Micro-Cheating: Die Vorstufe zum Fremdgehen
Er folgt auf Instagram attraktiven Frauen, aus Jux hat sie sich bei Tinder angemeldet – was früher vielleicht noch als Flirten durchgegangen wäre, ist heute unter dem neudeutschen Begriff Micro-Cheating verpönt: Das virtuelle Rummachen mit anderen.
Englisch »Micro« heißt Mini, »Cheating« bedeutet übersetzt Betrügerei. Zusammengesetzt steht das Wort für etwas, das viele auf die Palme bringt. Wenn der Partner ungeniert mit anderen über Social-Media-Kanäle oder das Internet Kontakte einfädelt, die wer-weiß-wohin führen könnten. Micro-Cheater gehen nicht richtig fremd, sie sind nur ein bisschen untreu. Wobei die Grenzen schlecht auszumachen sind.
Sexy Fotos snappen: für viele schon ein Seitensprung
Früher war Fremdgehen viel klarer definiert. Flirten, küssen, Sex haben – das waren die eindeutigen Eskaltionsstufen der Untreue. Als Seitensprung wurde ein Techtelmechtel dann bezeichnet, wenn wirklich etwas vorgefallen war. Intimer Körperkontakt oder Sex etwa.
Beim Micro-Cheating verhält es sich da etwas anders. Denn die üblichen Anzeichen für Fremdgehen bleiben zunächst im Verborgenen. Für den Micro-Cheater ist es recht einfach, einen heißen digitalen Auftaktflirt geheimzuhalten. Zudem sinkt bei dieser Art der Kontaktaufnahme die Hemmschwelle für Flirtaktivitäten, die zunächst keine Folgen haben müssen. Dann lässt sich dem Partner gegenüber ein anzüglicher Chat eher rechtfertigen, als wenn man in flagranti erwischt wurde. Und überhaupt ist die Versuchung viel größer, sich unterwegs per Smartphone oder zwischendurch bei der Arbeit einen kleinen erotischen Schlagabtausch mit einer interessanten Person zu gönnen. Umso brisanter ist das vor dem Hintergrund, dass 85 Prozent der Frauen und 74 Prozent der Männer laut einer Umfrage der Huffington Post allein schon das Versenden von freizügigen Fotos oder anzüglichen Texten für eine Form von Seitensprung halten.
Mini-Betrug mit Maxi-Folgen
Ja, es hat sich eingebürgert, dass wir Social-Media auch im Beziehungsleben einsetzen. Und ja, neben Partner- und Sexkontaktbörsen eignen sich die Social-Media-Kanäle bestens dafür, draufloszuflirten. Und ja: Es ist doch kein Sex, es sind nur kleine harmlose Nachrichten, vielleicht mit lustigen Bildchen garniert, nicht weiter bedeutsam. Für den Absender mag das so sein. Der oder die Empfängerin allerdings und der Partner könnten das etwas anders sehen.
Es tut weh, wenn die Freundin ihrem Ex noch öfters Selfies schickt, der Partner heiße Chats mit einer Bekannten austauscht und auf Facebook die Posts alter Schulkameradinnen liked, auf die er früher stand und es vielleicht noch immer tut. Es verletzt mitzubekommen, dass der eigene Partner auf andere abfährt – Eifersucht ist da fast vorprogrammiert. Auch wenn zunächst kein Sex im Spiel ist, legt Micro-Cheating doch den Verdacht nahe, dass der Partner sich so alle Türchen offen und hinter dem Rücken des anderen Ausschau nach attraktiven Alternativen hält.
Micro-Cheating fällt zunächst einmal in die Kategorie Fremdflirten. Und in gewissem Rahmen ist das ja durchaus legitim. Viele Menschen testen per Fremdflirt ihren Marktwert, wie eine Umfrage aufdeckte: Der zufolge flirten 76 Prozent der gebundenen Deutschen gelegentlich fremd, um den eigenen Marktwert zu checken. Das Erstaunliche und dabei zugleich Bedrohliche für jede Partnerschaft:
Sollte beim Fremdflirt der absolute Traumpartner dabei sein, würde jeder dritte Mann und jede vierte Frau in Langzeitbeziehungen den Partner verlassen.
Und dies ist unabhängig davon, ob es zuvor eine Beziehungskrise gab oder nicht.Monogamie 2.0 – Treue in Zeiten neuer Technologien
Wie schwerwiegend Micro-Cheating einzustufen ist, hängt zunächst einmal mit der Beziehung zusammen. Hier verhält es sich wie bei herkömmlichen Seitensprüngen: Die Frage ist, warum es passiert und welche Folgen es für die eigentliche Partnerschaft hat.
- Ist der virtuelle Flirt mit einem Freund oder einer Kollegin harmlos oder fängt hier schleichend etwas Ernstes an?
- Wo liegen die Toleranzgrenzen des Partners und was hat ausgiebiges Whatsappen mit jemand Drittem zu bedeuten?
Tatsache ist: In Zeiten von Whatsapp, Tinder und Co. steht unser Verständnis von Treue und Fremdgehen auf dem Prüfstand. Verlässliche Kriterien für untreues Verhalten verlieren ihre Berechtigung, die Grenzen zwischen lockerem Rummachen und ernsthaftem Kennenlernen können verschwimmen. Für manche ist Micro-Cheating auch eine bequeme Art, einen Ausweg aus einer unglücklichen Beziehung zu finden. Kann man mit einem Chatpartner auf diese Weise anbändeln, lässt sich schon mal abchecken, wie viel Potenzial so ein Verhältnis haben könnte, bevor man dafür die eingefahrene Beziehung aufgibt.
Zudem ist Micro-Cheating auch ausbaufähig: Wenn ein Partner mit Sexting anfängt, also erotische Bilder von sich an andere versendet ist die Grenze zur Untreue für viele bereits überschritten. Übrigens sind wir alle nicht sicher vor den Verführungen von Internet und Co.: Denn diese modernen Kommunikationsmittel gaukeln uns vor, dass es irgendwo vielleicht noch einen besseren Partner für uns gibt. Die Versuchung ist groß, genau das über Micro-Cheating herauszufinden.
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