Eva Hermans Credo: Frauen sollten nicht arbeiten, sich nicht geisteswissenschaftlich, politisch oder kreativ betätigen, sondern ihr Lebensglück »in der Gestaltung eines Heims, einer Partnerschaft« finden, »in der wir an der Seite eines Mannes segensreich wirken können.« Herman hält emanzipierte unabhängige, berufstätige alleinerziehende Frauen, die Spaß am Leben und am Sex haben, für den Grund allen Übels in Deutschland. Um dies zu untermauern, zieht Herman diverse Statistiken und Umfrageergebnisse heran.
Désirée Nick hingegen hat eine scharfzüngige Gegendarstellung zu diesem literarischen Rücksturz ins prä-Alice-Schwarzer-Zeitalter formuliert. Hierfür nahm sie akribisch sämtliche Thesen des Buches unter die Lupe, recherchierte und enttarnte das Eva-Prinzip als haltlosen Unsinn. Der intelligente Inhalt wird von einem Cover gekrönt, auf dem sich Nick als atemberaubender Blondinenvamp präsentiert. Oder auch als lebenden Beweis dafür, dass erfolgreiche, emanzipierte Frauen keine asexuellen Mannweiber sein müssen, sondern ihre Weiblichkeit genießen. Was Männer gerne mit »weiblicher Macht« verwechseln.
Nick fasst das Dilemma präzise zusammen: »Männer wurden auf diese Generation nie vorbereitet. Da kommt schon mal eine Pamela-Anderson-Phantasie real in sein Büro, wirft ihren Maseratischlüssel auf den Schreibtisch und sagt: »Schätzchen, hol den Wagen!« Männer wollen uns als wilde Gewächse halten, die in seinen Garten passen, nun wird der Garten gerodet und urbar gemacht.«
Der Mythos ist enttarnt
Frauen können alles. Mutter werden, es lassen, als Hundezüchterin, Astronautin, Hausfrau, Quantenphysikerin, Bäckerin, Surfmeisterin, Schauspielerin oder Regisseurin, Model oder als Inhaberin einer Modelagentur tätig sein, monogam in einer Ehe leben oder sich als Geliebte vergnügen. Frauen setzen ihre intellektuellen Fähigkeiten ebenso selbstverständlich ein wie ihre sexuellen Reize. Und wünschen sich natürlich Partner, das zu schätzen wissen.Dies ist nicht etwa ein neuzeitliches Phänomen. Erinnern wir uns an Kleopatra, die gestandene Staatsmänner wie Julius Cäsar und Marc Antonius als Partner hatte, neun Sprachen fließend beherrschte und als letzter weiblicher Pharao das Ptolemäerreich regierte. Ohne ihren überragenden Intellekt wären ihre erotischen »Waffen« bei so begehrten, heftig umworbenen Männern wirkungslos geblieben.
Dies korrespondiert zum Teil mit der aktuellen Entwicklung. Viele moderne Frauen haben für sich beschlossen, ihre Weiblichkeit zugunsten von Bildung und Karriere nicht strategisch zu missbrauchen, sondern sie einfach in vollen Zügen zu genießen – und werden dadurch noch attraktiver für Männer. Manchmal sogar ohne es zu wissen. Was zweifellos die höchste Form weiblicher sexueller Anziehungskraft darstellt, da jegliches Kalkül fehlt.
Die neue Lässigkeit der Frauen braucht keine Machtspiele
In Japan trieb die Evolution weiblicher Macht kuriose Blüten: Der Mann liefert sein Gehalt bei der Ehefrau ab und erhält ein Taschengeld, während die Frau sämtliche Haushaltsentscheidungen trifft. Woher kennen wir das? Genau: Bis in die 70er Jahre war diese Rollenverteilung in Deutschland per Grundgesetz vorgeschrieben. Nur mit umgekehrten Vorzeichen. Glücklicherweise ist das Geschichte.Dass es hierzulande noch einmal zu einem staatlich verordneten Machtgefälle in Beziehungen kommt, ist unwahrscheinlich. Wirft man einen Blick in die einschlägigen Frauenzeitschriften und Foren, so erhält man den Eindruck, dass der Geschlechterkampf in den letzten Zügen liegt. Einen Sieger gibt es nicht, wohl aber wertvolle Erkenntnisse. Allen voran die, dass weiblicher sexueller Machtmissbrauch oder gar »Fallenstellen« à la Meredith nirgendwo hin führen außer in die Einsamkeit. Nichts schlägt Männer schneller in die Flucht als das Gefühl, von einer Frau manipuliert worden zu sein.
Der Druck, sich möglichst frühzeitig einen Ernährer, Kindsvater und Beschützer suchen zu müssen, ohne auf emotionale oder intellektuelle Kompatibilität Rücksicht zu nehmen, bestimmt nicht mehr die weibliche Lebensplanung. Dadurch haben sich automatisch die Suchkriterien für potenzielle Partner geändert.
Moderne Frauen wollen keine sexuelle Macht ausüben. Sondern, dass es auf allen Ebenen passt. Auf Augenhöhe flirten, kommunizieren, erfüllenden Sex, Einigkeit bei der Treuefrage, Ehrlichkeit, Übereinstimmung bei Lebenszielen, Träumen und Wünschen. Vom Mann als Persönlichkeit erkannt und wahrgenommen werden. Denn nur wenn Sex auf einer vertrauensvollen, genusshaften Basis erlebt werden kann, besteht später auch die Chance auf ausgewogene »Machtverhältnisse« in der Beziehung. Egal, ob sie ein paar Monate oder ein ganzes Leben dauert.
Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .Seite 1: Die sexuelle Macht der Frau: urbaner Mythos oder gelebte Realität?
Seite 2: Eva Hermann vs. Désirée Nick