Umgang mit einem Seitensprung – So überstehen Sie den Treuebruch
Natürlich gibt es Paare, die jetzt aufgrund einschlägiger Negativ-Erfahrungen spontan »gar nicht!« rufen würden. Weil der Seitensprung, ganz gleich, aus welchen Gründen er passiert, eine heftige Zäsur in einer ansonsten monogamen Beziehung hinterlässt.
Zum Thema Seitensprung beichten oder nicht gab es an dieser Stelle ja schon Gedankenanstöße und Tipps. Doch das ist nur der Anfang. Was kommt danach? Ist es möglich, das Vertrauen innerhalb einer Partnerschaft wieder herzustellen und den Seitensprung nicht nur zu verzeihen, sondern auch die Folgen zu überwinden? Diese Folgen können nämlich beträchtlich sein und sich auf alle Lebensbereiche ausdehnen. Und doch muss ein Seitensprung keine Katastrophe sein. Wichtig ist, dass Sie beide nicht in Hysterie verfallen und den Seitensprung überdramatisieren. Auch das Gegenteil, ein Verdrängen und Verharmlosen um der Harmonie Willen, funktioniert nicht.
Schauen wir uns die Sache aus der Nähe an und versuchen, den Seitensprung als das zu betrachten, was er ist: eine sexuelle Begegnung mit einem Außenpartner. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.
Regel Nr. 1: kein Schnulzenalarm bitte
Und zwar seitens des Seitenspringers. Angenommen, Sie sind ein männlicher Fremdgänger und noch bis unter den Haaransatz voll mit Endorphin. Sie hatten grandiosen Sex. Gut. Sie haben Ihren Partner betrogen. Nicht so gut. Und es liegt maßgeblich an Ihnen, ob daraus ein irreparabler Bruch oder nur eine vorübergehende Dissonanz wird. Versuchen Sie daher, einen klaren Kopf zu bekommen. Wenn es sich wirklich nur um einen Seitensprung handelte, sollten Sie ihn auch so behandeln. Das heißt: keine hormonvernebelten Liebeserklärungen per SMS am nächsten Morgen, in denen sich bereits die nächste Sex-Episode anbahnt. Auch keine melodramatischen Kofferpack-Aktionen à la »ich muss auf der Stelle mein Leben verändern«.
Auch wenn Sie es nicht gerne hören: Damit Sie als Paar einen Seitensprung gut überstehen, müssen Sie jedes kopflose Rumeiern und Aufbauschen vermeiden. Nur wenn Sie sich eindeutig positionieren, hat Ihre Beziehung eine Chance, den Seitensprung zu verkraften. Dazu gehört auch, dass Sie sich ein paar Gedanken zum Thema Sex machen.
Was bedeutet Sex für Sie?
Denken Sie kurz über diese Frage nach, bevor Sie weiterlesen, denn die Antwort ist ausschlaggebend für einen konstruktiven Umgang mit einem Seitensprung.
In vielen langjährigen monogamen Beziehungen spielt Sex eine untergeordnete Rolle. Andere Werte stehen weiter oben in der Präferenzenliste. Tiefe Liebe, gemeinsame Unternehmungen, Intimität, Zärtlichkeit, Vertrauen, Zukunftspläne, Loyalität. Das gemeinsame eheliche Sexleben plätschert in ruhigem Fahrwasser dahin, findet zwar regelmäßig statt, erfüllend, sinnlich, aber ohne das große Erdbeben, bei dem Bettgestelle zu Bruch gehen und die Nachbarn sich über Ruhestörung beklagen. Klingt unspektakulär, ist aber für sehr viele Liebespaare eine bewährte Formel zum Glücklichsein, weil es ja kein vordergründiges Defizit-Empfinden gibt. Bis... ja, bis einer von beiden »zufällig« in fremden Armen landet und den absolut tollen, ungewohnten, längst vergessenen lustvollen Sex erlebt.
Wieder zuhause steht der »Ausbrecher« vor einem Problem. Er hat etwas Verbotenes, Schönes, Geiles, Aufregendes erlebt und ist noch ganz berauscht von dieser Erfahrung. In diesen Rauschzustand mischt sich die Erkenntnis, welchen Preis er dafür zahlen muss: den geliebten Partner verraten und die partnerschaftliche Intimität zerstört zu haben. Und das »nur« für Sex? Von wegen »nur«.
Wenn Sie die fremdgehende Ehefrau oder der fremdgehende Ehemann waren, dann fragen Sie sich bitte ganz direkt: Können oder wollen Sie auf diese Art Sex künftig verzichten? Oder ist sie zu wichtig, um eine unerfüllte Sehnsucht zu bleiben? Können Sie sich vorstellen, diesen Sex mit Ihrem Partner innerhalb der Beziehung zu leben? Oder reicht Ihnen der Seitensprung als einmalige Erfahrung, und Sie möchten in Ihrer Beziehung gar nichts verändern?
Wieviel Wahrheit verträgt ein betrogener Partner?
Sie beschließen, dass Ihnen Offenheit und Vertrauen wichtiger sind als Ihr süßes Geheimnis, und setzen daher Ihre Partnerin ins Bild. Vielleicht haben Sie ja auch genau das vereinbart. Aber es kommt anders als gedacht. Ihre Partnerin macht Ihnen einen Strich durch die Rechnung, fällt Ihnen ins Wort, schneidet Beichte samt Erklärungsversuchen ab, verkündet schroff, nichts davon hören zu wollen.
Das kommt häufiger vor, als man meinen könnte – und zwar überraschenderweise bei Frauen, die zuvor erklärten, im Falle des Falles haarklein informiert werden zu wollen. Doch wenn es dann tatsächlich soweit ist, ertragen sie es nicht, Einzelheiten über den sexuellen Kontakt ihres Mannes mit einer anderen Frau zu hören und krümmen sich bei der Vorstellung vor Abscheu.
Andere Frauen wiederum brauchen das konkrete Bild, um ihre Phantasie abschalten zu können; verlangen nach jedem Detail, wollen alles wieder und wieder erzählt bekommen. In jedem Fall sollten Sie die Reaktion Ihrer Partnerin ernst nehmen und respektieren.
Paartherapeuten sind sich hier nicht einig, was besser für die Zukunft der Partnerschaft ist. Es gibt aber eine leichte Mehrheit in Richtung Offenheit. Vielleicht, weil man nur etwas aus vollen Herzen verzeihen kann, was man genau kennt? Ein Phantom lässt sich nicht verzeihen, nur verdrängen.
Wenn Ihnen die Worte fehlen...
Das virtuelle Therapieforum Theratalk bietet eine effektive Erste-Hilfe-Maßnahme nach dem Seitensprung in Form eines Fragenkataloges an. Nicht nur für den Betrogenen, sondern für beide. Die Fragen wirken teilweise albern, ergeben aber ein ausgeklügeltes Ganzes.
Selbst wenn Sie sich nicht für die Auswertung interessieren (z.B. weil Ihnen Psychotipps generell nichts bedeuten), kann es eine gute Reparaturmaßnahme sein, zu zweit diesen Fragenkatalog durchzugehen und zu beantworten. Die Alternative ist, jeder füllt ihn für sich aus, und anschließend geben Sie sich Ihre Antworten gegenseitig zu lesen. Vielleicht erfahren Sie dabei etwas über Ihren Partner, das Sie noch nicht wussten! In den Fragen wird nämlich nicht nur der Seitensprung thematisiert, sondern auch der Zustand Ihrer Beziehung. Es geht um persönliche Träume und Wünsche, Ängste und Erwartungen. Und da so ein Fragebogen eine Art Autorität darstellt, fast so, als sei eine dritte Person mit im Raum, sind spontane Wutausbrüche oder Vorwürfe praktisch ausgeschlossen. Die Energie wird umgeleitet und konstruktiv genutzt.
Katerstimmung? Stellen Sie unbedingt das Kopfkino ab!
Auch dieser Tipp richtet sich an beide Beteiligte. Wenn der Seitensprung nur ein Seitensprung war und nicht etwa der Auftakt zu einer heimlichen Affaire, dann muss Schluss mit dieser Verbindung sein. Das heißt: Der betrogene Partner malt sich nicht bei jeder Gelegenheit den Betrug immer wieder aus, und der Seitenspringer lechzt nicht bei jeder Gelegenheit nach einer Wiederholung der heimlichen Begegnung. Keine heimlichen Mails, kein »man könnte das ja mal wiederholen«, no way. Hierin sind sich Therapeuten einig: Nur wenn der Seitensprung wirklich abgeschlossen und abgehakt ist, kann der nächste Schritt erfolgen, nämlich eine neue Annäherung.
Lässt sich das Kopfkino nicht abstellen, stimmt etwas nicht. Ein Seitenspringer, der nicht abschließen kann, ist ebenso unehrlich wie ein betrogener Partner, der die Geschichte immer wieder mit spitzen Bemerkungen, Anspielungen oder generellem Misstrauen aufwärmt. Natürlich dürfen Sie den Seitensprung nicht tabuisieren. Wer Redebedürfnis verspürt, sollte reden dürfen, unzensiert. Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass jedes Heraufbeschwören des Szenarios die Wunde wieder aufreißt und eine Weiterentwicklung verhindert.
Verlustschmerz – Ein Thema, über das keiner spricht
Es klingt recht einfach: Seitensprung, Beichte, Krisenbewältigung. Denkste! Jeder, der nicht völlig gefühlskalt ist und schon einmal fremdging, kennt diesen merkwürdigen Seelenschmerz danach. Nicht die körperliche Sehnsucht nach einer Wiederholung der Sexgeschichte. Sondern ein trauriger, wehmütiger Verlust- oder Trennungsschmerz, der dem Seitensprungpartner gilt.
Auch wenn es »nur« eine bedeutungslose Sexbegegnung war: Sie haben einen fremden Menschen an sich herangelassen, weil Sie sich sehr zueinander hingezogen fühlten. Sie haben mit ihm etwas geteilt, das eigentlich dem Beziehungspartner vorbehalten ist, und Sie wissen, dass Sie diese Begegnung nie wieder haben werden, es sei denn, Sie sind an einer Fortsetzung Ihrer Basispartnerschaft nicht interessiert.
Was Sie das spüren, ist die Light-Version einer echten Trennung. Versuchen Sie, diesen Schmerz von den Schuldgefühlen gegenüber Ihrem Partner zu trennen, denn in der Kombination sind die beiden »Gefühlspakete« sehr schwer zu tragen. Gestatten Sie sich, die Trennung von Ihrem Seitensprung zu betrauern. Ganz egoistisch und für sich allein. Das steht Ihnen zu. Was Sie da fühlen, ist menschlich und darf nicht bagatellisiert oder durch Schulgefühle überdeckt werden.
Natürlich könnten Sie versuchen, sich Ihrem Partner mitzuteilen. Erwarten Sie aber nicht zuviel Verständnis. Im Idealfall fasst Ihr Partner das als Vertrauensbeweis auf. Weitaus wahrscheinlicher ist es aber, dass Sie Sprüche ernten wie »na toll, du tauerst ihm/ihr ja hinterher, warum springst du nicht gleich wieder mit ihm/ihr ins Bett?«
Und diese Reaktion ist verständlich. Schütten Sie daher lieber einem guten Freund Ihr Herz aus, und belasten Sie Ihren Partner nicht damit. Je eher Sie Ihren privaten Verlustschmerz bewältigt haben, umso schneller können Sie mit dem Wiederaufbau Ihrer gemeinsamen Vertrauensbasis beginnen.
Worüber erst recht keiner spricht: Chaos im Bett
Ein Seitensprung bedeutet Sex ohne Vertrauensbasis. Animalischer Sex, der ausschließlich auf Bedürfniserfüllung abzielt und gerade deshalb so geil ist. Sex in einer Partnerschaft ist etwas völlig Anderes. Hier offenbaren sich zwei Menschen, weil sie sich lieben. Sex ist dabei kein Spannungsabbau und keine Egopolitur, sondern Teil dieser Liebe. Nach einem Seitensprung fehlt die Vertrauensbasis hierfür.
Manche betrogenen Frauen empfinden Ekel vor ihrem Mann und können sich nicht vorstellen, je wieder Sex mit ihm zu haben. Diese Phase kann ein paar Tage bis hin zu einem Jahr dauern. Umgekehrt gibt es betrogene Männer, die ihre Partnerin am liebsten mehrmals täglich im Ehebett vergewaltigen würden, um den Eindruck zu verscheuchen, den der fremde Mann hinterlassen haben könnte.
Manche Paare haben direkt nach dem gebeichteten Seitensprung exzessiven Sex, aber nicht genussvoll, sondern aggressionsgeladen. Und dann gibt es den »ich verzeih dir«-Sex, der sehr einfühlsam, bewusst und zärtlich stattfindet und sagt: »scheiß drauf, so ein Seitensprung kann uns nicht auseinanderbringen.«
Sie sehen: Nach einem Seitensprung kann Sex heilsam sein – oder genau das Falsche. Wenn Sie diese Ambivalenz spüren, dann verfallen Sie nicht in Panik. Das Durcheinander ist normal, und Sie können es nur bedingt beeinflussen.
Wichtig ist, dass Sie Details wie Infektionskrankheiten oder eine mögliche Schwangerschaft als Folge des Seitensprungs unbedingt abklären. Ganz ehrlich: Haben Sie das Kondom »vergessen«? Dann stehen Sie dazu, gehen Sie zum Arzt und praktizieren Sie ausschließlich Safe Sex, bis Sie den Befund haben. Sie müssen Ihrem Partner neben dem Vertrauensbruch nicht auch noch das Risiko von Chlamydien, Pilzinfektionen oder Hepatitis zumuten. Von AIDS ganz zu schweigen. Außerdem ist so ein Test ein wichtiges Signal an Ihren Partner, dass Sie Verantwortung zu übernehmen bereit sind.
Fazit: Klare Verhältnisse für die Liebe schaffen
Wie sich der Seitensprung bei Ihnen auswirkt, lässt sich nicht vorhersagen. Wenn Sie aber entschlossen und bereit sind, Ihre Partnerschaft weiterzuführen und das zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen, dann müssen Sie etwas dafür tun.
Egal, wer von Ihnen beiden fremdgegangen ist: der Kontaktabbruch zum Außenpartner ist Pflicht. Versuchen Sie keinen Eiertanz wie »wir sind nur Freunde«, das funktioniert nie. Diese berühmte Grauzone zwischen Sexfreundschaft und Affäre ist Gift für Ihre Beziehung. Falls Sie nicht mehr ohne den erotischen Kick von außen leben möchten, dann reden Sie mit Ihrem Partner Klartext. Vielleicht ist er ja zu einer Öffnung der Monogamie bereit. Vielleicht bedeutet es auch die Trennung. Auf jeden Fall sollten Sie Ihre Energie nicht in Vertuschungsaktionen oder Heimlichkeiten investieren, sondern in Ihre Beziehung.
Übrigens: Die Frage nach dem »Warum« steht ganz unten auf der Liste! Setzen Sie sie nicht zu früh auf die Tagesordnung, sonst bekommt sie den Charakter eines Alibis. Motto: »Ich musste ja fremdgehen, weil du...« usw. Erst wenn die hier genannten Themen geklärt sind – und das braucht seine Zeit – besteht eine gemeinsame Basis für die Ursachenforschung. Aber Kopf hoch, wenn Sie es bis hierhin geschafft haben, dann stehen Ihre Chancen dafür sehr gut!