Warum gute Freunde die Zufriedenheit in unserer Partnerschaft steigern
Liebe brauche immer Luft zum Atmen – dafür seien im wesentlichen auch Freundschaften verantwortlich, sagt der Berliner Paartherapeut Dr. Wolfgang Krüger. Enge Bindungen außerhalb der Beziehung sorgen für eine gute Nähe-Distanz-Bilanz und tragen dazu bei, dass wir uns immer wieder neu in unseren Partner verlieben können.
»Ein Freund, ein guter Freund das ist das schönste was es gibt auf der Welt.« Wohl wahr, für die meisten Menschen sind enge Freundschaften ein wichtiger Glücksfaktor. 73 Prozent aller Deutschen haben laut der Jacobs-Studie »Freunde fürs Leben« einen oder mehrere beste Freunde. Die meisten haben ihre engsten Freundschaften bereits seit der Jugend, drei Viertel kennen ihren besten Freund oder die beste Freundin im Durchschnitt seit 24 Jahren.
Damit sind viele Menschen in ihren Freundschaften oft beständiger als bei ihren Beziehungen. Freunde verbinden in der Regel auch Dinge, die langfristig bindender sein können, als Liebe und Leidenschaft. Neben gemeinsamen Unternehmungen und gleichen Interessen sind den Deutschen der Studie zufolge nämlich jederzeit verlässliche Hilfe (88 Prozent), gegenseitige Unterstützung (79 Prozent), ein offener Umgang miteinander (77 Prozent) und »dass man über alles reden kann« (73 Prozent) besonders wichtig.
Vor allem intensive Freundschaften würden unser Leben bereichern, sagt Wolfgang Krüger. In seinem neuen Buch Freundschaft: beginnen, verbessern, gestalten (BOD Verlag 9,90 Euro) befasst sich der Berliner Psychotherapeut mit der Bedeutung, die Freunde für uns haben. Vor allem als Vetraute stärken sie uns in schlechten Zeiten, gerade Freundschaften, die auch durch Tiefen gehen und Konflikte ertragen, geben uns Halt.
Liebe braucht andere – Freundschaften vor allem
Eine gute Liebesbeziehung kann auch nur gelingen, wenn man intensive Freundschaften pflegt – dieser Meinung ist Wolfgang Krüger. »Wer gute Freundschaften pflegt, verfügt über ausgeprägte soziale Fähigkeiten und einen emotionalen Rückhalt. Deshalb ist seine Partnerschaftswahl meist wesentlich besser als bei Einzelgängern«, sagt Wolfgang Krüger im Gespräch. Aber auch für die Partnerschaft spielen Freundschaften eine wesentliche Rolle. »Gute Freundschaften entlasten eine Liebesbeziehung von zu hohen Ansprüchen, und wir sind in der Lage, mit dem Freund auch über unsere persönlichen Schwierigkeiten zu reden.« Nicht nur in Konflikten wirke sich das günstig aus. Vor allem die unterschiedlichen Bedürfnisse nach Nähe und Distanz können wir besser steuern und Machtprozesse ruhiger bewältigen, wenn wir einen guten Freund oder eine gute Freundin haben, sagt der Paartherapeut. Außerdem würden Freundschaften dazu beitragen, dass wir uns immer wieder neu in unseren Partner verlieben können. Die große Euphorie der Verliebtheit hängt stark damit zusammen, dass wir den Partner begehren, weil zu ihm ein großer Abstand besteht. Weil er eigenständig sei, weil die Beziehung zu ihm unsicher sei, empfinden wir so viel Sehnsucht. Diese schwinde allerdings, sobald wir die Partnerschaft eingehen, sagt Krüger. Dadurch entstehe eine beruhigende Sicherheit, die sich teilweise lähmend auf die Erotik auswirke. Zudem würden alltägliche Konflikte dazu führen, dass der Zauber der Verliebtheit schwinde. »Doch sobald einer der Partner wieder mehr Freundschaften eingeht, tritt das Eigenleben des Einzelnen wieder stärker hervor.« Die spannende Kraft des individuellen Lebens könne so wieder empfunden werden, die Sehnsucht steige. Liebe brauche immer Luft zum Atmen – dafür seien im wesentlichen auch Freundschaften verantwortlich.
Intensiv, oberflächlich, austauschbar – wie Freundschaften sind, die gut sind für die Liebe
60 Prozent der Befragten sagten in einer Umfrage von Wolfgang Krüger, ihre Freundschaften seien verbesserungsfähig. Freundschaften sollten intensiv sein, wir sollten vor allem in der Lage sein, auch von unseren Ängsten, Hoffnungen und Sorgen zu berichten. Doch nur 70 Prozent der Befragten gaben an, sie würden dem Freund von Partnerschaftsproblemen erzählen. Und nur 50 Prozent würden Freund oder Freundin in sexuelle Probleme einweihen. Laut Krüger ist dies verständlich, weil die Sexualität letztlich sehr intim ist. »Dabei wäre es wichtig, dass wir der Freundin davon berichten, dass seit Monaten im Bett nichts mehr läuft.« Die Erotik sei immer ein Spielbild der Partnerschaft, sie beschäftige uns in der Phantasie sehr viel. »Deshalb ist es schade, dass es noch heute zwei Tabuthemen in Freundschaften gibt: Das Geld und den Sex.«
Das Harry & Sally-Dilemma: Können Männer und Frauen »nur« Freunde sein?
Sicherlich haben auch Sie enge Freunde, Menschen, die Ihnen seit Jahren sehr nahe stehen. Wenn Sie ein Mann sind, ist es bestimmt auch einer, sind Sie weiblich, dann ist es Ihre engste Vertraute garantiert auch. Studien zeigen, dass etwa 90 Prozent unserer Freunde uns nicht nur ähnlich sind, was Einstellungen, Interessen und Wertvorstellungen angeht. Sie haben auch das gleiche Geschlecht.
Woran liegt das? Immerhin glauben vier von fünf Erwachsenen zumindest daran, dass Männer und Frauen Freunde sein können. Gleichwohl kommt es eher selten vor, dass eine Frau einen engen Freund hat und umgekehrt. Und wenn es so ist, dann werden diese Verbindungen eher kritisch beäugt. 1989 brachte ein Kinofilm das Problem auf den Punkt: Hauptfigur Harry ist der Meinung, ein Mann könnte nicht mit einer Frau »nur« befreundet sein, wenn er sie attraktiv findet. Irgendwann kommt immer der Sex dazwischen. Bei ihm und Sally ist das der Fall, letztlich wird aus den Freunden ein Paar – womit bewiesen wäre, dass nur Freunde sein nur bis zu einem gewissen Punkt geht. Die Wissenschaft versucht, Erklärungen für das Harry & Sally-Dilemma zu finden. Eine Studie etwa zeigt, dass Männer und Frauen grundsätzlich andere Ansprüche an eine Freundschaft haben. Während Frauen demnach mehr Wert auf Vertrauen, Loyalität, Selbstöffnung und Zusammengehörigkeit legen, zählt bei Männern auch, ob der andere etwas zu bieten hat, sprich attraktiv, erfolgreich oder sportlich ist.
Und auch wenn Sex kein Thema ist, empfinden viele Männer und Frauen die Attraktivität des anderen als belastend für die Freundschaft. Ein Drittel von 88 gemischten Freundespaaren bewertete es in einer Befragung als Ballast, wenn sie sich zum anderen hingezogen fühlten. Vor allem Frauen finden es kompliziert, wenn sie sich von ihrem Kumpel-Freund sexuell angezogen fühlen. Verständlicherweise, denn eine gute Freundschaft lebt von Offenheit und Nähe – sexuelle Anziehungskraft kann da verunsichern. Sie macht solche Freundschaften zwar auch prickelnd und besonders, aber auch anfällig für erotische Ausrutscher.
Achtung, Kumpelfalle: Wenn aus Freundschaft Liebe wird
Darum gibt es in vielen Beziehungen auch Knatsch wegen Freund oder Freundin des Partners: Jeder Dritte gab in der Befragung an, der Partner sei schon mal eifersüchtig auf den Freund gewesen. Diese Eifersucht sei sehr berechtigt, meint die amerikanische Psychologin Shirley Glass. Ihr Buch »Psychologie der Untreue« heißt im amerikanischen Original nicht umsonst »NOT ›Just Friends‹, zu Deutsch »Nicht nur Freunde«. Denn eine ihrer Grundthesen lautet, dass vor allem enge Freundschaften die Gefahr mit sich bringen, zu intim zu werden und die Grenzen zu einer Affäre zu überschreiten. Glass zitiert unter anderem eine Studie, der zufolge 82 Prozent der Affären als normale Sozialkontakte mit Nachbarn oder Arbeitskollegen – also als stinknormale Freundschaften beginnen. Die Grenze von platonischer Freundschaft zu romantischer Liebe wird ihr zufolge heute ziemlich schnell überschritten. Während nämlich die Möglichkeiten enger Freundschaften auch zwischen den Geschlechtern zunehmen würden, würde die Grenze zwischen platonischen und romantischen Gefühlen zunehmend unschärfer und leichter zu überschreiten. Zudem ließen sich, anders als früher, immer mehr Männer gefühlsmäßig und mehr Frauen sexuell auf jemand anderen ein.
Zu eng, zu vertraut, zu intim: Signale, dass Freundschaft Ihrer Liebe gefährlich werden könnte
Viele Treffen, sehr herzliche Begrüßungen und ziemlich offene Gespräche – schon kann es mehr als nur Freundschaft sein, meint Glass. Besondere Nähe sollte Ihrem Partner vorbehalten sein, ebenso wie intime Gespräche, in denen Sie Vertrauliches austauschen. Wird Ihr Freund oder der Ihres Partners erste Anlaufstelle für Anliegen aller Art, ist das eine gefährliche Tendenz. Shirley Glass empfiehlt in ihrem Buch, sich unter anderem diese Fragen zu stellen, um herauszufinden, ob eine Freundschaft schon mehr ist:
- Erzählen Sie Ihrem Freund mehr als Ihrem Partner darüber, wie Ihr Tag verlief?
- Diskutieren Sie ungute Gefühle oder vertrauliche Details Ihrer Beziehung mit Ihrem Freund, aber nicht mit Ihrem Partner?
- Sind Sie Ihrem Partner gegenüber off en, was den Intensitätsgrad Ihrer Freundschaft anbelangt?
- Ist Ihnen eine sexuelle Spannung in der Freundschaft bewusst?
Je mehr dieser Fragen Sie mit »Ja« beantworten, umso eher könnte es sein, dass sich Ihre oder die Freundschaft Ihres Partners bereits in der Gefahrenzone zu großer emotionaler Vertrautheit befindet. Glass rät: Nutzen Sie dieses Bewusstsein und sprechen Sie Ihre Besorgnis an!
Achtung, Beziehungsfalle: Wenn aus Liebe Freundschaft wird
Aber nicht nur außerhalb der Partnerschaft kann Freundschaft sagen wir mal: zum Problem werden. Auch innerhalb einer Beziehung kann sie Schaden anrichten. Etwa dann, wenn aus der einst leidenschaftlichen Liebe eine rein freundschaftliche Verbindung wird. Eigentlich müsste man dann sagen: Wenn aus Liebe Bekanntschaft wird, erklärt Wolfgang Krüger im Gespräch. »Denn Freundschaft bedeutet, dass man viel über sich redet, miteinander spricht. und gerade das passiert in schlechten Beziehungen nicht. Es ist eben keine Freundschaft, und das merkt man auch an der Stimmung, die wenig freundschaftlich ist.«
Vor allem in langjährigen Partnerschaften werden Geborgenheit, Austausch und Zusammenhalt wichtig – also Dinge, die auch eine gute Freundschaft ausmachen. Wenn aber in der Liebesbeziehung die Erotik vollkommen an den Rand gerät, dafür die Partner ein gutes Freunde-Team abgeben, stimmt etwas nicht. »Liebe beinhaltet eben auch Erotik und Leidenschaft, man muss vom anderen ein wenig fasziniert sein.« Es gebe Menschen, bei denen diese Faszination auf der Strecke bleibe. »Sie sind ein wenig hausbacken, ein wenig langweilig. Mitunter spreche ich in der Praxis mit Frauen, die sehr versorgend sind, sehr mütterlich... aber erotisch wirken sie nicht. Ihnen fehlen die Eigenständigkeit, die Expansion, die einen Menschen interessant machen.«
Wenn der Partner zum engsten und auch einzigen Vertrauten wird, kostet das mitunter ein gewaltiges Quantum an Leidenschaft. Es sei ein Drama, wenn man nur noch Kumpel sei, befindet Krüger. »Da ist doch die ganze Welt der Erotik untergegangen. Am Anfang wollte man ständig den anderen küssen, anfassen, mit ihm schlafen. Und nun ist dies alles untergangen, nicht mehr vorhanden?« Oft seien Partner sehr desillusioniert vom anderen, es gebe massive Kritikpunkte, unbewältigte Konflikte, der Partner ist langweilig geworden. »Normal ist dies jedenfalls nicht und die Gefahr besteht immer, dass der aktivere Partner irgendwann fremdgeht.«
Fazit: Freundschaft und Liebe – am besten ziemlich beste Freunde
Freundschaft ist eine gute Basis für eine Beziehung. Aber zu der gehört noch mehr: Erotik, Intimität, körperliche Nähe. Und eine Beziehung profitiert davon, wenn beide Partner intensive Freundschaften daneben pflegen. Aber da muss es eine Grenze geben: Erotik, Intimität und körperliche Nähe sind zu viel des Guten.
Damit Sie weder in die Kumpel- noch in die Beziehungsfalle stolpern, können Sie etwas tun:
- Gestalten Sie Ihr eigenes Leben interessant, unternehmen Sie mit Ihrem Partner Spannendes gemeinsam und stellen Sie vor allem gelegentlich Abstand her, indem Sie eigenständiger werden und Ihre Freundschaften pflegen, rät Wolfgang Krüger.
- Vermeiden Sie emotionale Intimität gegenüber Menschen, die eine attraktive Alternative zu Ihrer festen Beziehung sein könnten. Widerstehen Sie der Versuchung, eine »unglückliche Seele« zu retten, die Ihnen ihr Herz ausschüttet, empfiehlt Shirley Glass.