudem schwer, innerhalb einer Beziehung etwas zu ändern. Sie suchen Lösungen außerhalb und retten sich vor den negativen Gefühlen, indem sie sich positive Verstärkung anderweitig holen.
An das schlechte Gewissen kann man sich gewöhnen
Mit den Hemmungen ist das ohnehin so eine Sache. Sie halten Seitenspringer streng genommen nur dann davon ab, untreu zu werden, wenn sie beim ersten Mal gegriffen haben. Wer sie einmal überwunden hat – und das mit Genuss – wird es leichter wieder tun.
Schuld daran ist unter anderem auch unser Gehirn. Denn das gewöhnt sich zuverlässig an schlechte Gefühle – und sorgt dafür, dass wir abstumpfen. Für diese These fanden Forscher des Princeton Neuroscience Institute jetzt handfeste Beweise: Sie wiesen eine Verbindung zwischen dem Gehirn und der Neigung, seinen Partner zu betrügen, nach. Menschen, die fremdgehen, haben demnach bei jedem weiteren Seitensprung weniger Schuldgefühle.
Verantwortlich dafür ist den Forschern zufolge ein Teil des Limbischen Systems, nämlich die Amygdala. Sie beeinflusst unter anderem Gefühle und Erinnerungen – auch solche an einen Liebesbetrug. Nach dem ersten Mal nervt die Amygdala mit negativen Empfindungen, auch bekannt als schlechtes Gewissen. Der Fremdgeher fühlt sich mies, hat Skrupel, macht sich Vorwürfe. Diese Reaktion ist beim zweiten Mal schon deutlich abgeschwächt. Denn wiederholen wir das, was negative Empfindungen auslöst, wird die Reaktion der Amygdala von Mal zu Mal milder, das Gehirn stumpft sozusagen ab.
Und weil es genau diese starke negative emotionale Reaktion auf unser Handeln ist, die uns davon abhält, fremdzugehen, bedeutet eine Gewöhnung daran, dass wir es nicht mehr als so schlimm empfinden, den Partner zu betrügen. Wer dies regelmäßig tut, könnte sich den Forschern zufolge also an das Gefühl gewöhnt haben und relativ unbeschwert damit leben, bis er es komplett verdrängen kann.
Ich brauch das einfach – eine Frage der Biologie
Gibt es ein Untreue-Gen, dass manche Menschen zum Fremdgehen verdammt? Diese Frage wird viel diskutiert. Die amerikanische Psychologin Kayt Sukel befasst sich damit in ihrem Buch Schmutzige Gedanken. Neurowisschenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass Menschen mit einer bestimmten Gen-Variante tatsächlich ihre Partner öfter betrügen: So wiesen ein Viertel derjenigen, die ihrem Partner mehr als einmal untreu gewesen waren, die Gen-Variante DRD4 auf. Dieses Gen beeinflusst den Level des Botenstoffes Dopamin im Gehirn. Menschen mit diesem Gen erleben Forschern zufolge beim Fremdgehen den gleichen Rausch wie alkohol- oder spielsüchtige Menschen.
Fazit: Wahrscheinlicher: vielleicht – sicher: nein
Wie wahrscheinlich ist es nun, dass der Partner vielleicht bei der nächsten Gelegenheit wieder fremdgeht? In heutigen Zeiten lässt sich das schwer sagen. Das war früher aber auch schon so und sollte uns zu denken geben. Können wir Liebe und Treue einpferchen in vorherbestimmbare Muster? Was bringt es Ihnen, im Voraus die Seitensprung-Wahrscheinlichkeit Ihres Partners anhand bestimmter Merkmale zu diagnostizieren? Macht es Sie zufriedener, macht es glücklicher oder ist das ohnehin ein Trugschluss?
Genau betrachtet, sei der Glaube an Sicherheit in einer Beziehung eine bloße Illusion, sagt der Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer. In Die heimliche Liebe, schreibt er, egal, was vorher gewesen sei, Ihr Liebespartner könne Ihnen jederzeit abhanden kommen – durch Unfall, Schicksal oder eben auch durch erneute Untreue. Ein Risiko, dass Ihr Partner Sie betrügt, besteht eigentlich immer.
Julia Onken sieht das genauso und bricht es in »Die Kirschen in Nachbars Garten« auf ein anschauliches Beispiel herunter: Wenn wir ins Auto steigen, rechnen wir nicht fest mit einem Verkehrsunfall. Aber theoretisch können wir die Möglichkeit aller Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz nicht völlig ausschließen. Trotzdem gehen wir das Risiko ein und setzen uns hinters Steuer. Wer sich auf eine Partnerschaft einlässt, folgert die Schweizer Therapeutin, müsse sich allen Risiken, die damit verbunden sind, stellen und den Schwierigkeiten, die eventuell eintreten können, tapfer entgegentreten. Den Fremdgeh-Faktor sieht sie grundsätzlich als eine mögliche Beziehungsgefährdung, die man einkalkulieren sollte – ganz gleich, ob es zuvor schon einmal passiert ist.
¹ Repräsentative Umfrage der Seitensprung-Fibel unter 1.014 Deustchen | August 2015
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