Über den Zusammenhang zwischen Intelligenz und Beziehungsverhalten wird ununterbrochen geforscht und theoretisiert. Meist beruhen diese Theorien auf einer mehr oder weniger willkürlichen, akademischen Interpretation gesellschaftlicher, religiöser oder kultureller Entwicklungen. So galt der 68er-Spruch »Wer zweimal mit der Selben pennt ...« als Maxime junger Leute, die sich zur Intellektuellenszene zählten, sich von verkrusteten Strukturen lösen wollten und eine sexuelle Revolution in Worte zu fassen versuchten. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Wahlloses Herumvögeln ohne emotionale Bindungen gilt als veraltet. Treue dagegen wird von Medien und Psycho-Ratgebern als Erkennungszeichen moderner, intelligenter Menschen ausgelobt und gilt als »schick«, allen Diskussionen über offene Beziehungen zum Trotz.
Doch lassen sich solche radikalen Behauptungen tatsächlich beweisen?
Vorsicht: Es geht nicht nur um Sex!
Wie das »Social Psychological Quarterly« berichtet, wurden die Teilnehmer kontinuierlich über ihr Sexualverhalten und ihre Einstellung zu verschiedenen Lebensthemen befragt. Gleichzeitig unterzogen sie sich mehreren Tests, bei denen ihr IQ gemessen wurde. Dabei zeigte sich, dass diejenigen mit dem höchsten IQ monogamer lebten als ihre weniger intelligenten Geschlechtsgenossen.Nun sind IQ-Tests immer mit Vorsicht zu genießen, da sie die Gefahr bergen, die tatsächliche Klugheit eines Probanden nicht korrekt abzubilden.
So wurde schon 2002 der Kognitionswissenschaftler Daniel Kahneman für seine Arbeiten mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnet. Er bewies mit seinen Studien an der Universität Princeton, dass wesentliche kognitive Merkmale, die über Klugheit eines Menschen Aufschluss geben, bei klassischen IQ-Tests gänzlich unberücksichtigt bleiben. Am Wichtigsten ist der hier dokumentierte Unterschied zwischen Rationalität und Intelligenz. Ein Mensch mit hohem IQ ist demnach durchaus in der Lage, irrationale, »dumme« Entscheidungen zu treffen, während ein »dümmerer« Mensch sich klug und rational verhalten kann, obwohl sein niedriger IQ ihn nicht dafür qualifizieren würde.
Intelligenz vs. Urtrieb
Studienleiter und Evolutionspsychologe Kanazawa beschränkt daher seine Schlussfolgerungen nicht nur auf das Liebesleben in einer modernen Gesellschaft, sondern denkt in Zyklen, die mehrere Millionen Jahre umfassen. Evolutionstechnisch seien Männer instinktiv durch den ihnen auferlegten Fortpflanzungsdruck »leicht polygyn« orientiert, so Kanazawa. Da aber heute dieser evolutionäre Druck nicht mehr existiere, seien intelligente Männer fähig, sich von veraltetem Triebverhalten zu lösen und bewusst andere Grundwerte, z.B. eheliche Treue und Monogamie, in ihr Leben zu übernehmen.Um diese These zu prüfen und das Persönlichkeitsprofil jedes Teilnehmers so differenziert wie möglich zu rastern, bezogen sich die von Kanazawa gestellten Fragen nicht nur auf das Sexualverhalten, sondern darüber hinaus auf religiöse, politische und ethische Themen. In dieser Runde wurden auch Frauen befragt.
Ergebnis: Je höher der IQ, umso weiter orientierten sich die Probanden politisch links und forderten z.B. höhere Steuern für Gutverdiener, um sozial Schwachen helfen zu können. Gleichzeitig erklärten Teilnehmer mit hohem IQ, sich keiner Religion zugehörig zu fühlen. Daraus ließe sich ableiten: Je klüger ein Mensch ist, umso selbständiger und sozialer denkt er und umso geringer ist sein Bedürfnis nach religiöser Führung.
Schlussfolgerung: Kluge Männer sind atheistisch, treu und sozial
Hilft also eine ausgeprägte Intelligenz dabei, auf Seitensprünge zu verzichten? Eine mögliche Bestätigung könnte die Kontrollfunktion bzw. gut entwickelte Impulskontrolle des Gehirns liefern, die bei Menschen mit hohem IQ besser funktioniert. Dies wurde bereits in älteren Studien belegt. Doch daraus zu schließen, dass nur dumme Männer fremdgehen, lädt Kritiker dazu ein, die These zu verulken.So könnte man den Spieß umdrehen und behaupten, kluge Männer können die unangenehmen Folgen des Fremdgehens leichter abschätzen als weniger intelligente und verzichten daher dankend. Oder, ketzerischer Gedanke: Sind die befragten Schlaumeier womöglich nur schlau genug zu wissen, welche Antwort besser ankommt? Und die »dümmeren« Fremdgänger einfach nur nicht »schlau« genug, sich nicht erwischen zu lassen?
Auch der FU-Biopsychologe Peter Walschburger mahnt zur Vorsicht und rät, die Studie nicht allzu wörtlich zu nehmen: »Die Lust zum Seitensprung geht von Strukturen und Impulsen des Gehirns aus, denen das reflexive Bewusstsein meist nur wenig entgegenzusetzen vermag«.
Immerhin gibt es noch eine andere, sehr viel ältere Regel, die in fast allen Kulturkreisen der Erde bereits verifiziert wurde: Je intelligenter ein Mensch ist, umso größer seine Neugier und Offenheit dem Unbekannten, Neuen gegenüber.