»Dieser Druck ist tausendmal schlimmer als das schlechte Gewissen beim Fremdgehen«
Untreue muss keine Beziehung zerstören. Wenn der betrogene Partner bereit ist, den Seitensprung zu verzeihen und man ihn gemeinsam aufarbeitet, steht einem Neuanfang eigentlich nichts mehr im Weg. Eigentlich. Für Britta (Name von der Redaktion geändert) ist »danach« nichts gut, gerade weil ihr Mann den Seitensprung verziehen hat.
Ich bin Mitte Dreißig, seit 10 Jahren verheiratet und habe meinen Mann betrogen. Er hat die Affäre rausgefunden, war stinksauer und am Boden zerstört, aber er hat mir verziehen. Genau das ist mein Problem jetzt. Ich weiß schon, wie komisch sich das anhört. Viele Frauen in meiner Situation wären doch glücklich, wenn der Partner den Seitensprung verzeiht. Die tun alles, um ihn zurückzugewinnen, entschuldigen sich und fühlen sich schrecklich, weil sie bereuen, dass sie fremdgegangen sind. Ich bereue es ja auch, es tut mir leid, dass ich meinem Mann so wehgetan habe. Und klar weiß ich, dass es falsch ist, was ich gemacht habe.
Meine Kindheit hat mich geprägt
Aber vielleicht muss ich ein bisschen mehr erzählen, damit man mich versteht. Also, mein Mann und ich sind schon lange zusammen. Wir kennen uns aus der Schule, es war so eine richtige Jugendliebe, wie man sich die vorstellt. Ich habe ihn angehimmelt, bin ihm nachgelaufen, dann waren wir irgendwann fest zusammen. Na ja, für mich war das sehr fest, für ihn erst locker. Er war halt ein richtiger Kerl mit seinen 16 Jahren, hat mich auf Abstand gehalten, seine Kumpels waren immer wichtiger als ich. Aber so kannte ich das von meinen Freundinnen. Und außerdem war ich auch gewöhnt, dass Männer unzuverlässig sind, das kam mir normal und aufregend vor.
Ich bin nämlich in etwas schrägen Verhältnissen aufgewachsen. Meine Mutter wurde mit 18 schwanger, hat meinen Vater dann heiraten müssen. Nach einem Jahr hat er uns verlassen und meine Mutter ist nie darüber hinweg gekommen. Sie war halt noch total jung, ich war für sie wie ein Klotz am Bein. Dabei hat sie es wild getrieben, bei uns gingen die Männer ein und aus. Sie hatte immer zwei oder drei Sachen gleichzeitig laufen, manchmal gab es dann Stress, wenn einer der Typen herausgefunden hat, dass sie auch mit einem anderen schläft. Aber meine Mutter fand gut, dass so viele sie wollen, und hat mir gesagt, ich darf mich niemals nur an einen verschwenden. Eine richtige Familie waren wir also nie, mehr so eine Frauen-WG mit wechselndem Männerbesuch. Das soll keine Ausrede sein, aber es hat mich schon geprägt.
Als ich meinen Freund hatte, wollte ich alles richtig machen
Also hab ich bei meinem Freund geklammert, was das Zeug hält. Ihm gegenüber hab ich mich kleingemacht, war Marke Weibchen und er der Boss. Ich fand mich auch hässlich und war froh, dass ich einen abgekriegt habe. Das wurde dann anders, als ich meine Ausbildung gemacht habe. Mein Mann und ich waren schon drei Jahre zusammen, da hab ich gemerkt, dass ich so schlecht bei anderen gar nicht ankomme. Mir hat das gut getan und ich bin auf die Anmachversuche oft eingegangen. Betrug war das für mich nicht, mein Freund hat mich ja so gesehen auch immer betrogen, mit seinen Kumpels und später dann mit seiner Arbeit.
Mit 20 Jahren war ich ziemlich wild drauf, hatte immer nebenher was laufen. Meist nur Flirts, ein-, zweimal bin ich aber auch mit einem Typen ins Bett gegangen, weil ich gerade Lust darauf hatte. Ich fand das nicht schlimm, ich war mit meinem Mann (der damals ja nur mein Freund war) glücklich auf so eine spießige Art. Obwohl er ganz schön egoistisch war, war er doch der Typ Mann, der einmal einloggt und dann dabei bleibt. Von meinen Ausbrechern hat er nichts gewusst. Ein schlechtes Gewissen hatte ich damals nicht wirklich, weil mein Mann so ein Macho war. Das war mir fast ganz recht, weil ich das als Entschuldigung für meine Techtelmechtel genommen habe. Und männlich kam mir das auch vor.
Als ich nicht mehr um ihn kämpfen musste, wurde er uninteressant
Dann bin ich schwanger geworden und er hat gesagt, dass wir jetzt heiraten. Ich fand das gut und richtig, also waren wir mit 25 Jahren verheiratet und Mutter-Vater-Kind. Mein Mann hat sich ins Zeug gelegt, einen Job gesucht, wo er gut Geld verdient, und für uns eine schöne Wohnung. Mir hat er gesagt, dass er jetzt für uns sorgt, das hat er dann auch gemacht. Ich fand das schön. Endlich eine Familie, die richtig funktioniert.
Aber als alles irgendwie gut war, ich nicht mehr um meinen Mann kämpfen musste, wurde er uninteressant für mich. Das Familienleben fand ich auch zu eng. Manchmal kam es mir vor, als würde ich eine Rolle in einem Film spielen und strenge mich total an, alles richtig zu machen, obwohl ich eigentlich gar nicht schauspielen kann. Mein Mann hat immer mehr gearbeitet, enorm zugenommen und sich gehenlassen. Als Liebhaber war er für mich gar nicht mehr attraktiv, als Familienoberhaupt nervig. Aber trotzdem wollte ich das eigentlich so haben. Aber eben auch was anderes.
Ich dachte: Geschieht dir recht, dass ich dich betrüge
Ich hatte einen alten Bekannten, mit dem früher schon was gelaufen ist. Den habe ich in der Zeit wiedergetroffen und wir haben was angefangen. Ein paar Jahre lang haben wir uns heimlich getroffen, wenn wir es einfädeln konnten. Er war das Gegenstück zu meinem Mann und meinem Leben. Er ist Musiker, kommt viel rum, lässt nichts anbrennen, aber zwischen uns war immer eine besondere Anziehung. Das war sehr aufregend. Dann hat er eine andere kennengelernt, und die wurde schwanger von ihm, also hat er sie geheiratet. Ich war so eifersüchtig und hab ihm Szenen deswegen gemacht. Jetzt kommt mir das krass vor, ich hab ja selbst meinen Mann ewig mit ihm betrogen, und dann mache ich einen Aufstand, weil mein Lover auch was Festes hat. Er wollte, dass es so weiterläuft mit heimlichen Sextreffen, und dann wieder ab nach Hause ins warme Bettchen. Ich hab echt gelitten, meine Ehe war mir egal, mein Mann hatte keine Ahnung, was da abging. Klar, hatte ich manchmal Gewissensbisse, aber nicht schlimm. Mein Mann war ja zum totalen Langweiler geworden, der schlief nach der Arbeit vorm Fernseher ein und hatte 30 Kilo Übergewicht. Hat ihn nicht weiter gestört, ich fand's abstoßend. Das hab ich ihm auch gesagt, dann gab es immer Streit und ich hab gedacht: Geschieht dir recht, dass ich dich betrüge.
So war ich damals drauf, jetzt schäme ich mich dafür
Immer wenn mein Mann blöd zu mir war, war das wie eine Erlaubnis für mich, mit meinem Lover Sex zu haben. Weil mein Mann ja gar nichts getan hat, um mir zu gefallen. Der hat sein Ding durchgezogen, ich war wie ein Möbelstück für ihn: gehört ins Wohnzimmer, steht da fest, muss man nichts machen.
Die Sache mit meinem Liebhaber hat mich eine Zeit fertiggemacht, aber als sein Kind geboren wurde, war es für mich endgültig vorbei, da hat bei mir vielleicht doch die Moralglocke geklingelt.
Dann habe ich wieder angefangen Teilzeit zu arbeiten, und dort hab ich Mirco kennengelernt. Das war anders, weil ich erst gar nicht gemerkt habe, dass ich mich verliebe. Wir haben viel geredet, gelacht, das war so leicht. Dann haben wir immer öfter die gleichen Schichten gemacht und sind nach dem Arbeiten versackt. Mit meinem Mann gab es immer mehr Stress. Ich war öfter auf Arbeit, er musste sich ums Kind kümmern und den Haushalt. Wir haben uns wegen allem gezofft, er hat sogar mal gesagt, er schmeißt mich raus, wenn es so weitergeht, und ich hab auch öfter an Trennung gedacht. Auch, weil ich mich richtig in Mirco verliebt hatte. Das ging drei Monate so weiter, ich kam manchmal erst nachts nach Hause. Mein Mann wusste ja nie, wann meine Schichten sind, er hat sich gar nicht für meinen Job interessiert, also konnte ich ihm sonstwas erzählen.
Dann kam der Abend, an dem er mich erwischt hat
Ich bin dann immer dreister geworden, hab mein Handy offen rumliegen lassen und mich vorm Arbeiten extra schick gemacht. Da fing das an, dass mein Mann misstrauisch wurde. Der hat mich immer so von der Seite angesehen und komische Fragen gestellt, ist einmal sogar bei der Arbeit aufgetaucht. An einem Abend hat er mich dann dabei belauscht, wie ich mit Mirco telefoniere, und zwar ziemlich eindeutig. Mir war klar, dass es keinen Sinn hat zu lügen, ich hab alles gestanden und dann war das Drama da. Mein Mann ist ausgeflippt und erstmal abgehauen. Und ich, ich war erleichtert, dass es endlich raus ist. Ein paar Stunden lang wusste ich nicht, ob jetzt alles aus ist.
Als er dann wiederkam, war er voll ruhig und hat gesagt, das ist das Schlimmste, was ich ihm antun konnte, aber er liebt mich und möchte mit mir zusammenbleiben. In dem Moment war ich wie blockiert und hab gar nichts gefühlt. Jetzt glaube ich, ich habe es darauf angelegt, dass die Affäre auffliegt. Wir haben dann die ganze Nacht geredet, er wollte, dass ich ihm alles erzähle und meinen Job kündige, und mir genau überlege, was ich will, und ab jetzt total ehrlich zu ihm sein muss. In dem Augenblick stand ich unter Schock und dachte nur: Gut, dass er mir verzeiht.
Was ich wirklich fühle, hab ich gar nicht gemerkt. Ich hab mich schuldig gefühlt, und wollte jetzt alles richtig machen. Also hab ich mich entschuldigt, ihn getröstet, gesagt, dass ich ihn liebe und unsere Familie nicht kaputt machen will.
Die nächsten Tage waren der Horror, ich hab wie eine Maschine funktioniert, musste meinen Job kündigen, Mirco sagen, dass nichts mehr läuft zwischen uns. Das tat mir auch leid, weil ich zu dem Zeitpunkt noch dachte, ich wär so richtig verliebt. Ich war wie ein Zombie, nicht mehr ich selbst. Und die ganze Zeit hab ich gar nicht nachdenken können, was ich eigentlich wirklich will.
Er hat mir verziehen und mir geht es jetzt richtig schlecht
Mein Mann hat dann eine totale Veränderung durchgemacht. Er hat gesagt, dass er weiß, dass er auch Scheiß gebaut hat, mich schlecht behandelt hat. Und dass er nicht mehr auf sein Aussehen geachtet hat und nur noch für die Arbeit gelebt hat, hat er auch zugegeben. Dann hat er mir versprochen, dass jetzt alles anders wird.
Das wurde es auch, da bin ich immer noch sprachlos. Er hat total viel abgenommen, arbeitet weniger und ist der liebste Mann, den man sich vorstellen kann. Alles, was ich an ihm kritisiert habe, hat er geändert. Er zeigt mir, wie sehr er mich liebt, sogar der Sex macht wieder Spaß. Und neulich hat er mir gesagt, dass er mir verziehen hat und froh ist, dass jetzt alles gut ist.
Und mir geht es schlecht, jetzt so richtig. Weil ich weiß, welche Opfer mein Mann dafür bringt, unsere Beziehung zu retten, und was für eine Leistung es ist, mir zu verzeihen. Aber meine Gefühle sind wie in Beton, ich liebe meinen Mann schon irgendwie. Aber wohl nicht so, wie ich sollte. Als ich ihn betrogen habe, hatte ich zwischendurch manchmal schon ein schlechtes Gewissen. Aber dann konnte ich mir immer sagen, dass er mich ja auch nicht gut behandelt. Das hat meine Schuld kleiner gemacht für mich.
Manchmal glaube ich, ich kann nicht nur einen lieben, das ist mir zu wenig
Aber jetzt kommen die ganzen üblen Gefühle hoch. Je lieber mein Mann zu mir ist, umso grässlicher fühle ich mich, weil ich ihn betrogen habe. Und mit Mirco ja nicht das erste Mal, das weiß mein Mann nur nicht. Wenn er das wüsste, denke ich, würde er mich zur Hölle schicken. Überhaupt, wenn er eine Ahnung hätte, wie es in mir drinnen aussieht, würde er mich sicher hassen. Weil ein Teil von mir sich wie im Gefängnis fühlt. Ich muss jetzt treu sein, weil ich keine Rechtfertigung mehr habe dafür, dass ich fremdgehe, weil mein Mann ja alles dafür tut, so zu sein, dass ich keinen Grund mehr habe, untreu zu werden. Dieser Druck ist tausendmal schlimmer als das schlechte Gewissen, das ich beim Fremdgehen hatte. Oft denke ich, dass ich das nicht mehr lange ertrage. Andere Frauen denken jetzt sicher, ich spinne. Die wären glücklich, wenn sie so einen Mann hätten.
Aber das Problem ist, dass mein Mann eigentlich gar nichts mit meiner Untreue zu tun hat, das wird mir erst jetzt klar. Das ist vielleicht ein Teil von mir. Deswegen tut er mir oft fast leid, er macht alles richtig und gut, aber meine Gefühle kann er nicht ändern. Das bin ich oder irgendetwas in mir drin. Das ist so schwer zu erklären, wie soll mein Mann das verstehen, wo für ihn Treue so wichtig ist?
Manchmal glaube ich, ich kann nicht nur einen Mann lieben, das ist mir zu wenig. Es gehört vielleicht zu meiner Person, dass ich untreu bin. Die Liebe von meinem Mann erstickt mich manchmal auch, weil sie mich so unter Druck setzt.
Ich bin die Schuldige, er das Opfer. Wenn ich jetzt noch irgendwas falsch mache, dann bin ich geliefert. Den Gedanken ertrage ich nicht, fühle mich manchmal wie ein Tier in der Falle. Wenn ich nachts nicht schlafen kann und grübele, dann überlege ich oft, dass ich meinem Mann einfach beichte, dass ich ihn schon öfter betrogen habe. Vielleicht lässt er mich dann frei? Und nimmt mir die Entscheidung ab? So komische Sachen gehen mir durch den Kopf. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. So oder so: Irgendwas fehlt mir doch immer.
Liebe Britta, wir danken Ihnen herzlich für diesen Erfahrungsbericht!