Der Verstand sagt: gehen, das Herz meint: bleiben. Welche Ängste uns von einer Trennung abhalten und wie wir damit umgehen können, erfahren Sie hier.

Trennungsgedanken – wenn Herz und Verstand anders ticken

Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, dass sich Ihre Partnerschaft zum Besseren wendet, haben aber Angst vor einer Trennung? Dann befinden Sie sich in einer schwierigen Situation. Zeit, Ihre Lage sachlich zu betrachten – hier finden Sie Impulse dazu.

»Mir ist noch kein Paar begegnet, das sich leichtfertig trennte. Trennung ist immer schwer, aber sie stellt auch ein Stück Freiheit dar, das Partnern heute zur Verfügung steht und durch das ihnen auf der anderen Seite viel Leid erspart bleibt.«

Michael Mary »Mythos Liebe«

In diesem Artikel erfahren Sie dies:

Wenn Du denkst, es geht nicht mehr…

…dann ist die Trennung oft noch lange nicht in Sicht. Unzählige Paare sind unglücklich miteinander, ziehen aber keine Konsequenzen daraus. Zu viel spricht dagegen, dass man Schluss macht. Zu viel spricht dafür, dass es sinnvoll ist, an der Beziehung festzuhalten. Mit dem Ergebnis, dass die Unzufriedenheit steigt – bis einer ausbricht. Manchmal ist es ein Seitensprung, der die Partner aufrüttelt. Fremdgehen kann ein Versuch sein, den Absprung endlich zu schaffen. Der Kummer, den das verursacht, bringt zutage, wie schwierig es sein kann, eine Partnerschaft aufzugeben – selbst wenn Sexfrust und Lieblosigkeit vorherrschen.

»Bevor die rauschhafte Energie versiegte,
ängstigte man sich vor dem Verlust der geliebten Person.
Man dachte mit Schrecken daran, dass man vielleicht
eines Tages aufhören würde, zu lieben….
Nach Erreichen des Punktes aber, an dem es kippt,
beweint oder betrauert man lediglich noch den Verlust der Liebe allgemein, man bedauert, den Augenblick verpasst zu haben, als sie einen verließ – und denkt: Wie schade!«

Franz Josef Wetz »Lob der Untreue«

An der Beziehung festhalten – auch wenn die Liebe futsch ist?!

Eine kaputte Beziehung ist für viele Menschen kein Trennungsgrund. Im Gegenteil: Unglück scheint sogar ein wirkungsvoller Beziehungskitt zu sein. Besonders unglückliche Partnerschaften seien sehr stabil, erklärt Werner Bartens in Was Paare zusammenhält.

Unzufriedenheit kann zwei Menschen aneinander ketten, Hass sie sogar enger zusammenschweißen, als es Liebe vermag. Eine Erklärung dafür ist, dass wir negative Gefühle länger mit uns herumtragen, ungelöste Konflikte als Daueraufgabe abspeichern. Wir sind noch nicht »fertig« mit dem anderen, hoffen darauf, dass sich das Problem irgendwann von selbst löst.

Oft sind unglückliche Paare regelrecht ineinander verbissen. Ihre Aggressionen haben sich verfestigt, die Wut aufeinander, negative Gefühle und ständiger Frust bekommen eine Eigendynamik, die so stark verbindet, dass die Partner nicht voneinander loskommen.

Die häufigsten Ängste vor einer Trennung

A wie Alleinsein: Angst davor, keinen anderen Partner zu finden

Da hat man jemanden gefunden, sich gemeinsam etwas aufgebaut, man hatte so viele Hoffnungen und Wünsche. Und dann soll das nicht funktionieren? Womöglich bekommt man das mit einem anderen Partner auch nicht hin, vielleicht bleibt man bis zum Ende seiner Tage einsam und allein? Viele Menschen scheuen sich vor der endgültigen Beendigung ihrer Beziehung, weil sie befürchten, keinen anderen Partner zu finden. Nach dem Motto »besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach« verharren viele Menschen in einer unglücklichen Partnerschaft – weil sie befürchten, sonst ganz alleine dazustehen.

Jeder Vierte in einer Langzeitbeziehung würde seinen Partner verlassen, wenn der echte Traumpartner um ihn/sie werben würde.

G wie Geld: Angst vor finanzieller Unsicherheit

Wer in einer komatösen Beziehung lebt, ohne Gemeinsamkeiten, Freude, geschweige denn Sex, der hat womöglich existenzielle Motive, daran festzuhalten. Nach einigen Jahren hat man sich einen Status erarbeitet, Vermögenswerte angeschafft, Haus, Autos und anderes angehäuft. Dann fehlt womöglich eine genaue Auflistung, wem was gehört, ein Ehevertrag existiert meist nicht. Wie das alles auseinander dröseln? Nicht nur Frauen, die für die Kindererziehung im Job kürzer getreten sind, befürchten neben einem sozialen Abstieg nach einer Trennung finanzielle Unsicherheit. Wie geht es weiter, wie stemmt man alleine die Alltagskosten, kann man den Lebensstandard halten oder rutscht man womöglich ab? Die Angst davor, durch eine Trennung in finanzielle Not zu geraten, ist für viele unglücklich liierte Menschen ein wesentliches Argument, nicht zu gehen.

R wie Reue: Angst, die Trennung zu bereuen

Manche Entscheidungen reifen lange, eine Trennung kommt selten aus heiterem Himmel. Meist ist sie das Ende eines Prozesses. Und bevor es zum endgültigen Aus kommt, kommt manchmal das große Zweifeln: Was, wenn es die falsche Entscheidung, wenn die Trennung eine Kurzschlusshandlung ist? Wenn man sie bereut, aber es nach dem Aus keinen Weg mehr zurück gibt? Was, wenn nichts Besseres nachkommt und man sich unglaublich sehnt nach dem Ex, der womöglich ganz gut mit der Trennung zurechtkommt? Wer solche Gefühle antizipiert, überlegt doppelt und dreifach, ob er sich wirklich trennt.

S wie Schuldgefühle: Angst vor dem schlechten Gewissen

Wer Schluss macht, macht oft die Erfahrung, dass ihm manche Beobachter unterstellen, mit der Partnerschaft schon abgeschlossen und damit weniger Kummer zu haben. Das mag so sein, manchmal hat es anfangs derjenige leichter, der gegangen ist – schließlich konnte er sich darauf in gewisser Weise vorbereiten. Allerdings muss er auch mit dem eigenen Gewissen rechnen. Dem Menschen, mit dem einen so viel verbunden hat, derart wehzutun, sein Leiden billigend in Kauf zu nehmen, fällt vielen schwer. Kommt dann noch hinzu, dass Freunde und Familie mehr Verständnis für den verlassenen Partner haben, könnte das aufs Gewissen schlagen: Man fühlt sich schlecht, hat Schuldgefühle. Viele Menschen kalkulieren das vor einer Trennung ein – sie stellen sich allzu bildlich vor, wie das Umfeld reagieren könnte. Die Vorstellung, dass der Partner (den man ja irgendwann einmal geliebt hat) einen hasst, und Freunde oder Familie nicht gutheißen, was man macht, kann die Angst vor der Trennung schüren.

Z wie Zukunftssorgen: Angst vor einem ungewissen Leben

Noch mal ganz neu anfangen, sich anders aufstellen, raus aus dem Frusttrott: Wer träumt nicht ab und an davon? Manche Menschen hält aber die Angst vor einem Neuanfang davon ab, den Absprung aus der Partnerschaft zu riskieren. Denn ein Beziehungsaus bedeutet, dass Vertrautes verschwindet. Von liebgewonnenen Gewohnheiten wie dem sonntäglichen Tatort über gemeinsame Urlaubsreisen bis zur traditionellen Silvesterparty mit Freunden – nach einer Trennung ist das so nicht mehr möglich. Dann hat sich das mitunter schnell mit dem Wunsch nach Veränderung. Denn ob wir es mögen oder nicht: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und hält erstaunlich lange selbst an den nervigsten Ritualen fest. Denn die geben uns Sicherheit, schaffen ein Gerüst, an dem wir uns im Alltag entlang hangeln können. Die Angst, dieses Netz zu verlieren, verhindert nicht selten eine Trennung. Ungewissheit kann unerträglich sein, da arrangiert man sich lieber mit dem bekannten Unglück.

6 toxische Gedanken, die Sie von einer Trennung abhalten – und wie Sie Ihre Sichtweise ändern

[1] »Was werden unsere Freunde bloß von uns denken?«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Was denken Ihre Freunde denn jetzt von Ihnen? Dass Sie eines der Paare sind, deren Beziehung auf Messers Schneide steht? Die harmonisch tun, aber sich offensichtlich das Leben zur Hölle machen? Überlegen Sie mal, ob Ihr Ansehen durch eine faire Trennung tatsächlich leiden würde.

[2] »Ich will, dass meine Kinder in einer intakten Familie aufwachsen.«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Was verstehen Sie unter einer intakten Familie? Dass Sie Glück vor- oder die Zerrüttung überspielen? Ihre Kinder bekommen sicher mehr von Ihrem Beziehungsfrust mit, als Ihnen lieb ist. Und leiden darunter, dass sie merken, wie schlecht es Ihnen als Paar geht, fühlen sich womöglich schuldig, weil sie spüren, dass Sie nur »wegen der Kinder« zusammenbleiben. Bloß weil Sie irgendwann getrennte Wege gehen, muss das noch lange nicht heißen, dass ihre Kinder in unsicheren Verhältnissen aufwachsen. Oder wollen Sie irgendwann mal aus dem Mund Ihres Nachwuchses hören »Hättet Ihr Euch bloß mal früher getrennt«?

[3] »Eine Trennung kann ich meinen Eltern nicht antun, das würde Ihnen das Herz brechen.«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Klar, Ihre Eltern – die Moralinstanz schlechthin. Denen wollen Sie die Schmach nicht antun, zu den vielen gescheiterten Paaren zu gehören. Aber geht es nicht um Ihr Liebesglück? Meinen Sie wirklich, Ihre Eltern wollen, dass Sie unglücklich sind? Und an einer Beziehung festhalten, die Sie belastet – nur ihnen zuliebe?

[4] »Das kann ich meinem Partner nicht antun!«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Was genau können Sie Ihrem Partner nicht antun? Dass Sie ihn alleine lassen, ihn enttäuschen? Sie sind zu zweit, jeder trägt seinen Teil zum Ge- oder Misslingen der Partnerschaft bei. Wenn Sie die Trennung einleiten, übernehmen Sie zwar den aktiven Part, die Verantwortung tragen aber Sie beide. Und mal anders gefragt: Was tun Sie Ihrem Partner an, wenn Sie in der für beide unbefriedigenden Beziehung verharren?

[5] »So eine Trennung schaffe ich nicht, finanziell kann ich sie mir gar nicht leisten – es wäre eine Katastrophe.«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Ist es das wirklich, eine wirtschaftliche Katastrophe? Haben Sie tatsächlich bedacht, was finanziell auf Sie zukommt, was die Trennung Sie unterm Strich kostet? Vermutlich haben Sie solche praktischen Überlegungen hintenan gestellt. Und deswegen verursachen diese solche Ängste. Rechnen Sie mal ganz sachlich durch, welche Konsequenzen die Trennung finanziell hätte.

[6] »Andere Paare sind auch unglücklich, und bleiben trotzdem zusammen.«

Ändern Sie Ihre Sichtweise: Aha. Weil andere Paare unglücklich sind, müssen Sie es auch sein? Gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, das besagt, dass man in einer Beziehung durchhalten muss, sei sie auch noch so unglücklich? Finden Sie es wirklich erstrebenswert, als Paar zusammen zu sein, auch wenn man sich nicht mehr leiden kann? Bloß weil andere sich trotz ihrer Probleme nicht trennen, müssen Sie das nicht tun. Vielleicht würden andere das ja auch gerne, trauen sich nur ebenfalls nicht?

»Das Ende einer Beziehung ähnelt einem Todesfall.
Selbst wenn es etwas zu feiern gibt – wenn Sie
beispielsweise endlich einen Partner los sind,
der respektlos und beleidigend war oder Ihr
Selbstvertrauen untergrub –, gibt es dennoch
verlorene Träume und zerschlagene Hoffnungen.
Diese müssen anerkannt und betrauert werden.«

Andrew G. Marshall »Kann ich dir jemals wieder vertrauen?«

Endlich raus da: So überwinden Sie Trennungsängste – 4 Tipps

Tipp 1: Setzen Sie sich nicht unter Druck

Je höher der Anspruch an Sie selbst ist, endlich reinen Tisch zu machen, umso größer können die Ängste vor einem Absprung werden. Lassen Sie sich Zeit mit einer Entscheidung, trauen Sie sich, die Dinge eine Zeit lang auch mal so stehen zu lassen, wie sie sind.

Tipp 2: Ziehen Sie Bilanz in Ihrer Beziehung

Halten Sie sich Ihre Beziehungsbiografie vor Augen: Wie entwickelte sich Ihre Liebe, was war schön, was war nicht schön? Was verbindet Sie, was trennt Sie? Wo bekam Ihre Liebe einen Knacks, was hat sich ereignet? Oft lassen sich mit einer solchen Analyse Ängste überwinden.

Tipp 3: Holen Sie sich Unterstützung

Paarberater oder Mediatoren können Ihnen beistehen, wenn Sie spüren, dass eine Trennung unumgänglich ist. Ein Gespräch mit einem neutralen Dritten kann vielleicht die Dramatik aus der Situation nehmen. Auch ein Informationsbesuch beim Rechtsanwalt kann helfen: Für manchen ist es wichtig, klarzusehen, was die finanzielle Lage anbetrifft.

Tipp 4: Versuchen Sie, sich im Guten zu trennen

Nach der einen Beziehung ist oft vor der nächsten, denken Sie daran. Je besser die Trennung vonstattengeht, je glimpflicher Sie und Ihr Partner davonkommen, umso freier sind Sie für neue Begegnungen. Denn die Jahre, die Sie mit diesem Menschen verbracht haben, prägen sich ein, sie beeinflussen Ihr weiteres Liebesleben und sind Teil Ihrer Geschichte. Wenn Sie verhindern wollen, dass Reue, Schuldgefühle und Wut Ihnen das Leben vergiften, dann schließen Sie Frieden mit der Ex-Beziehung – am besten, bevor Sie abspringen.

»Herzschmerz wird gelindert,
wenn man bereit ist loszulassen.
Wenn du eisern an einem Teil deines Lebens festhälst,
der nicht mehr funktioniert, der dir deine Energien raubt,
dich sehr unglücklich macht, dein Selbstwertgefühl annagt
oder vollständig zersetzt, kann kein Raum für Heilung entstehen.«

Julia Kathan »Alles für ein bisschen Liebe?«

Fazit: Mut zur Entscheidung

Eine Trennung ist keine einfache Angelegenheit. Dennoch sollten Sie sich vor einer Entscheidung nicht drücken. Schieben Sie diese vor sich her, verspielen Sie die Chance, mit einem anderen Menschen glücklich zu werden. Eine Entscheidung ist gut, wenn sie sich gut anfühlt. Das tut sie dann, wenn Sie sich ehrlich den eigenen Gefühlen gestellt haben. Wann dieser Punkt erreicht ist, kann Ihnen niemand sagen. Was für und was gegen eine Trennung spricht, können nur Sie beurteilen.

Pro- und Kontra-Listen funktionieren beim Kauf eines TV-Gerätes, aber nicht bei emotionalen Entscheidungen. Fakten zu sammeln, dient eigentlich in erster Linie einem Zweck: Fakten sollen uns eine sachliche Basis für eine im Kern unsachliche Entscheidung bieten. Das ist aber utopisch. Es kann zwar beruhigen, hieb- und stichfeste Argumente gegen diese Beziehung zu haben. Am Ende aber könnte es auch dazu führen, dass Sie in einem ewigen Abwägen hängenbleiben und durch die vielen Zweifel in einer Endlosgrübelschleife landen.

Wenn bei Ihnen Kopf und Bauch eine unterschiedliche Sprache sprechen, sollten Sie alles abwägen – Gefühle, Umstände und mögliche Folgen. Aber möglichst angstfrei. Denn denken Sie daran: Sie allein tragen die Verantwortung für Ihr Liebesglück.



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