»Ich hasse meinen Mann nicht dafür, dass er mich betrogen hat«
»Wer war mein Mann eigentlich?« Diese Frage musste sich Vera* nach dem Ende ihrer Ehe stellen. Jahrelang hatte ihr Mann sie betrogen. Durch eine SMS erfuhr die heute 46-Jährige davon. Für sie brach eine Welt zusammen, zur endgültigen Trennung kam es erst sechs Jahre später. Die Nachwirkungen bekommt Vera, Mutter von zwei Kindern, noch heute zu spüren. Sie erzählt ihre Geschichte, weil sie betroffenen Frauen Mut machen möchte.
Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen
Meine Ehe ist mittlerweile schon länger beendet. Aber auch, wenn ich heute mein Gleichgewicht wiedergefunden habe, ist nicht alles vergessen und vorbei. Man kann nicht einfach so alles hinter sich lassen, einen Strich darunter ziehen. Vor allem, weil die Jahre mit meinem Mann vor dem Ehebruch gute Jahre waren.
Wir hatten uns zusammen eine Existenz aufgebaut, hatten ein schönes Haus, zwei süße Kinder, eigentlich alles zum Glücklichsein.
Diese Jahre möchte ich nicht missen, ich hasse meinen Mann auch nicht dafür, dass er mich betrogen hat. Ihm fehlte etwas, was ich nicht bemerkte und ihm nicht geben konnte. Im Nachhinein denke ich, vieles hat sich verändert, als wir eine Familie wurden. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, aber anscheinend hatte jeder einen anderen Preis dafür im Hinterkopf: Mir war klar, dass sich dann vieles nur noch um die Kinder drehen würde. Mein Mann hat das erst nach und nach begriffen. Und offenbar hat er darunter gelitten, dass Zeit für unsere Paarbeziehung gefehlt hat, das habe ich irgendwann verstanden.
Aber die Art, wie er mich betrogen hat und wie seine Affäre aufgeflogen ist, war ein großer Schock für mich, und diese Verletzung ist tief. Auch weil die Menschen aus meinem Umfeld erst danach angefangen haben, mir zu erzählen, was sie über unsere Beziehung wussten und was sie gesehen haben. Keiner wollte sich einmischen, aber niemand hatte ein Problem damit, mich ins offene Messer laufen zu lassen. Das tut schon sehr weh.
Der Tag, an dem der Betrug aufflog
Mein Mann war immer viel geschäftlich unterwegs. Ich hatte einen Teilzeitjob und kümmerte mich gerne um die Kinder und unser Zuhause. Ich wollte, dass wir eine richtige Familie sind, habe meinen Mann aber nie eingeschränkt. Unsere Kinder waren damals 5 und 7 Jahre alt, ich war 38 Jahre, wir waren seit 7 Jahren verheiratet.
Auch an dem Tag, an dem meine heile Welt zusammenbrach, war mein Mann beruflich verreist, am Abend sollte er wiederkommen, ich wollte ihn vom Bahnhof abholen. Nachmittags bereitete ich das Essen für später vor, damit mein Mann und ich den Abend entspannt ausklingen lassen konnten. Dabei hatte ich meinen kleinen Sohn auf dem Arm. Ich erzähle das, weil ich mich noch so intensiv an diesen Moment erinnere. Es war ein Glücksgefühl, ich dachte: Alles ist perfekt. Ich habe einen tollen Mann, meine Arbeit, zwei gesunde Kinder und ein schönes Haus. So viel Glück, dachte ich. Wie viele Menschen sehnen sich genau danach?
Vielleicht ist im Nachhinein auch das so schlimm: dass ich so ahnungslos war und mein Glück eigentlich eine Täuschung.
Der Zug war pünktlich, die Kinder gut aufgehoben und ich stand dann als liebe Ehefrau am Bahnhof, um meinen Mann zu empfangen. Nachdem er aus dem Zug gestiegen war, bemerkte ich, wie müde und zerschlagen er wirkte. Auf der Fahrt nach Hause sagte er mir, dass er heute Abend noch nach Norddeutschland fahren müsse, da er dort sehr früh am nächsten Tag einen Geschäftstermin hätte. Ich überredete ihn jedoch dazu, erst am nächsten Morgen zu fahren, weil es unverantwortlich wäre, nach seinem stressigen Arbeitstag noch zwei Stunden Autofahrt auf sich zu nehmen.
Durch eine SMS flog die Affäre auf
Am nächsten Morgen stand mein Mann sehr früh auf, und er hatte es eilig, er brauchte nur eine halbe Stunde, bis er abfahrbereit war. Ich beschloss, noch einmal ins Bett zu schlüpfen, nachdem ich meinen Mann verabschiedet hatte. Gerade als ich ins Schlafzimmer zurückgehen wollte, ertönte ein Klingeln, es kam aus dem Flur. Unerklärlich warum, aber mich durchzog ein seltsames Gefühl. Wollte ich wirklich wissen, wer anruft und was das für ein Telefon ist, das da klingelt?
Vorsichtig bewegte ich mich auf die Garderobe zu, zog ein Handy aus der Innentasche des Sakkos von meinem Mann und sah auf das Display. Eine innere Stimme sagte mir: sieh nach. Und ich tat es. Was ich dann zu sehen bekam, vertrieb alle Müdigkeit. Ich las Nachrichten von einer anderen Frau an meinen Mann.
Jede Nachricht endete mit »Ich liebe dich auch, freue mich auf dich und sehne mich nach dir«.
Doch es war besonders die eine Nachricht, die mir den Boden unter den Füßen wegriss. »Ich fand die Nacht einfach toll mit dir, ich liebe Dich.« Selbst als Sprachnachricht befand sie sich auf dem Handy. Ich stand wie unter Schock, plötzlich setzte ein Automatismus ein, ich entdeckte die Nachrichten der vergangenen Wochen und Monate.
Ich befand mich in einem Loch und fiel nur noch
Plötzlich fing mein Körper an, sich von mir zu lösen. Mir wurde immer klarer, dass mein Mann schon seit Längerem mit dieser Frau ein Verhältnis hatte und mehrmals im Hotel mit ihr übernachtet hatte – sogar während meiner Kur mit unseren Kindern. Es war wie im Rausch, vor mir fiel unser gemeinsames Leben wie ein Kartenhaus zusammen. Ich las weiter und weiter, stellte mir vor, wie er mich betrog. Mich, seine Frau, die Mutter seiner Kinder, die wirklich an alle dachte und an sich selbst zuletzt.
Ich merkte, wie ich in eine Art Schockzustand geriet. Alles wurde langsamer und schwerer um mich. Ein Blick auf die Uhr, und es schien, als wenn die Zeit zum Stillstand gekommen wäre. Ich befand mich in einem Loch und fiel nur noch. Es gab kein Stopp, keinen Halt. Von der einen Minute auf die andere war alles anders, und ich am Boden zerstört. Ich weiß nicht, wie lange ich danach in einer Zimmerecke zusammengekrümmt gehockt habe. Ich weiß nur, dass ich irgendwann zu mir kam, und dachte:
Du musst aufstehen, du musst weitermachen und funktionieren, schon allein für die Kinder.
Heute kann ich nicht mehr sagen, wie ich diesen Tag überstand habe, aber ich riss mich zusammen. Ich war wie gelähmt, lief mit verheulten Augen herum, hatte einen Ausschlag im Gesicht und fühlte mich wie eine Maschine, die weiter läuft. Die Kinder brachte ich in den Kindergarten, holte sie mittags wie immer ab und versuchte so gut wie möglich, den Tag herum zu bekommen.
Ich musste diese Frau sehen
Doch ich konnte meine Trauer und Wut vor den Kindern nicht unterdrücken, sodass mein kleiner Sohn mich fragte, warum ich weinen würde. In dem Moment schrie etwas in mir auf, eine Stimme, die ihm so gerne gesagt hätte, dass sein Papa mich mit einer anderen Frau jahrelang betrogen hat, uns alle, unsere Familie. Aber ich behielt es für mich.
Am Abend sollte mein Mann nach Hause kommen, mit ihm gesprochen hatte ich bis dahin noch nicht. Er wusste nur, dass ich seine Affäre herausgefunden hatte. Ich war einfach zu entsetzt, mir fehlten die Worte und ich hatte viel zu viele Fragen. Eines wusste ich: Ich musste diese Frau sehen. Wie sah sie aus, was für ein Mensch war sie?
Also brachte ich die Kinder zu meinen Eltern und fuhr zu ihr. Die Adresse hatte ich aus dem Handy meines Mannes. Da mein Mann mich kannte, hatte er seine Geliebte darauf vorbereitet, dass ich vor der Tür stehen würde. Ich parkte direkt vor ihrem Haus. Sie machte mir die Tür auf, als hätte sie auf mich gewartet. Sie war ganz ruhig, gefasst, bat mich herein und dann saß ich mit der Geliebten meines Mannes an ihrem Esstisch. Wir sahen uns lange einfach nur an. Ich erkannte in ihren Augen auch eine gewisse Art von Traurigkeit. Darüber, dass die Affäre aufgeflogen war und jetzt die Dinge ihren Lauf nahmen.
Ich sagte ihr, sie darf ihn haben, ich lass ihn gehen
Heute kann ich nicht mehr sagen, wie lange ich bei ihr war, doch manches, was sie gesagt hat, hallte lange noch in mir nach. Zum Beispiel: »Ich liebe Ihren Mann.« oder »Ich will endlich mal etwas für mich ganz alleine haben.« Es tat sehr weh, das zu hören. Weil mir dabei auch bewusst wurde, dass mein Mann auch seine Geliebte auf eine Art betrogen hatte. Ich sagte ihr, sie darf ihn haben, ich lass ihn gehen. Und sie sagte, ihre Tür würde immer für meinen Mann offen stehen.
Das war schon komisch, wir zwei Frauen so zusammen im Gespräch. Wir hätten uns auch an die Gurgel gehen können, aber wir waren beide wie gelähmt vor Traurigkeit. Zu keiner Minute unserer Unterhaltung empfand ich Gefühle wie Hass oder Groll. Ich kann nicht einmal sagen, dass ich böse auf die Geliebte von meinem Mann war.
Beim Abschied war mir plötzlich so, als müsste ich von allem irgendwie Abschied nehmen. Und ich spürte auch, wie unendlich traurig die Frau mir gegenüber war, dass alles so gekommen ist. Ich sah ihr in die Augen und umarmte sie nur.
Ich stellte meinem Mann nur eine Frage, immer wieder
Zuhause saß mein Mann bereits im Wohnzimmer und wartete auf mich. Ich konnte ihm nur eine Frage stellen, immer wieder: Warum hast du das getan, warum hast du mich betrogen? Seine Begründung: Er fühlte sich zurückgesetzt, brauchte einen Menschen zum Reden. Bei seiner Geliebten hatte er das Gefühl, zu 100 Prozent angenommen zu werden, die volle Aufmerksamkeit nicht nur als Mann, sondern auch als Mensch zu bekommen. Doch all das hätte nichts mit mir zu tun, sagte er. Er wollte mich und die Kinder nicht verlassen.
Vielleicht kam da so etwas wie Hoffnung in mir auf, ich wollte das alles auch noch gar nicht richtig glauben. Und als mein Mann dann von seiner Geliebten erzählte, und dass sie so ein verletzlicher Mensch wäre, selber zwei Kinder hätte und er sie nicht einfach so fallen lassen könnte, schlug mein Mutterherz. Dass eine Mutter wegen mir krank werden würde, das wollte ich nicht, so komisch das auch klingt.
Also willigte ich ein, dass er sich noch um seine Geliebte kümmern und sie »Freunde« bleiben konnten. Ich stand noch immer unter Schock, was ich mir dabei dachte, weiß ich heute auch nicht.
Am nächsten Morgen stand mein Mann frisch geduscht vor mir und teilte mir mit, dass er jetzt zu seiner Geliebten fahren müsste, um ihr zu sagen, dass sie Freunde bleiben könnten. Ich sagte ihm, er könne doch auch anrufen, aber er meinte, das würde er lieber persönlich besprechen. Dann fuhr er zu ihr. Schon da wurde mir klar, dass etwas in mir kaputt war.
Wir blieben noch 6 Jahre zusammen
Ich fühlte seit dem Aufdecken der Affäre nichts mehr für meinen Mann, meine Gefühle waren von jetzt auf gleich erkaltet. Und es blieb gefühlsmäßig kalt zwischen uns, auch wenn wir uns dafür entschieden, unsere Beziehung zu retten und wir sogar eine Paartherapie machten. Ich selbst spürte aber, wie hoffnungslos der Rettungsversuch war. Und als ich ein paar Wochen später auf dem Handy meines Mannes erneut eine Nachricht von seiner Geliebten fand, durchfuhr mich ein Schmerz, der noch stärker war, als am Tag, an dem ich von der Affäre erfahren habe.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich nie wieder meinem Mann vertrauen könnte. Ich akzeptiere, dass diese zwei Menschen sich füreinander entschieden haben. Trotzdem blieben wir noch sechs Jahre zusammen. Trotzdem blieben wir noch sechs Jahre zusammen. Es war wie eine Scheinbeziehung, die wir aufrechterhielten, vor allem wegen der Kinder. Bis zu dem Tag, an dem mir bewusst wurde, wie lange ich mich schon alleine fühlte, wie verlassen ich seit Jahren war. Da beschloss ich, mich von meinem Mann zu trennen. Auch wenn das ein Schock für die ganze Familie war, kann ich heute sagen: Es war der richtige Weg. Ich gebe meinem Mann nicht die Schuld, auch nicht der Geliebten, es kam nur so viel zusammen.
Mir wurde klar, dass ich gar nicht wusste, wer der Mann eigentlich war, mit dem ich alt werden wollte. Vielleicht wusste er das selbst auch nicht, und hat sich gesucht, auch bei der Geliebten.
Ich bin nicht die erste Frau, der so etwas passiert, und ich werde auch nicht die letzte sein
Heute fühle ich wieder Ruhe und ein Gleichgewicht in mir. Ich habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen, so betrogen worden zu sein. Doch die Jahre mit meinem Mann sind ein Teil meines Lebens, damit muss ich leben. Und wie das Leben so spielt, habe ich vor Kurzem einen wunderbaren Mann kennen gelernt und sehe zuversichtlich in die Zukunft. Das ist auch der Grund, warum ich meine Geschichte anderen erzähle. Ich bin nicht die erste Frau, der so etwas passiert, und ich werde auch nicht die letzte sein. Vieles habe ich hingenommen, weil ich mir manchmal nicht wichtig genug war und nicht genau hingesehen habe. Zwischendurch hatte ich sogar Depressionen, war wie eine Maschine, die nur noch funktioniert hat. Was das wirklich bedeutet, habe ich erst spät erkannt.
Mein Mann wollte immer, dass ich vergesse und mich anstrenge, dass ich ihm wieder vertraue. Aber nach seiner Affäre war unsere Beziehung nie wieder dieselbe, dieser Vertrauensbruch ließ sich nicht reparieren.
Insgeheim habe ich auch viele Jahre nach der Affäre versucht, es meinem Mann recht zu machen und eine gute Rolle als Frau zu spielen. Darum möchte ich allen Frauen raten: Bleibt, wie ihr seid, denn so seid ihr richtig. Es gibt keine Regeln, wie ihr eure Beziehung nach dem Aufdecken einer Affäre weiterführt, ihr müsst euren Weg finden. Aber lasst euch dabei nicht von außen beeinflussen, verstellt euch nicht und bleibt euch selber treu!
Liebe Vera*, wir danken Ihnen herzlich für diesen Erfahrungsbericht!
*Name wurde von der Redaktion geändert
Mehr Erfahrungsberichte
- Ich bin viel offener geworden und meine Vorlieben beim Sex haben sich teilweise auch geändertSaskia, 31 Jahre, Büroangestellte
- »Mein Ehemann gibt mir Sicherheit und Geborgenheit, mein Liebhaber Aufregung und Leidenschaft«Carolin , 44 Jahre, Politikwissenschaftlerin
- »Das Leben ist zu kurz, um in einer eingeschlafenen Ehe ewig zu verharren«Judith, 52 Jahre, Selbstständig
- »Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen meines Seitensprungs«Petra, 49 Jahre, psychologische Beraterin
- Weitere Erfahrungsberichte