Buchrezension: Der Schlüssel zur Treue |  Hans Jellouschek

Frau muss eine Entscheidung treffen

Was ist wichtiger: Treue zum Partner oder sich selbst treu bleiben? Hans Jellouschek erklärt in seinem Buch, wie Sie beides in Balance bringen

Treue wird heiß diskutiert: Ist sie überflüssig, wichtiger denn je oder ein Ding der Unmöglichkeit? Diesen Fragen geht der renommierte Eheberater Hans Jellouschek in »Der Schlüssel zur Treue« nach – und bricht eine Lanze für ein neues Verständnis der Treue in Partnerschaften.

Die Inhalte dieser Buchrezension:

Bis dass der Tod uns scheidet – wer will und kann heute noch so ewig einem anderen Menschen Treue versprechen? Hans Jellouschek, Paartherapeut und Autor zahlreicher Beziehungsratgeber, weiß, dass Paare oft an der Interpretation der Liebestreue scheitern: Sie verkennen, dass Treue sich im Laufe einer Partnerschaft wandelt, dass sie sich ebenso wie die Partner selbst verändert und entwickelt.

Die meisten Paare würden sich mit der Treue erst dann beschäftigen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, schreibt Jellouschek. Dann nämlich, wenn es mit ihr nicht mehr weit her ist und einer der Partner fremdgeht. Dabei sollte Treue schon viel früher Thema in einer Liebesbeziehung sein. Denn über kurz oder lang stellt der Wunsch nach Selbstverwirklichung beinah jede Partnerschaft auf eine harte Probe, dann können die eigenen Ansprüche mit der Treue in Konflikt geraten. Davor brauche aber kein Paar zu kapitulieren, denn es gebe immer wieder Wege, beides in Einklang zu bringen, behauptet Jellouschek. Mehr noch: Das könne sogar eine Bereicherung für die Beziehung sein. In der gemeinsamen Entwicklung einer guten Balance zwischen Treue und den eigenen Ansprüchen können ihm zufolge Paare gegenseitige Treue als ein lohnendes Ziel erfahren – und diese Ausschließlichkeit nicht als Einschränkung, sondern als Gewinn erleben.

Anhand von Beispielen bringt er seinen Lesern einfühlsam und motivierend nahe, welche Einsichten und Verhaltensweisen nötig sind, um Treue möglich zu machen.

Buchvorstellung: Der Schlüssel zur Treue. Warum es sich lohnt, für die Liebe zu kämpfen

Darum geht's:

  • Versprechen können wir viel – aber ob wir in Bezug auf die Treue alles halten können, ist die Frage.
  • Das liegt weniger daran, dass Treue an sich eine überkommene und für heutige Verhältnisse unangemessene Tugend ist, sondern daran, dass wir sie falsch auslegen, nämlich als eine unwandelbare Vorgabe.
  • Anstatt einer in Stein gemeißelten Treueauffassung sollten wir Absichts-Treue-Versprechen geben, für die wir keine Garantie übernehmen können – denn Liebe ist lebendig und muss sich verändern.
  • Ohnehin sei es für Paare unter den heutigen Bedingungen unmöglich, ein Versprechen zu halten, das sexuelle Treue für immer festlegt. Denn die eigenen Bedürfnisse, Ansprüche und der Wunsch nach individueller Selbstverwirklichung funken immer wieder dazwischen.
  • Treue sei ein gemeinsamer Prozess, etwas, das sich zwischen zwei Menschen entwickle und immer wieder realisiert und aktualisiert werden müsse.
  • Jellouschek erklärt, was Treue eigentlich bedeutet, wie sie in einer guten Weise aufrechterhalten und wie sie genährt werden kann – und zwar vor der großen Krise, die Untreue meist heraufbeschwört.

Dieses Buch ist etwas für Sie,

  • …wenn Sie sich mit dem Thema Treue sachlich, aber konstruktiv auseinandersetzen wollen.
  • …wenn Ihre Beziehung erstarrt ist – Sie aber treu bleiben wollen.
  • …wenn in Ihrer Partnerschaft Untreue eine Rolle spielt und Sie einen Weg suchen, wie Sie damit umgehen können.

So ist der Inhalt strukturiert:

Neben einer Einleitung und einem Schluss beinhaltet das Buch zwei umfangreiche Teile und ist damit in zwei wichtige Bereiche unterteilt: Im ersten Teil geht es um das Treueversprechen – sozusagen die Theorie. Im zweiten Teil um Treue im Beziehungsalltag – also die Praxis.

Teil I: Von Sinn und Unsinn eines Treueversprechens

In sechs Unterkapiteln beleuchtet Jellouschek sämtliche Grundlagen der Treue anhand von zwei Paarbeispielen. Dabei beantwortet er unter anderem diese Fragen:

  • Wie ist das mit der Treue zu Beginn einer Beziehung?
  • Warum geben sich Paare Treueversprechen und wie sind diese heutzutage zu bewerten?
  • Was macht Partnerschaften schwierig, was lässt sie im Laufe der Zeit erstarren?
  • Wie entstehen Paarkonflikte und wohin führen sie?

Teil II: Das Treueversprechen im Alltag der Partnerschaft

In acht weiteren Unterkapiteln geht Jellouschek darauf ein, wie Partner es schaffen, im Beziehungsalltag gute Voraussetzungen für Treue zu schaffen. Dabei greift er unter anderem diese Fragen auf:

  • Wie können Partner im Beziehungsalltag mit dem Treueversprechen umgehen?
  • Was hilft Paaren dabei, das Treueversprechen aufrechtzuerhalten?
  • Wie bewältigen Paare typische Konflikte, welche Rolle spielen dabei Kompromisse?
  • Wie wirken sich unvermeidbare Verletzungen auf die Treue aus und wie können sich Paare vergeben?

3 Anregungen aus dem Buch

Treue zu sich selbst und Treue zum anderen – (k)ein Widerspruch

Es gibt Lebenssituationen, in denen ein Mensch vor der Frage steht: Bleibe ich meinem Partner treu ODER mir selbst? Etwa, wenn grundlegende Liebesbedürfnisse unerfüllt bleiben. In solchen Fällen, schreibt Jellouschek, könne ein allzu starres Treuegelöbnis beide Partner massiv einschränken. Früher, erklärt Jellouschek, wurden individuelle Bedürfnisse einem gesellschaftlich legitimierten Treueverständnis untergeordnet. Heute haben die meisten von uns das ausgeprägte Bedürfnis, glücklich zu werden, sich selbst treu zu bleiben. Und die Mehrzahl der Menschen leitet davon einen Anspruch ab.

Genau hier kann es zur Kollision mit der Treue kommen: Muss ich einer unbefriedigenden, schwierigen Beziehung treu bleiben, und dafür die Treue zu mir selbst opfern? Liebe und Beziehungsglück könne man nicht vorschreiben oder gesetzlich verordnen, sagt Jellouschek. Ein unbedingtes Treuegelöbnis könne beide Partner blockieren und unglücklich machen: Weil es dafür sorge, dass Menschen wegen dieses unrealistischen Versprechens an unerträgliche Beziehungsumstände gefesselt werden. Hier rät Jellouschek zu einem neuen, anderen Verständnis des Treuegelöbnisses: ein Bekenntnis in Form eines Absichts-Treue-Versprechens.

Absichts-Treue-Versprechen statt Gelöbnis

Man will dem anderen treu bleiben, eine Garantie dafür kann man aber nicht geben. Wer so realistisch an eine Beziehung herangeht, ist mitnichten unromantisch, sondern klug. Allzu starre Vorschriften machen uns unfrei und provozieren Überschreitungen – wer aber ehrlich zu Beginn einer Partnerschaft sagt, er wolle sich aus Liebe ganz auf diese Beziehung einlassen und dem anderen in jeder Hinsicht treu bleiben, der tut laut Jellouschek etwas äußerst Sinnvolles: Er verleiht seinem ernstgemeinten Beschluss Ausdruck, mit dieser Person das Leben teilen zu wollen. Nicht unter Vorbehalt oder auf Widerruf, sondern als klares Bekenntnis zu einer Partnerschaft, die sich aber wandeln kann und muss, was die Bedingungen für diese Liebe und damit das Treueverständnis ändern kann.

Treue ist ein lebenslanger Prozess – so bleibt er in Gang

Dem Partner auch unter erschwerten Umständen die Treue – sexuell und emotional – zu halten, mag eine Herausforderung sein. Es ist aber eine, die nicht nur die Beziehung an sich, sondern auch jeden Partner für sich bereichern kann. Vertrauen etwa muss wachsen, meint Jellouschek. Dazu gehören ihm zufolge Konflikte ebenso wie Verletzungen. Nicht deren pauschale Vermeidung sei wichtig, sondern der konstruktive Umgang damit – besonders vor dem Hintergrund, dass Paare im Alltag vielfach in Beschlag genommen sind und ihre Liebe bisweilen überstrapaziert wird. Umso wichtiger ist es laut Jellouschek, wichtige Prozesse in Gang zu halten oder immer wieder anzuregen, damit nicht die Bindung und damit die Treue auf der Strecke bleibt.

Rituale hält Jellouschek für sehr wirksam, um einer entzweienden Tendenz entgegenzuwirken. Ob Sie sich regelmäßig Zeit für ein ausführliches Gespräch nehmen oder bedeutsame Jahrestage wie den Kennenlern- oder Hochzeitstag nutzen, bleibt Ihnen überlassen – in jedem Fall sollten Sie feste Termine einplanen, um sich über das Treue-Thema, so wie es sich in Ihrer Beziehung offenbart, auszutauschen. Für ebenso wichtig hält Jellouschek Bilanzgespräche: Wo stehen Sie in Ihrer Beziehung, was läuft gut, was ist weniger positiv? Das sollten Sie sich gemeinsam fragen, und dies etwa auf einer improvisierten Skala einschätzen. Auf diese Weise können Sie den derzeitigen Zustand Ihrer Partnerschaft erkennen und sehen, wie es in Bezug auf Lebendigkeit oder Erstarrung insgesamt steht. Wichtig sei zudem, dass jeder Partner sein Treueversprechen im Alltag einlöse – denn gerade hier hapert es oft. Beziehungen haben heute eine viel größere Bedeutung für uns, zugleich nimmt uns das alltägliche Leben so in Beschlag, sind wir so mit uns beschäftigt, dass die Liebe hinten ansteht. Dabei sei es für eine tragfähige Beziehung entscheidend, dass die Frage danach, wie gut es jedem Partner und beiden zusammen geht, immer wieder gestellt und beantwortet werde.

 

Bemerkenswerte Zitate aus dem Buch

Wir können als Partner einander nie die vollständige Erfüllung unserer Glückssehnsucht sein. Aber wir werden gerade durch das Fragmentarische, das auch einer treuen Partnerschaft zu eigen ist, über unsere Begrenztheit hinaus verwiesen auf das ‚Ganze‘, auf die ‚Ganzheit‘ der Liebe, nach der wir uns letztlich sehnen.«

Würden nicht unendlich viele Konflikte in Paarbeziehungen ein Ende haben, wenn wir dieses Ideal aufgäben? Meine Antwort darauf: nein, das würde es nicht! Denn: Gerade die Treue zum anderen, die auch Intimität und Sexualität umfasst, und nur sie vermittelt uns das Gefühl von wirklich fester, sicherer Bindung an den Partner.

Ein Treuegelöbnis zwischen Paaren bzw. dessen Einhaltung….ist in manchen Fällen fehl am Platze, es würde eine weitere Entwicklung der Partner und ihrer Beziehung unmöglich machen. Und nicht selten erweist sich das Brechen dieses Gelübdes im Nachhinein als hilfreich, ja sogar notwendig: Damit Entwicklung aus Stagnation und Erstarrung wieder in Gang kommt.

Fazit: Das bringt die Lektüre

Hans Jellouschek, Jahrgang 1939, ist Theologe, Eheberater, Psychotherapeut und Lerntherapeut für Transaktionsanalyse. Außerdem hat er unzählige Bücher zum Thema Beziehung geschrieben, von denen manch eines bereits zu den Klassikern in dem Bereich der Paarberatung zählt. Dieser Hintergrund macht sich auch in seinem neuen Buch bemerkbar: Jellouschek behandelt das Thema Treue umfassend und respektvoll. Dabei wirkt er niemals belehrend, auch wenn er klare Ansichten hat. Etwa die, dass es sich lohnt, stets aufs Neue die Balance zwischen Nähe und Distanz in einer Partnerschaft auszuloten, auch wenn es in heutigen Zeiten nicht leicht ist, einen gemeinsamen, treuen Weg zu finden.

Hier geht es portofrei zum Buch

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