Selbstbetrug?
Vor zwei Wochen habe ich es beendet. Doch beginnen wir beim Anfang. Der eigentlich ganz harmlos war. Wie jedes Jahr fuhr ich am ersten Oktoberwochenende vergangenen Jahres zu einem Fanclubtreffen und war dort »eigentlich« schon verabredet. Meine Verabredung Thomas und ich, wir nannten das unter uns immer WIEDER-VEREINIGUNG, trafen uns seit 6 Jahren immer wieder, an diesem »geschichtsträchtigen Datum«, und unsere damals beginnende und sofort leidenschaftliche Begegnung wäre halt ohne dieses Datum nie passiert. Er lebte in NRW, ich in Thüringen. Früher trennte uns eine Mauer - heute trennen uns nicht nur die viel zu vielen Kilometer, sondern auch das Einsehen, im gegenseitigen Einvernehmen, dass aus uns nie ein »richtiges« Paar werden würde.
Rebellin, 43 Jahre [Originalphoto]
Er war mir eigentlich nie aufgefallen
So betrat ich also auch in diesem Jahr den schon gut gefüllten und vor lauter Party und Stimmung überkochenden Saal, um all die alten Freunde, vor allem Thomas, zu treffen. Die Band, eine Cover- Band des von uns allen und aus allen Teilen der bunten Republik verehrten Künstlers, begab sich gerade in die Pause und »Er«, der Bandleader, steuerte direkt auf mich zu, um mich zu begrüßen. Hatten wir doch im vergangen Jahr einen 5 Minuten Small Talk an der Bar gemacht, woran er sich, im Gegensatz zu mir, auch prompt erinnerte.Er war mir trotz seiner Bühnenpräsenz eigentlich nie aufgefallen, und seine Blicke schon im Jahr zuvor, die hab ich gar nicht bewusst aufgenommen. Schließlich war ich ja auch in Begleitung, und da hab ich keinen Sinn für andere Sachen! Aber irgendwie fand er »genau die Worte«, die ich wohl hören wollte. Worte, die ich seit Jahren so nicht mehr gehört hatte - und dabei, ist es dann einfach passiert. Mit seinen tiefgründigen und völlig unplumpen Sätzen, da hat er meinen Geist, meine Seele berührt und mich ans Herz gerührt. Und natürlich sah er noch dazu verdammt gut aus, aber was sollte ich mit einem Sänger, einem Frauentraum? Aus dem Schwärmerei-Alter war ich ja nun schon ein paar Tage länger raus. Und doch war da schon so etwas wie ein leiser aufkeimender Gedanke, er, der talentierte Sänger und ich, die schreibende Poetin. Eigentlich eine spannende und vielleicht sogar funktionierende Verbindung?
Und so kam es, wie es kommen musste
Den Rest der Partynacht und die anschließende »Wiedervereinigung« verbrachte ich aber »standesgemäß« und war doch und zu meiner eignen Überraschung mit meinen Gedanken ganz woanders. Bei ihm, bei »Hermjo«, der nun mein selbst gewähltes Schicksal, mein Teufelskreis, mein Verhängnis werden sollte. Schon in der nächsten Nacht telefonierten wir dann geschlagene zwei Stunden. Da war, wie wohl bei allen Verliebten, sofort ein Gefühl der Vertrautheit, ein Gefühl, so als ob man sich schon immer kannte. Diese intensiven über Gott und die Welt sowie ins berufliche reingehenden und recht bald auch erotisch angehauchten Telefonate, die immer von »ihm« ausgingen, denn schließlich gab er ja schon in unserem ersten Gespräch auf meine Nachfrage hin zu, »vergeben« zu sein, fanden nun beinah täglich statt.Wir wollten, MUSSTEN uns wiedersehen
Zwei Wochen später war es dann soweit. Was in dieser, unserer ersten Nacht passierte, lässt sich kaum in Worte fassen. Wortlos, hemmungslos und wie im Vollrausch fielen wir übereinander her. Alles was sich im Laufe der vergangenen Wochen aufgestaut hat, musste wohl raus.Das erste Erwachen folgte sofort darauf. In sich gekehrt und völlig verstört, saß er mir auf dem Bett gegenüber. Ich wollte ihn in den Arm nehmen, festhalten aber irgendwas hielt mich zurück. Er beichtete mir dann, dass er noch niemals einen Seitensprung begangen hat, trotz zahlreicher Angebote und das er dies, sowie sich selbst, gar nicht verstehen könnte. Schließlich sei seine seit fast drei Jahren bestehende Beziehung zu ihr, seiner Freundin, gut funktionierend. Ich antwortete vorsichtig, vielleicht hat es dich ja einfach erwischt und du hast dich verliebt? Er bestritt dies nicht, sondern sagte so was wie, das kann gut möglich sein.
Für mich war die Sache »danach« dennoch und trotz blutendem Herzen erledigt. Wollte mich nicht in eine gut funktionierende Partnerschaft drängen und hatte nun auch - leider erst jetzt - ein verdammt schlechtes Gewissen dieser anderen Frau gegenüber. Aber er ließ nicht locker, wieder stundenlange Telefonate, wieder SMS, wieder E-Mails, denn nicht nur, das er vergeben war, war ein Problem, sondern auch die über 200km, die uns trennten. In diesen Gesprächen erzählte er dann von sich heraus vieles, was für mich nach Hoffnung auf mehr klang. Sie und er wohnten gar nicht zusammen, sahen sich nur am Wochenende, falls dann mal kein Auftritt mit seiner Band anstand. Und auch in erotischer Hinsicht gab es dann wohl doch so einige Schwierigkeiten. Mit ihr, da lief es nur, wenn er seine »Wunderpillen« - eine Art Viagra - schluckte. Das es bei mir ganz ohne diese chemische Keule klappte, grenzte für ihn an ein Wunder!
Ich litt wie ein ausgesetztes Tier
Aber sich den Dingen stellen, in sich gehen, nein, das kam für ihn nicht in Frage, dies begründete er mit der Entfernung und den zwei Kindern, an denen er sehr hing, auch wenn es nicht seine eigenen sind. Davon, dass er diese andere Frau liebte und er sich deshalb nicht trennen kann, hat er nie etwas gesagt. Obwohl ich auf genau diesen Satz schon irgendwie hoffte, um endlich weiterleben und loslassen zu können! Ich habe es dann dennoch aus Vernunft und sicher auch aus Selbstschutz heraus getan. Aber »Er« konnte nicht loslassen. Und ich, ja ich liebte ihn mehr als mir lieb war, mehr als ich mir selber oder gar ihm eingestehen konnte. Also wieder Kontakt, wieder heimliche Treffen, die nun jedoch mehr und mehr von einem grauen Schleier beschattet waren. Wenig Zeit und belastet von Tabus und Beschränkungen, die ich nicht näher erörtern möchte, da jede Geliebte diese nur allzu gut kennt.Zum Ende des vergangen Jahres wurden dann seine Kontaktaufnahmen immer weniger, und wenn, dann waren sie sehr unterkühlt. Ich litt wie ein ausgesetztes Tier! Schwankte zwischen Rache und Liebe und habe mich dann schweren Herzens doch nicht mehr gemeldet. Letzten Monat dann trafen wir uns bei einem Auftritt seiner Band, »zufällig« wieder. Ich machte mich auf den Weg frei und unbelastet und feierte mit meinen Freunden, ausgelassener, als ich je für möglich gehalten hätte. Schließlich war der Rausch vorbei und der Verstand hatte über das Herz gesiegt! So dachte ich zumindest oder wollte so denken?
Dann in einer Bandpause stand »Er« neben mir. Wieder eindeutige Zeichen und dann die Bitte um ein Gespräch unter vier Augen. Und sofort war wieder da, diese Verbundenheit, diese Vertrautheit, die da in der knisternden Luft lag. Aber diesmal wollte ich standhafter sein und blieb es auch!
Die Pistole auf die Brust gesetzt
Ich machte ihm meinen Standpunkt klar, der da hieß: Wenn du mich nicht vergessen kannst, dann handle auch danach! Dies muss keine aus einem schönen Moment heraus abrupte Trennung sein, aber lass uns den Kontakt, so wie zu Beginn, nicht verlieren, lass uns in Ruhe näher kennenlernen. Am nächsten Tag dann wieder eine SMS von ihm und da konnte ich ihm einfach nicht mehr widerstehen. Dachte tatsächlich, er hat mich verstanden und handelt nun auch danach. Nach meiner Rückkehr nach Hause schrieb ich ihm eine ehrliche E-Mail, die frei war von Anklagen oder Forderungen, aber dennoch verschwieg ich meine Gefühle diesmal nicht. Dies hatte ich viel zu oft getan! Eine Antwort darauf erfolgte prompt. In knappen abgekühlten Sätzen, bei denen es mir eiskalt den Rücken runter lief! »Ankunft im Alltag leider, und wenig Zeit. Deshalb erstmal diese Kurzmail. Melde mich aber "dann" ausführlicher nochmal.« Dabei ist es dann geblieben!Wieder ein gebrochenes Herz, wieder Tage und Nächte, Stunden und unzählige Sekunden, die nicht vergehen. Vor zwei Wochen habe ich ihm dann eine letzte und eindeutige Mail geschickt. Worauf ich mit keiner Antwort rechnen muss! Wollte, musste weiterleben und mich befreien, von diesem Fluch. Denn »Er« hätte dies niemals getan! Warum auch, konnte »Er« doch so ALLES haben!
keine rosarote Brille mehr
Und siehe da, trotz einiger Anfangsschwierigkeiten, schlaflose und verheulte Nächte etc., es wurde nach und nach ein gutes Gefühl, da gut für »mich!« Kann nun die ersten Sonnenstrahlen, das Zwitschern der Vögel und den nahenden Frühling wieder in mich aufnehmen. Kann nach und nach sogar die Männerblicke wieder genießen. Kein »Tunnelblick« mehr, kein nervenaufreibendes Warten, vor allem auf »WAS« mehr.Und jetzt, am Ende meines Erfahrungsberichtes bin ich weniger traurig, als vielmehr, um eine Erfahrung reicher. Und schicke einen Gruß an all die Geliebten da draußen bzw. eher im Underground sowie auch an die Partner(innen) solcher Menschen, denn ich mache diesbezüglich keine Gechlechtertypisierung. An alle, die solche Menschen erlebt haben oder derzeit erleben. Solche Menschen sind leider schwach und das ist das wirklich traurige daran. Denn entweder, sie haben keinerlei Gewissen, oder aber einen enormen Hang zur Selbstbestätigung. Und dann gibt es noch die, die aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Wandlung, Veränderung heraus, ihre Partner(innen), ihre Geliebten - aber letztendlich, ja doch nur »sich« selbst betrügen.
Die Rebellin*
*Name wurde von der Redaktion geändert