Je schöner die Stimme, umso untreuer ihr Besitzer
Eine gewagte Behauptung, die aber von der Mehrheit der Studienprobanden bestätigt wird. O'Connor: »Je attraktiver eine Stimme – bei Frauen eine höhere, bei Männern eine tiefere Stimmlage – desto wahrscheinlicher wird die Bereitschaft zum Seitensprung eingeschätzt«, sagt die Leiterin der Studie, Jillian O'Connor. Im amerikanischen Psychologie-Magazin »Evolutionary Psychology« wurden jetzt Teile der Studie veröffentlicht. Demnach achten wir bei der Partnerwahl unbewusst nicht nur auf äußere Attraktivität, die auf »gute Gene« schließen lässt, sondern suchen auch nach potenziell monogamen Partnern. Das hierfür ausschlaggebende Auswahlkriterium bei einem Date ist nicht, wie bisher vermutet, der erste optische Eindruck. Es ist die Stimme.Den Probanden der Studie wurden jeweils zwei Versionen einer männlichen und einer weiblichen Stimme vorgespielt. Anhand dieser Aufnahme sollten sie entscheiden, welche der beiden Stimmen wohl eher zu einem treuen Menschen gehört. In fast allen Fällen wurde die tiefere Männerstimme und die höhere Frauenstimme als untreu eingestuft!
Das überrascht insofern, als das es ja in der westlichen Kultur das weit verbreitete Ideal einer tiefen, dunklen Altstimme gibt, mit der Frauen ihre Männer um den Verstand plaudern können. Offenbar wird hier aber unterschieden zwischen verführerisch und untreu. Ganz von der Hand zu weisen ist der Zusammenhang jedoch nicht. Eine tiefe Männerstimme und eine hohe Frauenstimme entstehen ja nicht zufällig, sondern werden auch durch die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen bestimmt. Je höher der Hormonspiegel, umso größer die sexuelle Aktivität. David Feinberg: »Der Grund dafür, dass die Stimmlage die Wahrnehmung des Fremdgehens beeinflusst, liegt wahrscheinlich in der Verbindung von Stimme, Hormonen und Untreue.«
Genau hinhören erleichtert die Partnerwahl
Die Studie reiht sich ein in eine ganze Serie von aktuellen Forschungsprojekten, in denen versucht wird, das Phänomen Untreue zu entschlüsseln. Dabei beginnt sich ein roter Faden abzuzeichnen: die evolutionäre Notwendigkeit, das Sexualverhalten eines Menschen so früh wie möglich erkennen und einordnen zu wollen. Oder ganz banal gesagt: Wir wollen wissen, woran wir sind. Aus gutem Grund. O'Connor: »Untreue hat große Auswirkungen im emotionalen Bereich, kann aber auch finanzielle Kosten und einen potenziellen Verlust der Familieneinheit mit sich bringen. All dies lässt vermuten, dass wir durch den evolutionären Prozess gelernt haben, diejenigen Partner zu vermeiden, die untreu sein könnten.«Die Feinwahrnehmung für Stimmen ist demnach ein eine Art Schutzmechanismus gegen das Betrogenwerden. Klingt logisch. Bleibt nur die Frage: Wenn es tatsächlich so ist, dass wir unbewusst bereits beim Kennenlernen wissen, ob wir es mit einem treuen oder fremdgehenden Gegenüber zu tun haben, wie kommt es dann, dass wir uns trotzdem auf Beziehungen einlassen, in denen es nicht passt?