Ich kam mir immer grauer vor. Ich bin noch an diesem Tag zum Friseur gegangen und habe das Haar rot färben lassen. Hanna, war in der Zeit bei den Schwiegereltern, als ich zum Kaffee hinkam, haben sich alle totgelacht: Pumuckl ist da! Aber das war mir egal. Es war eine nette Kaffeetafel mit der Schwägerin und Schwiegereltern und den Kindern. Aber sollte das nun mein Leben sein, hier in der Kleinstadt?
Nicht, dass wir uns missverstehen, ich wollte nicht zurück in die Großstadt, wo wir vorher gelebt hatten, ich wollte auch nicht andauernd ausgehen und Halli galli haben – aber mir kam alles so festgefahren vor. Als ich abends zur Feier des Tages mit meinem Mann bei unserem alten Italiener in der Stadt war, habe ich es total genossen, Stefan hatte 30 rote Rosen mitgebracht, wir haben mit Champagner angestoßen – mein Mann ist ein Lieber, als wir dann miteinander geschlafen haben, war es auch wieder schön, liebevoll, zärtlich, alles. Aber alles lief eben in eingefahrenen Gleisen, auch unsere Liebe.
Ich habe mich langsam aus diesem Korsett befreit, ich fing gleich am nächsten Morgen nach dem dem Geburtstag an. Ich bin aufs Amt gegangen und habe mich nach Betreuungsmöglichkeiten für Hanna erkundigt. Zufällig gab es gerade freie Plätze bei einer neuen Tagesmutter. Ich habe einfach behauptet, das ich in zwei Monaten wieder anfangen würde zu arbeiten, dann hatte ich das Gespräch mit der Tagesmutter, das machte alles einen prima Eindruck. Stefan habe ich erzählt, dass ich gerne wieder arbeiten würde, er hat das auch verstanden, fand das mit der Tagesmutter eine super Gelegenheit. Und die Schwiegereltern waren ja auch noch da. Ich war so euphorisch und voller Tatendrang, dass ich selbst einen Stellenanzeige aufgegeben habe. Stefan meinte dann, ich könnte doch auch in meiner alten Firma anrufen, und ich ahnte Glück: Am Tag, als die Anzeige in der Zeitung stand, traf ich meinen alten Abteilungsleiter, und wir waren uns schnell einig, dass ich eine Mutterschaftsvertretung übernehme – ob die Mütter dann wirklich wiederkommen, ist fraglich, weiß ich ja selbst.
Natürlich habe ich mir meine Stellenanzeige noch angesehen, später sogar ausgeschnitten – und als ich so blättere, sehe ich die Kontaktanzeigen, lese, lache über einen Mann,44, sucht eine lustvolle Powerhexe. Genau so fühlte ich mich gerade, und weil ich so aufgedreht war, dachte ich: Dem schickste `ne SMS, mal sehen, ob die langweilige Hausfrau eine Chance hat. Er simste postwendend, wirklich in Lichtgeschwindigkeit, zurück: In einer halben beim Griechen am Bahnhof? Dass er aus unserer Stadt war, wusste ich, weil außer Handy auch eine Telefonnummer von hier angegeben war. Ich simste zurück: KLAR. Dann habe ich eine halbe Stunde drüber nachgedacht, ob ich mich traue. Da war ich ganz schön vorgeprescht. Also: ich bin dann hingegangen, wir haben und gleich erkannt. Und der Funke ist sofort übergesprungen, wir haben so viel miteinander gelacht. Das erste mal miteinander geschlafen haben wir erst, als ich schon mit meinem Job angefangen hatte. Durch die Arbeit bin ich in meiner Zeiteinteilung freiere, ich war sogar auf einem Lehrgang, und Wolfgang, so heißt er, war mit.
Mir hat ja vorher nichts gefehlt mit meinem Mann, auch sexuell nicht – aber mit Wolfgang kann ich richtig Blödsinn machen, und wir können auch beim Sex zusammen lachen.
Neulich haben wir uns für eine Bahnfahrt im ICE verabredet, er machte einen auf Exhibitionist, hatte also unterm Mantel oben rum nichts an und die Hose offen – ich sollte mich erschrecken und ihn dann verführen. Wir sind fast gestorben vor Lachen und haben uns zwei im Wagenklo eingeschlossen, das war dann die Sexy-Hexi-Nummer. Humor und Sex ist eine Kombination, die ich durchaus vermisst habe. Das war mir nicht klar, und ich hätte es auch nie gemerkt, wenn ich damals nicht so in Aufbruchstimmung gewesen wäre.
Nun läuft die Sache mit Wolfgang schon drei Jahre, wir sehen uns nur alle drei, vier Wochen, und meinetwegen kann's ewig so weitergehen.