6. Phase: Verzweiflung – die Leichen im Keller kommen hocht

Auch wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass aus einem Seitensprung etwas Positives entsteht: In jeder Beziehung gibt es ungelöste Probleme und faule Kompromisse, die man begräbt und herunterspielt. Nach einem Seitensprung sind viele Paare fest entschlossen, den Dingen auf den Grund zu gehen und die begrabenen Leichen ans Licht zu holen. Das mag schrecklich klingen, ist aber ein notwendiger Schritt zur Gesundung der Beziehung.

So merken Sie zum Beispiel vielleicht erst nach dem Seitensprung, wie sehr Sie sich isoliert haben, dass es in Ihrem Leben nur noch um Arbeit ging oder Sie sich in eingefahrenen Gleisen bewegten. Auch der Wunsch, sich in einer Midlife-Crisis wieder richtig lebendig zu fühlen, ist ein häufiges Problem, das durch eine Affäre aufgedeckt wird. Sie diente in diesem Fall dazu, die Frage zu unterdrücken: »Wer bin ich, was ist der Sinn meines Lebens, und was soll ich mit dem Rest meines Lebens anfangen?«

Wie Sie mit »versteckten Leichen« umgehen können

Wenn die Probleme so tief vergraben sind, dass keiner von beiden sagen könnte, was zum Seitensprung geführt hat, ist das verwirrend und beängstigend. Häufig steckt eine dieser drei Ursachen dahinter: Ungleichheit, gekreuzte Transaktionen oder die Lebensphasen der Kinder.

Das Problem der Ungleichheit

Die Partner einer Beziehung sollten auf Augenhöhe miteinander umgehen. Ein Ungleichgewicht (wenn z.B. einer nur für andere da ist oder einer allein das Geld verdient) führt auf Dauer zu Groll und bei beiden (!) Partnern zu erhöhter Anfälligkeit für einen Seitensprung.

Gekreuzte Transaktionen

Laut der Transaktionsanalyse des amerikanischen Psychiaters Eric Berne beruhen all unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen auf drei Persönlichkeitsanteilen: Dem »Eltern-Ich«, dem »Erwachsenen-Ich«, dem »Kind-Ich«. Alle drei sind gleich wichtig, wir brauchen sie nur zu unterschiedlichen Zeiten. Das Eltern-Ich kann fürsorglich oder kritisch sein, das Kind-Ich natürlich (kreativ, spielerisch) oder angepasst (schmollend, rebellisch, will gefallen). Das Erwachsenen-Ich tritt nur in einer Form auf, nämlich einfühlsam und überlegt. Treffen die falschen Persönlichkeitsanteile aufeinander, gibt es Probleme. Das Erwachsenen-Ich fragt: »Hast du meinen Schlüssel gesehen?«, der Partner antwortet: »Du solltest besser auf deine Sachen aufpassen« (kritisches Eltern-Ich) oder »Immer gibst du mir die Schuld!« (angepasstes Kind-Ich). Auch Tonfall, Gesichtsausdruck und Körpersprache entsprechen dem jeweiligen Persönlichkeitsanteil.

Eine Affäre wird oft aus dem Anteil des angepassten Kindes heraus begonnen. Wären die Betroffenen gerade im Erwachsenen-Ich, würden sie einfach sagen: »Ich bin unglücklich, wir müssen etwas ändern!« Vielleicht fürchten sie, der Partner könnte als kritisches Eltern-Ich reagieren: »Ich tue alles für dich, und trotzdem bist du nicht glücklich!« Die Kombination kritisches Eltern-Ich/angepasstes Kind-Ich findet man häufig bei Paaren, die keine Beziehung auf Augenhöhe führen. Lernen Sie zu erkennen, in welchem Zustand Sie gerade kommunizieren. Wenn Ihr Partner sich wie ein nörgelndes Kind verhält, prüfen Sie, ob Sie gerade als kritisches Eltern-Ich mit ihm reden. Wenn Sie als Erwachsenen-Ich reden und handeln, ist es wahrscheinlicher, dass der Partner als Erwachsenen-Ich antwortet. Das Machtungleichgewicht kann so ausgeglichen werden.

Die Lebensphasen Ihrer Kinder

können tief versteckt einen ungeheuren und auf den ersten Blick nicht verständlichen Einfluss ausüben. Bei Paaren, bei denen nicht ersichtlich ist, warum es überhaupt zu einer Affäre kommt, sollte man den Stammbaum der Partner ansehen und fragen, was in den Ursprungsfamilien geschah, als sie im selben Alter waren wie jetzt ihre Kinder.

Sie müssen die Probleme, die auftauchen, nicht lösen. Es ist genug, wenn Sie sich einfach alles anhören, was Ihr Partner Ihnen sagt, und dann still sitzen bleiben. Wenn Sie einfach nur akzeptieren, dass er so fühlt, wie er fühlt und dass die Gefühle aus seiner Sicht völlig berechtigt sind, ist das das größte Geschenk, das Sie sich machen können. Aus dieser Stille kann eine Lösung entstehen.

Dieser Artikel hat 8 Seiten. Lesen Sie auch ...

Seite 1: 1. Phase: Schock und Unglauben
Seite 2: 2. Phase: Intensives Fragen
Seite 3: 3. Phase: Zeit der Entscheidung
Seite 4: 4. Phase: Hoffnung
Seite 5: 5. Phase: Versuch der Normalität
Seite 6: 6. Phase: Verzweiflung
Seite 7: 7. Phase: Intensives Lernen
Seite 8: Zu guter Letzt: Wenn alles nichts hilft