Doch, muss es! Schauen wir uns ein Beispiel an, wie Macht und Ohnmacht sich beim Thema Geld verselbständigen können. Er verdient gut, sie verliert, aus welchen Gründen auch immer, den Job. Beide leben in einer häuslichen Gemeinschaft. Er weiß, dass seine Partnerin finanziell von ihm abhängig ist. Sie weiß es auch. Und wird zunehmend unsicherer. Unsicherheit macht unsexy. Abhängigkeit auch. Dauert der Zustand an, verliert der Mann das sexuelle Interesse an seiner Partnerin, artikuliert das aber nicht, weil er nicht schuftig wirken möchte. Sie spürt es dennoch und wird noch unsicherer. Er hat »machttechnisch« Oberwasser und ist gleichzeitig frustriert.
Bis zum ersten Seitensprung oder einer heimlichen Affäre ist es nur ein kleiner Schritt. Das männliche Ego will gestreichelt werden, nicht nur als Versorger bestätigt. Gewissensbisse, Schuldgefühle? Nö, schließlich unterstützt er die Partnerin selbstlos. Wofür sie so »dankbar« ist, dass sie den Fremdgänger nicht zur Rede stellt oder sitzenlässt, sondern in der Situation ausharrt. Wodurch Selbstwertgefühl und Perspektiven noch mehr in den Keller rutschen. Dies wiederum (ja, es geht ewig hin und her, merken Sie’s?) registriert ihr Mann, findet es beschissen, was zu noch mehr Disharmonie führt.
Ganz so schnell läuft es im Alltag natürlich nicht ab. Zwischen den einzelnen Stufen liegen lange, tränenreiche Abschnitte, Zweifel, Schmollen, Stillhalten und sexuelle Flaute. Und all das schweigend, wie gehabt.
Geht es etwa nur ums Geld
Nein. Geld ist, zumindest in unserem Kulturkreis, eine extrem emotional aufgeladene Metapher in einer Beziehung. Es verkörpert die Möglichkeit, sich persönliche Bedürfnisse zu erfüllen, die eine Liebe bereichern, wenn sie ausgelebt werden: Unabhängigkeit, Freiheitsdrang, berufliche und private Selbstverwirklichung, Spontaniität, positive Zukunftsplanung. Ob das vorhandene oder fehlende Geld wirklich der Schlüssel dazu ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass einer oder beide Beteiligte es so empfinden.Zwischen Hingabe und Autonomie: keine Politik bitte!
Ein wichtiger Aspekt ist die Gewissheit, mit dem Partner nicht aus finanziellen Zwängen oder moralischen Verpflichtungen zusammenzusein, sondern freiwillig. Aus Liebe. Ist das nicht der Fall, entsteht schleichend ein Ohnmachtsgefühl, und der stumme Machtkampf beginnt.Gefährlich in diesem Zusammenhang ist das politische Belohnungsprinzip. Bedürfnisse zu artikulieren, kostet Überwindung. Wer den Dialog beginnt, gibt sein Machtspiel auf und riskiert, verletzt zu werden. Bei schnippischer Reaktion entsteht schnell die Gleichung »Bedürfnisse artikulieren = Streit, Spannung, Verletzung« und umgekehrt »Stillschweigen = Harmonie, ungestörter Alltag«. Ideal für eine Geschäftsbeziehung voller Machtkämpfe, aber Gift für die Liebe. Wie sang Heinz-Rudolf Kunze so schön? »Was sind das bloß für Menschen, die Beziehungen haben? Betrachten die sich denn als Staaten? Die verführen sich nicht, die entführen sich höchstens und enden wie Diplomaten.«
Die Paar-Balance ist nicht statisch, sie verändert sich täglich, in gleichem Maße, wie Sie und Ihr Partner sich weiterentwickeln. Es gilt also, persönliche Grenzen, Freiräume, Bedürfnisse und Privatsphäre nicht auf dem einmal für gut befundenen Zustand einzufrieren, sondern regelmäßig »upzudaten«. Dass eine ausgeglichene Bedürfnis-Bilanz ohne Machtspielchen auch zu genussvollem Sex führt, ist ein schöner Nebeneffekt... Genießen Sie ihn!
Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Partnerschaft: Wenn aus Liebe Macht wird
Seite 2: Die Liebe und das liebe Geld