Betten trennen – Lust verdoppeln?! Was für und was gegen getrennte Schlafzimmer spricht
Viele Prominente haben sie, Frauenzeitschriften preisen sie an, in Internetforen werden sie diskutiert: getrennte Betten. Ist es ein Trennungsvorbote, wenn Partner nicht mehr jede Nacht ins gemeinsame Gemach steigen, eine Verzweiflungstat sexmüder Paare oder vielleicht die Lösung für Lustprobleme?
Schuld an Sexflauten in Beziehungen trifft wohl selten das gemeinsame Bett. Am Möbel selbst oder dessen Positionierung liegt es weniger, wenn das Liebesleben langweilig wird. Nach dem Leidenschaftsrausch der Anfangszeit kann aus dem Bedürfnis nach viel, auch nächtlicher Nähe, ein Zwang werden – da bleiben Lustgefühle auf der Strecke. Also raus aus den gemeinsamen Federn und rein in eine neue Lust-Ära? Hier scheiden sich die Geister. Ob getrennte Betten Fluch oder Segen sind, ist Ansichtssache. Wir haben Argumente dafür und dagegen gesammelt – lesen Sie selbst.
One for you, one for me: 3 Argumente für getrennte Betten
Glücklicherweise ist es längst nicht mehr Pflicht, dass Mann und Frau Abend für Abend das gleiche Bett besteigen. Ein komfortables Ausweichzimmer muss kein Paar mehr verheimlichen, oft ruft es sogar Neider auf den Plan. Denn die liebevolle Aufkündigung der gemeinsamen Bettstatt hat eine Reihe Vorteile für das Sexleben.
Argument 1: Schnarchen, Blähungen, Mundgeruch – bei getrennten Betten kein Thema mehr
Ach ja, das Doppelbett: Sinnbild für partnerschaftliche Nähe und Lieblingsort für Sex. Auch Liebes-Coach Julia Kathan findet, Doppelbetten seien eine tolle Erfindung, etwa um das aneinander gekuschelte Einschlafen zu ermöglichen. »Im Idealfall wacht das Paar auch erfüllt und entspannt nach einer gemeinsamen (Liebes-)Nacht gemeinsam auf«, sagt die Autorin von Du bist ein Juwel im Gespräch. Leidenschaft, Nähe, Zärtlichkeit, Geborgenheit – all das verspricht das flauschige Gemeinschaftsgemach. Doch entspricht das immer der Realität? Nein, meint Julia Kathan. Mit der Zeit kommt man dahinter, dass der andere nicht nur Schokoladenseiten hat. Was, wenn man feststellt, dass der Partner schnarcht, im Traum redet, nachts raus muss, sich lautstark wälzt, Schlafstörungen hat oder was auch immer?
Anfangs findet man das vielleicht noch goldig, aber wenn Sie 456 Mal neben einem Partner mit Sabber im Mundwinkel erwachen, finden Sie das sicher nicht mehr anziehend. Die Folge: Die Lust muss sich mächtig ins Zeug legen, um in Fahrt zu kommen, Mundgeruch und zugeschwollene Augen sind nämlich auf Dauer abtörnend. Dann gibt es noch den schlafhygienischen Aspekt: Weniger als sechs Stunden Schlaf sollen dick, dumm und dröge machen. Was, wenn der putzige Partner die gesunde Ruhezeit vereitelt? »Dann ist es irgendwann so, dass man permanent übernächtigt und genervt ist. Und das bedeutet Stress für die Beziehung! Der andere wird wegen seiner nächtlichen Marotten zum roten Tuch. Natürlich muss man in Beziehungen auch Durststrecken aushalten, aber wenn der Schlaf ein Problem wird, dann wird es kritisch«, erklärt Kathan.
Argument 2: Raus aus den gleichen Federn – zu viel Nähe ist schlecht für die Intimität
Nur keine Scham: Klotür offen lassen, unter der Bettdecke pupsen und im alten Unterhemd schlafen – sowas wird oft als Intimität interpretiert. Dabei, so erklärt Tobias Ruland in Die Psychologie der Intimität, hat wahre Intimität wenig mit körperlicher Hemmungslosigkeit zu tun, vielmehr resultiert sie aus einer ehrlichen, selbst offenbarenden Begegnung auf Augenhöhe. Hm, was heißt das jetzt für die große Bettfrage, fragen Sie sich? Ganz einfach: Wer mit dem Partner echte Intimität und damit beste Voraussetzungen für befriedigenden Sex herstellen will, muss sich nicht in all seinen körperlichen (Un-)Arten zeigen, sondern eine ausgewogene Balance zwischen Nähe und Distanz schaffen. Dazu gehört auch, die Bedürfnisse und Wünsche des anderen wie seine eigenen zu behandeln. Wenn Sie also immer im gemeinsamen Bett schlafen wollen, Ihr Partner es aber auch mal gerne alleine tut, dann müssen Sie da auf einen Nenner kommen. Und eventuell sogar auf dauerhaften nächtlichen Beischlaf verzichten, eben um letzteren in sexueller Hinsicht zu retten.
Wer sich zu sehr auf die Pelle rückt, verringert den Raum für Leidenschaft, das meint auch Paartherapeut Wolfgang Krüger. Nähe gebe es nur dort, wo genügender Abstand ist, schreibt er in So gelingt die Liebe, auch wenn der Partner nicht perfekt ist . Zusammenziehen sei zwar ein wichtiger Stabilitätsfaktor für Partnerschaften, trotzdem müsse man die Autonomiewünsche des anderen tolerieren. Getrennte Schlafzimmer könnten eine Beziehung sehr entlasten und beleben, meint Krüger. Denn Liebe sei ein Kind der Freiheit, je mehr man sie einschränke und bedränge, umso flüchtiger werde sie.
Argument 3: Bewahren Sie den Zauber – und Ihren Partner vor der Alltäglichkeit
Es gibt Dinge in einer Beziehung, die sind besonders. Und dann gibt es noch die gewöhnlichen Sachen, wie etwa den Alltag. Den zu zweit gut zu bewältigen, das ist die Challenge für Langzeitpaare. Dabei müssen sie sich aber nicht gänzlich voreinander entblößen. Gerade Frauen sind zwiespältig in ihrem Empfinden, und das hat auch viel mit den Hormonen zu tun. Ein anderer Aspekt für ein eigenes Bett ist die monatliche Periode der Frau. In den ersten Tagen haben viele Frauen das Bedürfnis sich in ihre »Höhle« zurückzuziehen. Sei es, weil sie Monatsschmerzen haben, oder weil sie durch die hormonelle Umstellung sehr sensibel oder gereizt sind. Wenn sie keinen Rückzugsplatz finden, können sie zu regelrechten Furien werden, einfach, weil sie keine Möglichkeit haben, allein zu sein und die Decke über den Kopf zu ziehen. Man muss in Partnerschaften auch mal alleine sein können, um sich wieder neu zu begegnen. Das schließt die Nächte mit ein«, sagt Kathan. Neben einer hormongepeinigten, Pardon: Furie im Bett ist erfahrungsgemäß kaum Platz für heiße Liebe. Damit die nicht allmählich komplett abkühlt, kann eine Bettalternative helfen, den Liebeszauber zu bewahren. Das muss ja nicht so weit gehen, dass Sie sich Ihrem Lover immer nur geschminkt zeigen oder Ihrer Freundin verheimlichen, dass auch Sie mal zur Toilette gehen. Aber ein wenig schamhaftes Gebaren kann sich bezahlt machen als Libidoverstärker. Und wenn Sie, liebe Herren der Schöpfung, angesichts der hormonellen Gefühlsunwägbarkeiten Ihrer besseren Hälfte Toleranz an den Tag legen sollten, gilt dies bei Ihnen, verehrte Damen, in anderen Bereichen: Nach einer durchzechten Nacht ist es nicht nur für Sie eine Entlastung, wenn er seinen Rausch in Ruhe ausschlafen kann...
Viel zu weit weg: 3 Argumente gegen getrennte Betten
Bei allem Verständnis stoßen getrennte Betten oft auf Misstrauen. So ging es auch Julia Kathan: »Als ich vor Jahren von einer Freundin hörte, dass sie und ihr Mann in getrennten Betten schliefen, war mein erster Gedanke: Oh, hier hat sich wohl die Zweisamkeit verabschiedet.« Warum sonst sollte ein Pärchen getrennte Betten haben? Immerhin spricht ja einiges dagegen.
Argument 1: Gelegenheit macht Liebe – gibt's dann nicht mehr
Wie oft haben Sie geplanten Sex, also eine feste Verabredung zum Beischlaf? Es soll Pärchen geben, die Liebe nach Plan praktizieren, was manche Paartherapeuten sogar für geeignet halten, um das Sexleben aufzupeppen. Oft ergibt sich aber einfach was, weil man beieinander liegt und grad nichts Gutes im Fernsehen kommt. Im gemeinsamen Bett kann es nämlich zu spontanen zärtlichen Begegnungen kommen, etwa, weil man nach einem stressigen Arbeitstag einfach nur kuschelt, dann aber flugs die richtigen Stellen berührt und schon wird unverhofft mehr daraus. Dabei ist auch die Wirkung des Kuschelhormons Oxytocin nicht zu unterschätzen. Es durchflutet unseren Körper schon beim Streicheln und: Es macht Lust auf mehr. Der Appetit kommt eben doch oft erst beim Essen. Wo es keine regelmäßige gemeinsame Nachtruhe gibt, werden Sex-Snacks zwischendurch seltener. Getrennte Betten können also ziemlich effektive Gelegenheitssex-Verhüter sein.
Argument 2: Aus fürs Kuscheln, schlechte Karten für die Bindung
Stichwort Oxytocin: Das Hormon ist nicht für unsere Bespaßung gedacht, die Natur hat sich damit was ziemlich Cleveres einfallen lassen. Bei Zärtlichkeiten oder sexuellen Handlungen wird das Hormon ausgeschüttet, in Zusammenarbeit mit Dopamin sorgt es dafür, dass Beziehungen überhaupt zustande kommen und vor allem halten. Händchenhalten oder Umarmen – selbst einfache Formen des Körperkontakts erhöhen die Bindung zwischen Partnern. Da im Laufe des Alltags dafür wenig Platz bleibt, verlagert sich vieles ins gemeinsame Bett. Gibt es das so nicht mehr, sieht es schlecht aus für verschiedene Berührungsanlässe, die sich unter einer Decke ergeben. Getrennte Schlafzimmer bringen also zwangsläufig Abstand in die Beziehung – der zu überbrücken schwierig werden kann. Gerade für Frauen hat das noch eine weitere Komponente in Hinblick auf Sex, meint John Gottman. In Die Vermessung der Liebe erklärt der amerikanische Paartherapeut, dass Frauen für guten Sex emotionale Nähe brauchen – und die entsteht ihm zufolge oft durch Bettgeflüster: In der abgeschiedenen Atmosphäre des gemeinsamen Bettes kann manches zur Sprache kommen, wofür tagsüber nicht Gelegenheit war. Diese intime Nähe ist auch beste Basis für ein bisschen Dirty Talk, der sexuelle Gelüste anheizt. Wenn eine Wand zwischen den Betten steht, wird das komplizierter und kann die Sexfrequenz beeinträchtigen, die nicht zuletzt beeinflusst wird vom Grad der empfundenen Bindung.
Argument 3: Bedrohung für die Partnerschaft – Abstand erhöht das Fremdgehrisiko
Fassen wir doch mal zusammen: Getrennte Betten verhindern Gelegenheitssex und senken damit die Erotikfrequenz in einer Beziehung überhaupt, der Verzicht aufs Kuscheln beim Einschlafen bewirkt eine geringere Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das erwiesenermaßen die Bindung stärkt. Rechnen wir nun Sexfrust und Bindungsmangel zusammen, wo landen wir dann? Richtig: Vielleicht bei der Untreue. Denn je weniger sich die Partner zusammengehörig fühlen, je mehr Abstand sie auch körperlich entzweit, umso größer kann das Bedürfnis nach Sex werden – auch mit anderen. Wissenschaftler haben das sogar belegt: Eine amerikanische Studie zeigte, dass das sexuelle Verlangen des Mannes umso größer wird, je häufiger die Partner getrennt voneinander Zeit verbringen, einschließlich der Nacht. Der Mann produziert dann mehr Samenzellen und das Risiko für einen Seitensprung steigt, ergab die Studie. Dann kommt da noch die Sache mit dem Sexfrust hinzu: Für Männer ist dies verschiedenen Umfragen und Studien zufolge einer der Hauptgründe dafür, dass sie fremdgehen. Und wenn ein gemeinsames Bett nicht mehr günstige Gelegenheiten für Sex bietet, kann das eine Entfremdung zur Folge haben, an deren Ende ein Seitensprung steht.
Fazit: Auf zum Bett-Date!
Über die Art und Ausstattung Ihrer Betten können Sie sich im Fachgeschäft beraten lassen – wie genau Sie das in Ihrer Beziehung gestalten, müssen Sie selbst regeln. Argumente gibt es für beide Modelle, die Wissenschaft kann Ihnen auch nicht helfen, denn noch ist nicht geklärt, was rein theoretisch fürs Liebesleben besser ist. Untersuchungen zeigen aber, dass besonders Frauen schlechter schlafen, wenn jemand neben ihnen liegt. Eine Erklärung liefert mal wieder die gute alte Evolution: Frauen müssen auf ihren Nachwuchs achten und reagieren daher auf das kleinste Geräusch. Dieses Phänomen, »Ammenschlaf« genannt, kann sogar gesundheitliche Probleme nach sich ziehen, ganz zu schweigen von Sexunlust.
Getrenntes Schlafen dagegen fördert guten Sex, zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie der Universität Wien. Ausgerechnet das gemeinsame Bett soll kein prima Klima für Lust und Erotik schaffen, getrennte Schlafzimmer dagegen schon. Zusammen, getrennt, oder abwechselnd – ganz gleich, wie Sie es mit der gemeinsamen Bettstatt halten: Wichtig ist, dass Sie mit Ihrem Partner über Ihre Bedürfnisse offen sprechen, das kann Ihre Beziehung bereichern und für frischen Wind sorgen. So sieht es auch Liebes-Coach Julia Kathan: »Auf diese Weise kann man sich sogar im Zusammenleben neu verabreden: Heute schlafe ich lieber allein, Schatz, aber morgen komme ich zurück in unser gemeinsames Bett. Vielleicht komme ich aber auch noch heute Nacht zu dir… mal sehen. So ein Doppelbett-Date erhöht die erotische Spannung. Ansonsten stellt sich im Beziehungsalltag schnell eine Selbstverständlichkeit ein, nach dem Motto: Er oder sie ist ja sowieso immer da.« Wenn es im Bett langweilig wird, ist es fundamental, sich diese Freiheit zu lassen. Denn wenn die Möglichkeit zum gemeinsamen Einschlafen besteht, jedoch keine Nötigung dazu, können beide Partner immer wieder neu wählen.