Zwei Menschen lieben: Wenn Liebe nicht mehr »ein«-fach ist
»Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich bin doch zu schade für einen allein!«, sang einst Marlene Dietrich. Selbstbewusste Worte einer Grande Dame. Aber was ist, wenn man nicht mehr weiß, zu wem man gehört, weil man zwei Menschen liebt? Weil man sich gar nicht für einen von beiden entscheiden will? Kann eine Dreiecksbeziehung dauerhaft bestehen? Und wenn ja: Sollte man sie tunlichst geheim halten, oder ist irgendwann ein offenes Wort zwingend notwendig?
Kann man überhaupt zwei Menschen zugleich lieben?
Auch wenn fast jeder irgendwann in seinem Leben einen Seitensprung begeht – meist handelt es sich dabei um kürzere Affären. In einer Umfrage der »Brigitte«, gaben jedoch immerhin 11Prozent der Befragten an, für einen längeren Zeitraum schon einmal zweigleisig gefahren zu sein. Tatsache ist: Gelegenheit macht Liebe, und das kann auch beim Seitensprung passieren. Allen guten Vorsätzen zum Trotz. Wer auf die Exklusivität einer Liebesbeziehung schwört, glaubt zwar eher nicht an die Möglichkeit, zwei Partner gleichzeitig lieben zu können. Und doch sprechen Betroffene immer wieder von ihrem Dilemma, sich eben nicht für oder gegen einen der beiden Partner entscheiden zu können. Und zu wollen.
Tatsächlich ist Liebe ja auch nicht nur ein Partnerschaftsphänomen. Wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, liebt man oft mehrere Menschen zugleich. Eltern, Geschwister, Freunde … Liebe ist generell nicht begrenzt und wir können sie auch für Menschen entwickeln, die neu in unser Leben treten. Schwierig wird es erst dann, wenn wir auch sexuell begehren – denn damit ist unser Ehepartner in der Regel nicht einverstanden. Es sei denn, wir führen eine offene Beziehung . Ist das nicht der Fall, gibt’s Probleme. Dabei ist es nur menschlich, seine Liebe auch innerhalb einer Partnerschaft ein zweites Mal zu verschenken. An eine Person, die unerfüllte Wünsche befriedigt. Bei der man wieder etwas findet, das in der bestehenden Partnerschaft im Alltag verloren gegangen ist. Und eigentlich ist lieben zu dürfen doch auch ein wundervolles Gefühl. Schade, dass es, im Überfluss genossen, solche Probleme machen kann!
Denn hat man sich erst in seine Affäre verliebt, wird es schwierig. Dann lässt sich diese nicht mehr kurz und schmerzlos beenden. Auf Abstand zu gehen, ist auch keine Lösung – Liebende wollen sich sehen, spüren und einander genießen. Was aber, wenn man auch noch an der bestehenden Beziehung hängt und beide Partner liebt? Wenn keine Entscheidung darüber getroffen werden kann, zu wem man gehört? Wenn man an beiden Lieben festhalten möchte oder sogar muss? Wer nicht mit offenen Karten spielen will, lebt dann zwangsläufig in zwei parallelen Welten. Manchmal funktioniert das sogar. Je mehr Zeit ins Land geht, desto unvermeidlicher wird es jedoch, ein offenes Wort zu sprechen, bevor alles durch einen unglücklichen Zufall auffliegt und der betrogene Partner in ein riesiges Loch stürzt. Aber natürlich ist auch Offenheit keine Garantie dafür, dass das Modell der Dreiecksbeziehung funktioniert. Oft drängt einer der Ehepartner oder aber auch der Seitensprungpartner auf eine Entscheidung.
»Ich wollte keinen von beiden aufgeben – warum denn auch?«
Sabine (39) kennt das Problem – und die damit verbundene Ratlosigkeit. »Ich musste darüber reden. Dachte, mit Hilfe meiner beiden besten Freundinnen würde ich eine Lösung für mein Problem finden. Aber ich bekam ziemlich viel Gegenwind. Eine mahnte: ‘Du musst dich entscheiden!‘ Die andere meinte: ‘Wirf nicht leichtfertig weg, was du dir mühsam aufgebaut hast. Denk dran, du hast Familie.‘ Keine verstand mein eigentliches Problem: Ich konnte und wollte mich nicht entscheiden.«
Genau hier liegt der Hund auch begraben. Solange kein akuter Handlungsbedarf besteht, trifft man keine Entscheidung. Man genießt es, zwei Menschen zu lieben. Oft bringt sogar die neue Liebesaffäre frischen Schwung in die bestehende Beziehung.
Sabine erzählt weiter: »Immer wenn ich von Marcus nach Hause kam, war ich gut gelaunt und ausgeglichen. Davon hat auch mein Mann profitiert. Die negative Spannung, die zwischen uns schon einige Zeit geherrscht hatte, löste sich. Sinnlose Diskussionen wurden einfach nicht mehr geführt weil es viel zu schön war, den anderen einmal wieder gut gelaunt zu erleben. Die Lebensfreude, die ich bei Marc wiedergefunden hatte, hat sich auch auf meine Ehe übertragen. Es war auf einmal möglich, gelassener und humorvoller mit dem Alltagskram umzugehen.«
Je weniger Verbindlichkeiten in einer Parallel-Beziehung existieren, umso weniger belastet sie die bestehende Partnerschaft. Ohne Verpflichtungen etwas genießen können, ist pures Glück. Die Affäre bietet Seelenheil. Aus ihr schöpft man im günstigsten Fall Kraft für das Bewältigen alltäglicher Probleme mit Mann, Kind, Haus und Hund. Muss man also überhaupt zwingend eine Entscheidung herbeiführen? Oder ist es nicht sogar besser, es bei der Dreiecksbeziehung zu belassen? Der Psychologe Oskar Holzberg bestätigt: »Es wäre realistischer, pragmatischer und reifer, aber noch ist es eher utopisch.« Wir sind noch zu sehr an Monogamie gewöhnt. Andere Formen der Liebe und des Zusammenseins sind längst nicht die Norm. Auch wenn kontinuierlich steigende Scheidungszahlen und unsere eigenen Erfahrungen eindrucksvoll belegen, dass ein ausschließlich zweisames Zusammensein über viele Jahre hinweg eher selten funktioniert. Dass es anders vielleicht besser gehen könnte – daran glauben bisher die wenigsten. Deswegen enden Dreiecksbeziehungen meist in Eifersuchtsdramen, Lügen, Gefühlschaos und schließlich Trennung.
Soll ich die Karten auf den Tisch legen?
Die Gretchenfrage: Genießen und schweigen oder ehrlich sein? Selbst in toleranten Beziehungen mit großen Freiräumen für beide Partner kann ein solches Geständnis die Gefühlswelt aller Beteiligten komplett auf den Kopf stellen. Liebt man heimlich und fliegt es dann auf, sind die Verletzungen allerdings noch heftiger.
Sabine hat es erlebt: »Wenn man zwei Männer gleichzeitig liebt, ist das schlechte Gewissen allgegenwärtig. Die Angst erwischt zu werden und einem geliebten Menschen unsäglich weh zu tun, ist zermürbend. Andererseits hatte ich Angst davor, dass mich Matthias vor die Entscheidung stellt – er oder ich. Irgendwann habe ich den Druck aber nicht mehr ausgehalten. Ich wusste, dass ich handeln muss. Und habe Matthias von Marcus erzählt. Ich wollte nicht darauf warten, dass ein dummer Zufall meine Liebe zu ihm auffliegen lässt. Das Heft selbst in die Hand zu nehmen, erschien mir richtiger.« Sabine beichtete ihrem Mann ihre Liebe zu einem anderen. »Er hat es nicht verkraftet. Anfängliche Versuche damit umzugehen, sind letztenendes an seiner Eifersucht gescheitert. Im Nachhinein betrachtet war seine Entscheidung, sich von mir zu trennen, nachvollziehbar. Er hat einfach viel zu sehr unter der Situation gelitten. Er hat zwar keine Entscheidung von mir verlangt, aber dann selbst eine für sich getroffen. Das war für mich sehr schmerzlich, da ich ihn ja auch liebte. Und immer noch liebe. Aber wir haben mittlerweile einen brauchbaren Weg des Umgangs gefunden und sind wieder wirklich gute Freunde geworden. Und das nicht nur wegen unserer gemeinsamen Tochter.«
Sabines Geschichte hätte auch anders ausgehen können: Langfristig gefundenes Glück für alle Beteiligten, innerhalb einer toleranten, offenen »Dreisamkeit«. Oder nur eine Zwischenstation, zurück zu vertrauter Zweisamkeit. Viele Dreiecksbeziehungen funktionieren auch deshalb, weil alle Beteiligten davon profitieren. Weil ein Dritter im Bunde auch von als unangenehm empfundenen Verpflichtungen befreien kann. Weil der Erwartungsdruck sinkt und man nicht mehr alles für den Partner sein muss. Es gibt nicht wenige Beispiele für solche – oft unausgesprochenen – Vereinbarungen oder Deals.
Eine Dreiecksbeziehung ist wie ein Dreirad …
… man kann sich sicher damit fortbewegen. Und auch wenn es stillsteht, fällt es nicht um. Darf man auf eine neugefundene Liebe als Stützrad vertrauen oder ist es inkonsequent, gar egoistisch, mangelndes Gleichgewicht in einer Beziehung damit kompensieren zu wollen? Eines steht fest: Liebe ist nicht rational. Und selten logisch. Sie fragt nicht – Liebe geschieht einfach. Und wenn man dann auf einmal zwei Menschen liebt, verändert das alles. Was tun? Hören Sie auf Ihr Herz. Nehmen Sie sich alle Zeit, die sie benötigen, um die Situation zu analysieren. Treffen Sie wohlüberlegte Entscheidungen, zu denen Sie auch stehen können. Und wenn die Situation gar zu schwierig erscheint: Bei der Lösung können auch Paartherapeuten helfen. In einem komplizierten Fall wie einer Dreiecksbeziehung kann es durchaus sinnvoll sein, sich Tipps von Experten zu holen und auch bei gemeinsame Gesprächen mit dem Partner – vielleicht sogar beiden Partnern – begleiten zu lassen.